AG Berlin-Mitte – Klingeltonanbieter geht leer aus


Eine negative Feststellungsklage eines Vaters wegen angeblich angefallener Forderungen aus der Nutzung seines Mobiltelefons und dem Abschluss diverser Klingeltonabos durch seine minderjährige Tochter gegen den Anbieter Jamba! hatte vor dem AG Berlin-Mitte Erfolg. Nach dem Urteil, erstritten von Rechtsanwalt Sascha Kremer aus Mönchengladbach, steht Jamba! weder gegen die minderjährige Tochter noch gegen deren Vater als Inhaber des Mobilfunkanschlusses Ansprüche zu.

Die Klingeltonanbieter vertreten regelmäßig die Meinung, Vertragspartner sei der (volljährige) Anschlussinhaber des Mobiltelefons, nicht der Minderjährige, dem das Handy nur überlassen werde. Nach Auffassung des AG Berlin-Mitte mag das richtig sein, ein Vertrag mit dem Vater sei aber trotzdem nicht zustande gekommen. Der Vater selbst habe nach Auffassung des Gerichts ausführlich und logisch nachvollziehbar dargelegt, dass er jedem seiner drei minderjährigen Kinder je ein Mobiltelefon überlassen habe, damit diese für die Eltern jederzeit erreichbar seien. Wenn seine Tochter über seinen Mobilfunkanschluss Abos abgeschlossen habe, sei sie aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt von ihrem Vater hierzu bevollmächtigt gewesen. Auch eine Haftung des Vaters als Aufsichtspflichtigem sei nicht gegeben, da seine Tochter nichts verbotenes getan habe. Die Berufung gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst sind zwischen den Parteien keine vertraglichen Vereinbarungen über die Erbringung der den Rechnungsstellungen zugrunde liegenden Dienstleistungen wirksam zustande gekommen. Ein Vertragsabschluss über die Erbringung der Dienstleistungen richtet sich auch bei der Nutzung moderner Verständigungsmittel wie dem Kurzmitteilungsdienst eines Mobiltelefons nach den allgemeinen Vorschriften und Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre des bürgerlichen Rechts. Danach kommt ein Vertrag durch Antrag und Annahme zustande, § 151 Satz 1 BGB. Voraussetzung dafür ist zunächst das tatbestandliche Vorliegen zweier Willenserklärungen, also von Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen getragenen menschlichen Gedankenäußerungen, die auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges, hier eines Vertragsschlusses, gerichtet sind.

Solche Willenserklärungen des Klägers zum Abschluss der auf die Dienstleistungen ausgerichteten Verträge liegen (…) nicht vor. Zwar behauptet die insoweit darlegungs und beweisbelastete Beklagte, der Kläger selbst habe die die Dienstleistungen auslösenden Kurzmitteilungen an die Rufnummer 33333 abgesendet, und bestreitet mit Nichtwissen, diese Kurzmitteilungen seien von der minderjährigen Tochter des Klägers abgesendet worden. Dies hat der Kläger bestritten. Es kann dahinstehen, ob den Kläger dazu eine sekundäre Erklärungslast trifft, jedenfalls ist er einer solchen im Rahmen seines Vortrages in ausreichendem Maße nachgekommen. Er hat ausführlich, logisch nachvollziehbar und von daher überzeugend dargelegt, dass er jedem seiner drei minderjährigen Kinder je ein Mobiltelefon zur beschränkten Verfügung übergeben habe, so dass diese für die Eltern und die Eltern für die Kinder jederzeit erreichbar sein sollten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Kläger diese Mobiltelefone und damit das Mobiltelefon zur Mobilfunknummer (…) selbst benutzt hat. Insbesondere ist es gerichtsbekannt, dass entgegen dem Vortrag der Beklagten es nicht ungewöhnlich ist, dass Eltern ihren minderjährigen Kindern einen so genannten Laufzeit-Vertragsanschluss zur Verfügung stellen. Das Gericht ist von dem Vortrag des Klägers überzeugt. Zwar mag die Beklagte nach dem objektiven Empfängerhorizont von Willenserklärungen des Klägers selbst ausgegangen sein, jedoch führt dies nicht auch zum tatbestandlichen Vorliegen dieser Willenserklärungen. Der objektive Empfängerhorizont, § 157 BGB, kommt nur beim Vertragsinhalt im Rahmen der Auslegung zum Tragen, nicht jedoch bereits bei der Frage, ob überhaupt Willenserklärungen vorliegen. Vielmehr setzt eine Auslegung nach § 133, 157 BGB das Vorliegen einer Willenserklärung bzw. eines Vertrags tatbestandlich schon voraus.

