Der Kläger betreibt ein Fitnessstudio. Die Beklagte erhielt im September 2004 eine „Gewinnbenachrichtigung“ des Klägers nebst Gutschein für ein siebentägiges Probetraining per Post zugesandt, obwohl sie nicht an einem Gewinnspiel des Klägers teilgenommen hatte. Die Beklagte vereinbarte daraufhin einen Termin zum Probetraining.
Der Kläger verlangte von der Beklagten Zahlung von Mitgliedsbeiträgen in Höhe von 1.011 € nebst Zinsen. Die Parteien stritten darüber, ob der von der Beklagten erklärte Widerruf ihrer Vertragserklärung wirksam ist oder nicht. Das Amtsgericht Koblenz hat diese Frage verneint, da der Klägerin ein Widerrufsrecht mangels Vorliegens eines Haustürgeschäfts nicht zustehe, und der Zahlungsklage stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten änderte das Landgerichts Koblenz das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Klage ab, da die Beklagte den als Haustürgeschäft anzusehenden Mitgliedschaftsvertrag gegenüber dem Kläger wirksam widerrufen hat. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, die vom Kläger verlangten Mitgliedsbeiträge zu zahlen.
Aus den Gründen:
(Es) steht fest, dass die Beklagte das Fitnessstudio allein zur Inanspruchnahme des Probetrainings aufsuchte. Eine andere Motivation der Beklagten, wie nunmehr vom Kläger behauptet, ist fernliegend.
Der dann bereits am ersten Tag des Probetrainings geschlossene Vertrag über eine Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 24 Monaten stellt ein Haustürgeschäft gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB dar. Es handelt sich bei der Durchführung eines gewonnenen Probetrainings in einem Fitnessstudio um eine vom Unternehmer durchgeführte Freizeitveranstaltung. Dies gilt auch dann, wenn die Termine zur Inanspruchnahme des Trainings auf Initiative des Kunden mit dem betreffenden Fitnessstudio vereinbart wurden.
Eine Freizeitveranstaltung liegt dann vor, wenn das Freizeit- und das Verkaufsangebot derart miteinander verwoben sind, dass der Kunde in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf den Vertragsschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann, sei es aufgrund der örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten, aufgrund eines Gruppenzwangs oder aufgrund empfundener Dankbarkeit für das Unterhaltungsangebot (…). Erfasst werden auch Veranstaltungen, die in den Geschäftsräumen des Unternehmers stattfinden (…).
Die Vorschrift über Haustürgeschäfte dient dem Schutz des Verbrauchers vor der Gefahr, in bestimmten typischen Situationen bei der Anbahnung und dem Abschluss von Verträgen unter Beeinträchtigung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überrumpelt oder sonst auf unzulässige Weise zu unüberlegten Geschäftsabschlüssen gedrängt zu werden (…). Dem Verbraucher soll die Möglichkeit gegeben werden, Vor- und Nachteile eines Geschäfts nochmals in Ruhe zu überdenken, weil insbesondere Preis- und Qualitätsvergleiche bei Veranstaltungen der vom Gesetz ins Auge gefassten Art, bei denen der eigentliche Geschäftszweck hinter der freizeitlichen Stimmung zurücktritt, praktisch nicht möglich sind (…). Entscheidend ist dabei auch, ob der Teilnahmeentschluss des Kunden von der Vorstellung einer Freizeitveranstaltung geprägt ist oder ob er von vornherein den Hauptzweck der Veranstaltung in einer Verkaufstätigkeit sieht (…). In diesem Sinne sind insbesondere auch sogenannte „Gewinnabholungsveranstaltungen“, bei denen dem ahnungslosen Kunden vorgespiegelt wird, es gehe lediglich unverbindlich um die Abholung eines Gewinns, grundsätzlich als Freizeitveranstaltungen einzustufen (…). Auch hier wird die Vertragsabschlussbereitschaft des Verbrauchers durch eine gelockerte Atmosphäre gefördert. Der Verbraucher wird so unter psychologischem Druck dazu bewogen, Leistungen zu erwerben, die er eigentlich nicht erwerben wollte (…).
(…) Es ist daher nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Beklagte das Studio in ihrer Freizeit betrat und sich daher bereits in einer freizeitlichen Stimmung befand. Auch musste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit „Verkaufstätigkeiten“ des Klägers rechnen. In Anbetracht des Gewinns über ein siebentägiges Probetraining durfte sie davon ausgehen, sich in dieser Zeit zunächst ein Bild über das Studio, die dort herrschende Atmosphäre und die Trainingsbedingungen machen zu können. Insbesondere war der Beklagten zuzugestehen, bei dieser Gelegenheit zu testen, ob sie aufgrund ihrer körperlichen Konstitution überhaupt in der Lage war, das Training an den Geräten zu bewältigen und ob ihr diese Art der sportlichen Betätigung überhaupt Spaß bereitet. Stattdessen fand bereits am Tag des Ersttrainings eine Beratung der Beklagten über die Mitgliedschaft statt, welche sie veranlasste, noch im Studio den entsprechenden Vertrag zu unterschreiben. Aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem ersten Probetraining und dem Vertragsabschluss schon zu diesem Zeitpunkt ergibt sich, dass der Kläger die Beklagte, die zunächst die Möglichkeiten des Fitnessstudios ausprobieren wollte, mit dem schriftlichen Vertrag überraschend konfrontierte. Er hat sie durch die Gewinnmitteilung in sein Studio gelockt und ihr die Unverbindlichkeit des Besuchs vermittelt. Tatsächlich ging es dem Kläger darum, die ahnungslose Beklagte, die ihren Gewinn abholen wollte, entsprechend der verschleierten Zielrichtung seines Vorgehens zum Abschluss des Vertrages zu überreden. Bei der Gewinnabholungsveranstaltung mit siebentägigem Probetraining handelt es sich daher nach der Zielrichtung um ein Haustürgeschäft im Sinne von § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Unerheblich ist dabei, dass die Beklagte den Vertrag freiwillig unterzeichnete, denn Haustürgeschäfte zeichnen sich typischerweise dadurch aus, dass der Kunde gerade nicht zum Vertragsschluss gezwungen wird. Dennoch wird durch die gesamte Situation ein gewisser Druck aufgebaut, der letztlich ein genaues Reflektieren über die Folgen eines Vertragsschlusses für den Kunden unmöglich macht (…). Gerade bei – wie hier – eingehender Beratung wird der Kunde geschickt dazu veranlasst, letztlich auch aus Dankbarkeit oder um den Verkäufer nicht zu enttäuschen, einen Vertrag zu unterzeichnen. Im vorliegenden Fall wird der Druck, sich durch Vertragsunterzeichnung gewissermaßen erkenntlich zu zeigen, durch das gewonnene Probetraining beziehungsweise das großzügige Angebot, die Geräte sieben Tage kostenlos in Anspruch nehmen zu dürfen, noch zusätzlich erhöht. Dass die Beklagte den Vertrag letztlich unterschrieb, ohne zuvor in Ruhe die Vor- und Nachteile einer derartigen Mitgliedschaft abzuwägen, macht auch der noch am selben Tag erfolgte Widerruf deutlich.
Auch die erforderliche Kausalität zwischen der Freizeitveranstaltung und der Abgabe der Willenserklärung ist gegeben. (…) Hierfür spricht zugunsten der Beklagten aufgrund des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs bereits der Anscheinsbeweis.
Landgericht Koblenz, Urteil vom 02.10.2007, Az: 6 S 19/07 (rechtskräftig)
Quelle: Pressemeldung der Justiz Rheinland-Pfalz vom 09.10.2007