Der Vorsitzende am Landgericht Berlin machte es kurz. und fragte den Klägervertreter „Irgendwelche Anregungen, Anträge, sonst noch was? Nein? Gut. Die Klage wird abgewiesen, der Widerklage wird stattgegeben. Ach so, die Akte bekommt einen roten Deckel*. Mal wieder. Schönen Tag auch.“ Mit diesem Termin von knapp einer Minute endete vor dem Landgericht Berlin ein Verfahren, was uns seit 2005 in Trab hielt und alles, wirklich alles bot, was des Anwalts Herz begehrt.
Unser Mandant kam damals mit einem Unterpachtvertrag zu uns, die Pächterin hatte nichts bezahlt, wir sollten nochmals mahnen und gegebenenfalls die Pacht einklagen. Einfache Sache dachten wir. Dann trudelte ein Schreiben eines Kollegen ein, der behauptete es gebe einen „Schuldschein“, wonach umgekehrt unser Mandant seiner Mandantin Geld schulde. Der Pachtvertrag sei nur zum Schein geschlossen worden, damit seine Mandantin Förderung für ihre Selbstständigkeit erhalte. Beide hätten eine Gesellschaft gegründet und dafür, dass sie aus dem Geschäft geht, habe mein Mandant ihr Geld versprochen und das solle er jetzt gefälligst zahlen.
Unser Mandant war sehr erstaunt und versicherte uns, das Schriftstück nicht zu kennen und zahlen würde er schon mal gar nichts. Der Kollege erhob daraufhin Klage im Urkundsprozess beim Amtsgericht, unter Beantragung von Prozesskostenhilfe natürlich. Die Pächterin hatte ja nichts mehr, die Ärmste. Damit blieb uns zum einen die Widerklage zunächst verwehrt und zum anderen konnten wir uns nur mit dem Einwand verteidigen, dass die Urkunde unecht sei.
Im Termin vor dem Amtsrichter blieb unser Mandant auf strenge Nachfrage des Gerichts dabei, den Wisch nicht unterschrieben zu haben. Der Kollege nahm daraufhin vom Urkundsverfahren Abstand, es wurde der Ehemann der Pächterin als Zeuge gehört. Der erklärte dabei gesessen zu haben, als mein Mandant den Schuldschein unterschrieb. Wir erhoben trotzdem Widerklage über die Pacht und der Amtsrichter freute sich, denn er war die Sache an das Landgericht los geworden.
Da in jedem Fall entweder mein Mandant oder aber die Pächterin was die Unterschrift anbelangte definitiv gelogen hatten, setzte das Landgericht das Verfahren wegen Verdachts einer Straftat erst einmal aus. Die Staatsanwaltschaft leitete auch mal schnell zwei Verfahren ein, entschied sich dann dafür, dass unser Mandant der Böse sei und erhob Anklage. Das Amtsgericht Tiergarten hörte sich die Pächterin und ihren Ehemann an, pfiff darauf, dass ein Schriftsachverständiger des LKA nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob die Unterschrift von unserem Mandanten stamme oder nicht, und verurteilte diesen wegen versuchten Prozessbetruges zu einer Geldstrafe. Eine Berufung konnte sich unser Mandant nicht mehr leisten, das Strafurteil wurde rechtskräftig.
Wieder zurück beim Landgericht meinte der Vorsitzende, dass ihn das Strafurteil nicht besonders interessiere. Er sei an die Feststellungen nicht gebunden, die Pächterin müsse schon den Nachweis erbringen, dass unser Mandant tatsächlich den Schuldschein unterschrieben habe. Er werde ein Gutachten bei einem ehemaligen BKA-Schriftsachverständigen in Auftrag geben. Kostet die Pächterin ja dank Prozesskostenhilfe nichts, merkte er ein wenig süffisant an. Als das Gutachten dann eintraf, mussten wir es mehrmals lesen um es zu glauben. Die Unterschrift unter dem Schuldschein war der unseres Mandanten zwar sehr ähnlich, anhand bestimmter Merkmale erkennbar, jedoch eindeutig nachgezeichnet. Zwar eine gute, aber eben eine Nachahmungsfälschung.
Noch am gleichen Tag erstatteten wir Anzeige gegen die Pächterin und ihren Ehemann und beantragten die Wiederaufnahme des gegen unseren Mandanten geführten Strafverfahrens. So kann man mit einem kleinen Blatt Papier und ein wenig krimineller Energie über Jahre, noch dazu finanziert durch Prozesskostenhilfe, ganze Heerscharen von Juristen und Justizmitarbeitern beschäftigen, Bände von Akten füllen und einen bisher Unbescholtenen mit einem Strafverfahren überziehen. Jetzt wird es für die Pächterin teuer, teurer jedenfalls als einfach die Pacht zu zahlen.
* Zur Erläuterung vielleicht noch: „roter Deckel“ bedeutet, dass das Zivilgericht die Akte an die Staatsanwaltschaft weiterleitet, da der Verdacht einer Straftat besteht. Die Aktendeckel dort sind rot.