KG – Poliscan Speed ist standardisiertes Messverfahren


Der Betroffene war in einer Tempo-30-Zone mit 64 km/h unterwegs und wurde geblitzt. Bei dem verwendeten Messgerät handelte es sich um ein PoliScan Speed der Firma Vitronic, das in seiner Zuverlässigkeit nicht unumstritten ist. Das Amtsgericht Tiergarten  lehnte einen entsprechenden Beweisantrag des Betroffenen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Zuverlässigkeit  des Messgerätes ab, verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 100 Euro und ordnete ein einmonatiges Fahrverbot an. Das Kammergericht hob auf die Rechtsbeschwerde hin das Urteil zwar auf, allerdings nur im Rechtsfolgenausspruch. Das Amtsgericht hatte nicht ausreichend geprüft, ob das Fahrverbot für den Betroffenen existenzgefährdend sei. Hinsichtlich des abgelehnten Beweisantrages bezog sich das Kammergericht auf  eine Entscheidung des OLG Düsseldorf und stellte ebenfalls fest, dass das es sich um ein sog. standardisiertes und damit zuverlässiges Messverfahren handelt. Danach müsse schon hinreichend konkret ein möglicher Messfehler dargelegt werden.

Aus den Gründen:

(…) Die zulässig erhobene Verfahrensrüge, die Tatrichterin habe den Antrag des Betroffenen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Behauptung, die im Bußgeldbescheid vorgeworfene Geschwindigkeit sei nicht mittels eines zuverlässigen automatisierten Vorgangs ermittelt worden, zu Unrecht abgelehnt, ist, wie auch die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge, unbegründet. Denn bei dem hier verwendeten Messgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic handelt es sich um ein amtlich anerkanntes, standardisiertes Messverfahren [vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Januar 2010 –IV-5 Ss (OWi) 206/09 –(OWi) 178/09 I – juris Rn. 11 f.], so dass der konkrete Messvorgang einer sachverständigen Begutachtung nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung unterzogen werden muss. Standardisiert ist ein Messverfahren stets, wenn die Ermittlung der Geschwindigkeit nach einem durch Normen vereinheitlichten (technischen) Verfahren erfolgt, bei dem die Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so präzise festgelegt sind, dass unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse erwartet werden können [vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277]. Die amtliche Zulassung erhalten derartige Geräte, nachdem die Physikalisch-Technische Bundesanstalt die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer sachverständigen Prüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Letzteres bewirkt, dass die Ermittlungsbehörden und Gerichte im Regelfall von einer sachverständigen Prüfung freigestellt sind, es sei denn der konkrete Einzelfall gibt dazu Veranlassung [vgl. BGH NJW 1993, 3081 ff.]. Diesen Anforderungen entspricht das vorliegend eingesetzte Messgerät PoliScan Speed. Es ist von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt geprüft und amtlich zugelassen, war geeicht und von den die Messung durchführenden Polizeiangestellten entsprechend einer Checkliste aufgebaut und eingesetzt worden. Abweichungen von dem normierten Verfahren oder der Gebrauchsanweisung des Gerätes sind weder ersichtlich noch vorgetragen, und es haben sich auch keine Anhaltspunkte für Fehlerquellen ergeben, die außerhalb der durch den Toleranzabzug berücksichtigten Grenzen liegen. Angesichts dessen hat die Tatrichterin die beantragte Beweiserhebung zu Recht als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich angesehen. Das von der Rechtsbeschwerde gerügte Fehlen von Informationen zur Funktionsweise des Gerätes steht dem nicht entgegen. Ihre Kenntnis ist durch die amtliche Zulassung des Gerätes zumindest in den Fällen entbehrlich geworden, in denen das Gerät vorschriftsgemäß eingesetzt worden ist. Ohne – hier fehlende – konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung war die Tatrichterin auch nicht gehalten, die Ermittlung der Geschwindigkeit näher aufzuklären. (…)

(…) Zwar entspricht die Geldbuße dem Regelsatz und auch gegen die Anordnung des im Falle einer so erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung als Regelfolge vorgesehenen, einmonatigen Fahrverbotes ist grundsätzlich nichts zu erinnern, es sei denn, diese Maßnahme erweist sich als eine außergewöhnliche Härte für den Betroffenen. Darauf hatte sich vorliegend der Betroffene berufen, weil das Fahrverbot seine Existenz als Einzelunternehmer gefährde. Er reinige Fettabscheider und entfette Ablufteinrichtungen in Gastronomiebetrieben in Berlin und dem Berliner Umland, habe einen Angestellten, der keine Fahrerlaubnis besitze und sei auf die Benutzung seines Firmenfahrzeuges angewiesen. Familienangehörige stünden nicht zur Verfügung, einen Fahrer könne er sich nicht leisten, zumal er selbst über ein monatliches Nettoeinkommen von 500.— Euro verfüge und die Miete von seinen Eltern bezahlt werde. Wegen der starken Konkurrenz habe er schon seit Jahren keinen Urlaub gemacht, um ein Abwandern seiner Kunden zu verhindern. Angesichts dieser von der Tatrichterin als gegeben angesehenen Umstände genügt allein der Hinweis auf § 25 Abs. 2a StVG und die Möglichkeit der Einstellung einer Teilzeitkraft oder der Aufnahme eines Kredites nicht, um die Anordnung des Fahrverbotes zu rechtfertigen. Vielmehr hätte es näherer Feststellungen zum Umfang der Geschäftstätigkeit des Betroffenen, seines Kundenstammes, seines Auftragsvolumens, seines Umsatzes und seiner persönlichen und betrieblichen Belastungen bedurft, um die Aufnahme eines Kredites oder die Einstellung einer Teilzeitkraft als zumutbar erscheinen zu lassen. Daran fehlt es. (…)

KG, Beschluss vom 26.02.2010, Az: 3 Ws (B) 94/10, 3 Ws (B) 94/10 – 2 Ss 349/09



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