Aus der Reihe Justizpossen – Voll Porno!


Tom Kleiner / Pixelio

T.Kleiner/Pixelio

Der Mandant unseres Kooperationspartners ist Geschäftsführer einer GmbH, die eine Diskothek in einer deutschen Großstadt betreibt. Gegen den Mandanten wird, wie er uns berichtete, ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitens pornografischer Schriften geführt. Die Diskothek hatte Plakate aufgehängt, um eine Veranstaltung in der Diskothek namens „Eisprung sucht Befruchter“ zu bewerben Auf dem Plakat ist eine mit einem Bikini bekleidete erwachsene Frau abgebildet. Angekündigt sind auf dem Plakat:

„Sperma-Empfangs-Cocktail“
Es gab ein Mischgetränk mit Milch und Cocoslikör

„One-Night-Stand-Kontaktwand“
Besucher der Diskothek konnten sich mit einer Sofortbildkamera fotografieren lassen und das Foto mit Handynummer an eine Pinnwand hängen.

„FKK-Areal“
Auf einer Freifläche war ein mobiler Pool aufgebaut, worin eigens für die Veranstaltung engagierte GoGo-Tänzerinnen badeten.

„Pornokaraoke“
Dies ist scheinbar der neuste Partyknaller. Sogar bei Amazon ist eine DVD unter diesem Titel käuflich zu erwerben. Man muss man sich das so vorstellen: auf einer Videoleinwand läuft ein „erotischer Film“, allerdings ohne Ton. Die „Geräusche“ werden von Synchronsprechern aus dem Publikum gemacht. Sicher ein großer Spaß.

„SM-Live-Show“
Durchgeführt wurde eine ganz normale Stripshow mit ein wenig Lack, Leder und Peitsche. Die Diskothek verfügt auch über eine Genehmigung zur Schaustellung von Personen (§ 33a GewO).

Diverse Behörden haben nichts zu tun und schalten sich ein. Die Stadt erstattet Strafanzeige und die Staatsanwaltschaft „Schwerpunktstelle zur Bekämpfung von Kinderpornographie“ legt los. Laut Aktenvermerk des Staatsanwalts verwirkliche das Aufhängen der Plakate auf Grund der Ankündigung von „Pornokaraoke“ und der „SM-Live-Show“ das Werbeverbot aus § 184 I Nr. 5 StGB.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Hier geht es allerdings einzig und allein um die Frage, ob das Aufhängen eines Plakates mit einzelnen Wörtern, wenn auch mit sexuellem Bezug, eine Straftat darstellt.

§ 184 StGB dient dem Jugendschutz und dem Interesse des Einzelnen nicht ungewollt mit Pornographie in Berührung zu kommen. Zuletzt wurde der § 184 StGB 2003 geändert, um eine klare Trennung zwischen „harter“ und „einfacher“ Pornographie zu ermöglichen. Unter den Begriff der „harten Pornographie“ fällt die Gewalt-, Tier- und Kinderpornographie (§§ 184a, 184b StGB). Über Sinn und Zweck der Strafbarkeit „einfacher“ Pornographie (§ 184 Abs. 1 Nr. 1 – 9 StGB) kann man sich in Anbetracht wandelnder Moralvorstellungen (Talkshows und Fernsehreportagen, Werbung, Internet etc.) durchaus streiten.

„Pornografie“ liegt nach dem BVerwG vor, wenn sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund gerückt werden und dies ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielt (BVerwG, Urteil vom 20. 2. 2002 – 6 C 13. 01). Unter „pornographischen Schriften“ versteht der Gesetzgeber Werke, die zum Ausdruck bringen, dass sie ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes bei dem Betrachter abzielen (Stimulierung) und dabei die Grenzen der allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellung in Bezug auf den sexuellen Anstand eindeutig überschreiten (Anstandsverletzung, früher Unzüchtigkeit). Der Verweis des § 184 Abs. 1 S. 1 auf § 11 Abs. 3 StGB stellt Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen den Schriften gleich. Die Rechtsprechung behilft sich, indem sie Merkmale wie „aufdringlich vergröbernde oder anreißerische Züge“ und „Sexuelle Vorgänge ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensabläufen“ bzw. „Gedankliche Inhalte, die lediglich ein Vorwand für provozierende Sexualität darstellen“ verlangt (BGHSt 23, 40 [44] „Fanny Hill“-Urteil).

Das klingt alles sehr unbestimmt. Wie allerdings bei Verwendung der Begriffe „Pornokaraoke“ und „SM-Live-Show“ die Grenzen allgemeiner Wertvorstellungen und des sexuellen Anstandes überschritten werden sollen, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar. Rein sexualbezogene, selbst grob vulgäre sexuelle Äußerungen, machen eine Darstellung noch nicht zu einer pornografischen (BGHSt 29,29). Das Strafrecht hat nicht die Aufgabe, einen moralischen Anspruch durchzusetzen.

Weiterführende Informationen:
Wiktionary: Porno – jugendsprachlich für großartig, toll
Bundesprüfstelle: Begriff der Pornografie (PDF)
Der Papiertiger – Enzyklopädie des Sadomasochismus

Nachtrag: Wie unser Kooperationspartner, Rechtsanwalt Dr. Pagels uns berichtete, bot die Staatsanwaltschaft doch tatsächlich eine Verfahrenseinstellung an – gegen Geldauflage. Dieses Ansinnen wurde höflich aber bestimmt zurückgewiesen, woraufhin sang- und klanglos die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte.

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