…und bring mich für dich um. Mein Mandant hatte einiges hinter sich. Seine Beziehung zu seiner Freundin war eine Achterbahnfahrt. Gerade als er sich wieder einmal Hoffnungen machte, dass er seine Freundin zurückgewinnen könne, berichtete ihm ein Bekannter, dass er sie am Vorabend mit einem anderen gesehen hat. Das gab ihm den Rest und der Verstand setzte komplett aus. Als Zeitsoldat und Waffenkammerverantwortlicher hatte er Zugang zu Waffen und Munition. Er beschloss seinen „Abgang“ zu inszenieren.
Am Abend nach Dienstschluss ging er heimlich in die Kammer, nahm eine Pistole und eine Schachtel Munition an sich und verabredete sich für den nächsten Tag mit seiner Freundin an einem Bahnhof. Dort angekommen, setze er sich in ihr Auto. Man fuhr ein Stück, als er plötzlich die Waffe zog und sich diese an den Kopf hielt. Seine Freundin flüchtete panisch aus dem Auto, er ging hinterher und wollte ihr die Pistole geben.
Irgendwie gelang es ihr meinen Mandanten wieder in das Auto zu bewegen und in eine beliebtere Gegend zu manövrieren. Dort drohte sie um Hilfe zu schreien, wenn er nicht sofort aus dem Auto aussteigt. Das tat er dann auch, fuhr danach mit seinem Auto stundenlang ziellos durch Berlin und kam irgendwann abends vor dem Haus seiner Freundin an. Die war aber nicht da. Durch den Hintereingang verschaffte er sich Zutritt zum Haus und nahm – warum auch immer – ihren Ausweis an sich. Danach fuhr er nach Hause.
Zwischenzeitlich hatte die Freundin natürlich die Polizei informiert, der Standort meines Mandanten wurde über sein Mobiltelefon ermittelt, Feldjäger und das SEK standen in der Nähe seiner Wohnung und warteten auf einen günstigen Augenblick. Angekommen zerschnitt er erst einmal den Ausweis seiner Freundin, wollte sich dann erschießen, hatte dann aber nicht den Mut dazu und hängte sich an der Tür auf. Das verwendete Kabel riss glücklicherweise und mein Mandant lag bewusstlos am Boden. Er kam zu sich, als er das Bersten der Wohnungstür hörte. Gerade als er zur Waffe greifen wollte, bekam er ein Schild eines SEK-Beamten an den Kopf…
Nach einigen Wochen in der Psychiatrie des Bundeswehrkrankenhauses, hatte sich sein Zustand stabilisiert. Er konnte entlassen werden und kam mit einer Ladung zur Beschuldigtenvernehmung zu mir. Bedrohung und Diebstahl mit einer Waffe wurde ihm vorgeworfen. Keine Kleinigkeit, die mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft werden kann.
Nach Akteneinsicht erschien zumindest die Bedrohung in einem anderen Licht, die Freundin hatte ihre Aussage später ein wenig relativiert, es verblieb noch der Diebstahl mit Waffe. Nach einer Stellungnahme, dass mein Mandant sich an gar nichts mehr erinnern kann und zum anderen die Frage der Schuldfähigkeit zu prüfen sei, rief die bearbeitende Staatsanwältin an. Nachdem ich eine Weile darüber spekulierte, ob er denn im Haus der Freundin überhaupt die Waffe bei sich führte, die könne auch im Handschuhfach seines Autos gelegen haben, mein Mandant weiß es aber nicht mehr. Und ob die Wegnahme eines Ausweises in der Absicht, diesen zu zerschneiden, einen Diebstahl darstelle. Die Staatsanwältin reagierte sehr pragmatisch und schlug eine Einstellung wegen geringer Schuld. vor. Da sagt man nicht nein. Mein Mandant war sehr erleichtert, konnte unbelastet seine Therapie fortsetzen und sich über sein geschenktes zweites Leben freuen.
Nachtrag: Zu der überaus interessanten Frage, ob die Wegnahme eines Personalausweises einen Diebstahl oder eine Unterschlagung darstellt, macht sich Jens Ferner hier Gedanken. Voraussetzung ist jedenfalls die sogenannte Zueignungsabsicht, also das Wegnehmen in der Absicht, das Dokument dauerhaft selbst zu behalten und bei Gelegenheit zu benutzen. Wer einen Ausweis wegnimmt, um ihn anschließend zu zerschneiden, handelt nicht mit Zueignungsabsicht. Eine Sachbeschädigung bleibt es allemal.