Nach dem Vortrag des Klägers liegen aber auf Abschluss der entsprechenden Verträge gerichtete Willenserklärungen seiner minderjährigen Tochter tatbestandlich vor. Es kann dahinstehen, ob die Tochter des Klägers diese Willenserklärungen überhaupt in fremdem Namen, nämlich im Namen ihres Vaters, abgegeben hat, §§ 164 Abs. 1 Satz 2, 133, 157 BGB. Denn die Wirksamkeit dieser Verträge für und gegen den Kläger hängt zunächst davon ab, dass der Kläger seine Tochter gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1, 165, 167 Abs. 1 BGB bevollmächtigt hatte. Dies hat die Beklagte nicht dargelegt und bewiesen. Es liegt in Anbetracht des Verhaltens des Klägers im Nachgang seiner Kenntnis über die von der Tochter veranlassten Dienstleistungen nach freier Überzeugung des Gerichts auch fern, von einer solchen Vertretungsmacht auszugehen. Damit kommt es für die Wirksamkeit der durch die Tochter geschlossenen Verträge für und gegen den Vater nunmehr auf dessen Genehmigung an, § 177 Abs. 1 BGB. Diese hat der Vater gegenüber der Beklagten jedoch mehrfach ausdrücklich verweigert, jedenfalls sind seine Kündigungen, Widerrufe und sonstigen gegen die Verträge gerichteten Erklärungen nach § 140 BGB entsprechend umzudeuten, wodurch die bis dahin schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfte nichtig geworden sind.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine Anscheinsvollmacht der Tochter des Klägers berufen. Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters (BGH, NJW 1981, 1728; BGH, NJW 1998, 1854; Palandt/Heinrichs, a. a. 0., § 172, Rn. 11). Die Anscheinsvollmacht beruht auf dem Setzen eines Rechtsscheins und setzt ein schutzwürdiges Vertrauen des anderen Teils voraus. Ein solches ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn der Beklagte durfte nicht annehmen, der Kläger dulde und billige das Handeln des Vertreters. Die Beklagte konnte nach allgemeiner Lebenserfahrung nämlich nicht darauf vertrauen, dass nur Volljährige oder gar nur Vertragspartner des jeweiligen Mobiltelefonanbieters die entsprechenden Mobiltelefone nutzen. Vielmehr begab sich die Beklagte zum Zwecke des unhinterfragten Vertragsabschlusses privatautonom in die Lage, an ihr von Person und Alters her nicht bekannte Vertragspartner Leistungen zu erbringen, deren Bezahlung sie sich nicht sicher sein konnte. Dabei wird ihr Handeln davon motiviert gewesen sein, dass die Bezahlung der Dienstleistungen in der Regel anstandslos erfolgen wird, so dass es der Beklagten günstiger erscheinen muss, eher vertragsrechtliche Unsicherheiten im Einzelfall in Kauf zu nehmen, als komplexere Prozesse im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss einschließlich Identifizierung von Vertragspartnern und Altersüberprüfung vorzuhalten. Ein solches privatautonomes Handeln unter Nutzen einer modernen, die Abläufe der Beklagten vereinfachenden Technik wie des Kurzmitteilungsdienstes unter Inkaufnahme der entsprechenden Unsicherheiten lässt die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens und damit eines für die Anscheinsvollmacht konstitutiven, durch den Kläger gesetzten Rechtsscheines nicht zu.

Auch liegt vorliegend keine Duldungsvollmacht vor. Sie setzt mindestens voraus, dass der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt (BGH, NJW 2002, 2325). Daran fehlt es vorliegend. Der Kläger wusste von dem Handeln seiner Tochter nicht. Sobald er davon durch die erste Rechnungsstellung der hier streitgegenständlichen Dienstleistungen (…) erfuhr, ist er vielmehr umgehend und zwar noch vor Stellung der zweiten Rechnung gegen die Vertragsabschlüsse seiner Tochter vorgegangen. Damit kommt auch für die in der zweiten Rechnung (…) geltend gemachten Entgelte keine Berufung auf eine Duldungsvollmacht in Betracht.

Im Übrigen kann die Beklagte auch aus den vertraglichen Abreden des Klägers mit der T -Mobile Deutschland GmbH, etwa im Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gemäß §§ 311 Abs. 3 Satz 1, 241 Abs. 2 BGB, keine Ansprüche herleiten. Eine solche Drittwirkung scheitert bereits an grundsätzlich in Betracht kommenden eigenen vertraglichen Ansprüchen der Beklagten und damit an fehlender Schutzbedürftigkeit, lässt sich den von der Beklagten vorgetragenen Klauseln aber auch im Übrigen nicht entnehmen. Bei der Mobiltelefonnutzung durch Drittnutzer ist auf Grundlage der bürgerlichrechtlichen Rechtsgeschäftslehre vielmehr zu unterscheiden: Dass der Vertragspartner für die im Rahmen der Telefonnutzung selbst unmittelbar gegenüber dem Mobilfunkanbieter entstehenden Gebühren einsteht, hat seinen Ursprung in der bereits bestehenden und durch ihn selbst abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarung mit dem jeweiligen Mobilfunkanbieter. Die Ansprüche folgen hier nicht aus von Drittnutzern beim Absetzen eines Telefonats oder einer Kurzmitteilung erst geschlossenen Verträgen. Vielmehr erfolgt die Benutzung des Mobiltelefons im Rahmen der bereits bestehenden vertraglichen Bindung des Vertragspartners auf dessen Rechnung, und hierauf sind die vorgetragenen Klauseln ausgerichtet. Anders liegt der Fall bei dem Abschluss neuer vertraglicher Abreden zweier Nichtvertragspartner, also eines Drittnutzers mit einem Drittanbieter, welche sich die Technik des Kurzmitteilungsdienstes, letzterer ohne Überprüfung der genauen Person und des Alters seines jeweiligen Vertragspartners, zum Abschluss von Verträgen lediglich zu Nutze machen. Hieraus allein ergibt sich eine vertragliche Verpflichtung des Vertragspartners des Mobiltelefonanbieters vorliegend des Klägers nicht, wenn ihn auch eine sekundäre Erklärungslast treffen mag, sofern entsprechende Verträge über sein Mobiltelefon abgeschlossen worden sind.

Ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. I S. 1 BGB scheidet bereits aus, da dieser im Sinne der Vorschrift nichts erlangt hat.

Auch eine Haftung des Klägers als Aufsichtspflichtigem über seine Tochter gemäß § 832 Abs. 1 Satz I BGB liegt nicht vor. Diese setzt zumindest eine deliktische Handlung der Tochter gemäß § 823, 826 BGB voraus (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 832 Rn. 7). Eine solche ist hier nicht feststellbar.

AG Mitte, Urteil vom 28.07.2008, Az: 12 C 52/08
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