Nachdem der Angeklagte über seinen Verteidiger gegen einen Strafbefehl des AG Kelheim wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis Einspruch eingelegt hatte, wurde der Antrag des Verteidigers, ihn dem Angeklagten wegen der schwierigen Rechtslage als Pflichtverteidiger beizuordnen abgelehnt. Dabei war die Rechtslage alles andere als einfach, denn der Angeklagte hatte eine Fahrerlaubnis. Allerdings nur eine tschechische. Da der Angeklagte nicht für 185 Tage seinen ordentlichen Wohnsitz in der tschechischen Republik gehabt hätte, sei er nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.
Der gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung eingelegten Beschwerde wurde vom Amtsgericht nicht abgeholfen, das Landgericht Regensburg musste also entscheiden und gab der Beschwerde statt. Zwar liege hier kein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs.1 StPO vor, allerdings sei die Rechtslage in der Tat schwierig, so dass gem. § 140 Abs. 2 StPO die Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist.
Aus den Gründen:
Die Frage der Anerkennung von Fahrerlaubnissen, die andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ausgestellt haben, war in der jüngsten Vergangenheit geänderter Rechtslage und wiederholt geänderter Rechtsprechung des EuGH unterworfen. Schon dieser Umstand alleine drängt den Schluss auf, dass die Bewertung der Frage der Gültigkeit der vom Angeklagten verwendeten Fahrerlaubnis keine einfache Rechtsfrage darstellt. Dementsprechend wird auch zurecht in der Literatur die Frage diskutiert, ob bei der hier vorliegenden Konstellation, dass ein Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung bei der Erteilung einer ausländischen Fahrerlaubnis im Raume steht, aufgrund des Blankettcharakters der Strafnorm im § 21 Absatz 1 Nr. 1 StVG überhaupt davon ausgegangen werden kann, dass die Strafbarkeit in derartigen Fällen noch ausreichend bestimmt ist (zu dieser Diskussion: Mosbacher/Gräfe, Die Strafbarkeit von „Führerscheintourismus“ nach neuem Recht, NJW 2009, 801).
Dies gilt auch nach Änderung der Fahrerlaubnisverordnung mit Gesetz vom 19.01.2009, soweit das Fehlen einer Fahrerlaubnis wie hier aus dem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis abgeleitet wird. Denn ein Teil der Literatur und Rechtsprechung weist zurecht daraufhin, dass unklar sei, was mit der Formulierung in § 28 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 FeV „vom Ausstellerstaat herrührender unbestreitbarer Informationen“ gemeint sei, insbesondere in Qualität die Informationen haben müssen und wem sie eigentlich für die Begründung eine Strafbarkeit vorliegen müssen. Dementsprechend wird von der vertretenen Meinung einer Strafbarkeit nur dann angenommen, wenn sich aus dem Führerschein selbst erweise, dass die Wohnsitzvoraussetzungen nicht vorgelegen haben oder nach 28 Absatz 4 Satz 2 FeV ein feststellender Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung ergangen ist (im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Mosbacher/Gräfe, a.a.O.).
LG Regensburg, Beschluss vom 15.03.2010, Az: 7 Qs 14/10 (Volltext bei burhoff.de)
Praxisrelevanz:
Der EuGH hatte in seinen Urteilen vom 26.06.2008 (C-329/06, C-343/06, C-334/06 bis C-336/06 entschieden, dass Deutschland die Anerkennung von EU-Führerscheinen, die deutschen Staatsangehörigen nach Entzug einer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellt wurden, nur verweigern kann, wenn diese während einer laufenden Sperrfrist erteilt wurden oder wenn sich ergibt, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins kein ordentlicher Wohnsitz im Ausstellerstaat bestand. Mit Beschluss vom 03.07.2008, Az.: C – 225/07 – Rechtssache Möginger (NJW 2009, 207 ff.) stellte der EuGH dann nochmals klar, dass ein Mitgliedsstaat einer während einer Sperrfrist erteilten Fahrerlaubnis eines anderen Staates die Anerkennung generell versagen könne; eine solche Versagungspraxis verstoße nicht gegen EU-Recht. Hier wurde die Fahrerlaubnis während einer laufenden Sperrfrist erworben, eine solche Fahrerlaubnis wird in Deutschland nicht anerkannt.
Das Thüringer Oberlandesgericht in Jena entschied durch Urteil vom 01.04.2009, Az.: 1 Ss 164/08, unter Abänderung seiner vorherigen Rechtsprechung, dass sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auch strafbar macht, wer während der Dauer einer in Deutschland verhängten Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis eine Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Staat erwirbt, aber den ausländischen Führerschein erst nach Ablauf der Sperrfrist auf deutschen Straßen benutzt. Nach bisheriger Rechtsprechung des OLG Jena war das Fahren nur dann strafbar, wenn die EU-Fahrerlaubnis vor Ablauf der Sperrfrist erworben und auch ein Fahren vor Ablauf der Sperrfrist stattfand (Beschluss vom 06.03.2007 – 1 Ss 251/06). Dies wäre konsequent, da eine EU-Fahrerlaubnis in Deutschland u.a. dann nicht anerkannt werden musste, wenn diese vor Ablauf einer Sperrfrist erworben wurde. Diese Rechtsprechung gab das OLG Jena auf. Für die Strafbarkeit kommt es jetzt allein darauf an, ob der ausländische Führerschein während der deutschen Sperrfrist erteilt wurde. Wann von ihm Gebrauch gemacht worden ist, spiele keine Rolle mehr.
Ebenso wie das OLG Jena entschieden das OLG Stuttgart (Urteil vom 15.01.2007 – 1 Ss 560/06) und das OLG München (Beschluss vom 23.03.2009 – 4St RR 150/08, ebenfalls unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung). Das OLG Stuttgart sieht in der Ausstellung der Fahrerlaubnis durch eine ausländische Behörde den rechtsbegründenden Verwaltungsakt, nicht in der Benutzung der Fahrerlaubnis durch den Erlaubnisinhaber. Der während des Laufs einer in der Bundesrepublik Deutschland strafgerichtlich verhängten Fahrerlaubnissperrfrist in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellte EU-Führerschein wird auch nicht dadurch wirksam, dass die Sperrfrist abläuft. Denn ein unwirksamer Verwaltungsakt wird nicht automatisch wirksam, wenn die Gründe für seine Unwirksamkeit durch Zeitablauf entfallen.