Nach Begründung des Einspruchs gegen einen völlig unsinnigen Strafbefehl des AG Neustadt am Rübenberge, nahm die Staatsanwaltschaft Hannover die öffentliche Klage gegen unseren Mandanten zurück. Seine notwendigen Auslagen in Form der Verteidigervergütung wurden auf Antrag der Staatskasse auferlegt und festgesetzt. Auch die für die Übersendung der Akte an unsere Kanzlei zu zahlende Versendungspauschale von 12,00 Euro wurde festgesetzt, allerdings ohne Umsatzsteuer. Diese sei nach Auffassung des Bezirksrevisors beim LG Hannover nicht angefallen.
Aus den Gründen.
(…) Entgegen der Ansicht der Kostenbeamtin und des Bezirksrevisors steht dem Verteidiger auch die Umsatzsteuer auf die verauslagte Kostenpauschale für die Aktenübersendung zu. Bei den Kosten der Aktenversendungspauschale (…) ist der Rechtsanwalt selbst Kostenschuldner, da nur ihm und nicht seinem Mandanten ein Recht auf Akteneinsicht zusteht. Es handelt sich daher bei der Weiterberechnung dieser Aufwendungen um Auslagenersatz, der der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist und nicht um einen durchlaufenden Posten.
Ein durchlaufender Posten nach § 10 Abs. 1 Satz 6 Umsatzsteuergesetz liegt vor, wenn der Unternehmer (hier der Verteidiger) lediglich als Mittelsperson tätig wird und sowohl die Vereinnahmung als auch die Verausgabung im fremden Namen und für fremde Rechnung erfolgt. Ein solches Handeln liegt nur dann vor, wenn zwischen dem Beteiligten, für die die Mittelperson tätig wird, unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen. Der Verteidiger darf also weder Gläubiger noch Schuldner dieser Beträge sein.
Im vorliegenden Fall konnte die Übersendung von Akten zur Einsichtnahme außerhalb der Behördenräume nur an den Verteidiger, also an einen Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege, erfolgen. Nur dann jedoch, wenn der Anwalt im Namen seines Mandanten eine Akteneinsicht beantragt, die auch sein Mandant selbst hätte vornehmen können, wäre der Mandant Kostenschuldner, der für die im Rahmen dieser Einsicht entstehenden Kosten aufzukommen hat. Im vorliegenden Fall handelt es sich somit nicht um einen durchlaufenden Posten, den der Anwalt zunächst verauslagt und später von seinem Mandanten erstattet verlangt. Vielmehr hat hier die Weiterberechnung mit Umsatzsteuer zu erfolgen, da ausschließlich der Anwalt Kostenschuldner ist, da ausschließlich ihm das Recht zur Akteneinsicht zusteht. (…)
AG Neustadt am Rübenberge, Beschluss vom 29.04.2008, Az: 64 Cs 7391 Js 55727
Praxisrelevanz:
Die Problematik dürfte höchstwahrscheinlich nur für Kolleginnen und Kollegen interessant sein, die damit im Rahmen einer Kostenfestsetzung konfrontiert werden und vielleicht Argumentationshilfen brauchen. Im konkreten Fall handelte es sich auch lediglich um einen Betrag von 2,28 Euro, so dass man sich gewiss fragt, ob hier Aufwand und Nutzen noch im Verhältnis stehen. Bei einer Vielzahl von gezahlten Aktenversendungspauschalen, die ohne darauf entfallende Umsatzsteuer berechnet werden, summiert sich allerdings schnell ein Betrag, der bei etwaigen Betriebsprüfungen für böse Überraschungen in Form von Nachforderungen führen kann. Sicher möchte niemand der Kolleginnen und Kollegen bei Erstattungen aus der Landeskasse am Ende draufzahlen.
Argumentationshilfen
Für die antragsgemäße Aktenversendung durch Staatsanwaltschaft, Gericht oder Bußgeldbehörde entsteht eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 Ziff. 1 KV GKG bzw. § 107 Abs. 5 OWiG in Höhe von 12,00 EUR je Sendung. Nach § 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG ist Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale nur derjenige, der die Versendung bzw. die elektronische Übermittlung beantragt hat. In Straf- und Bußgeldsachen schuldet der Verteidiger die Pauschale, weil nur er gem. §§ 147 StPO, 46 Abs. 1 OWiG Akteneinsicht nehmen kann (vgl. hierzu Volpert in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., ABC-Teil: Gerichtskosten Rn. 23). Der Rechtsanwalt zahlt damit auf eine eigene Kostenschuld, so dass es sich bei der Aktenversendungspauschale nicht um einen durchlaufenden Posten, sondern eine umsatzsteuerbare Leistung des Rechtsanwalts handelt (vgl. auch Schons AGS 2007, 109). Daher hat der Mandant die Aktenversendungspauschale zzgl. Umsatzsteuer zu ersetzen. Der Verteidiger erhält mithin aus der Staatskasse die Aktenversendungspauschale zzgl. Umsatzsteuer (vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., ABC-Teil: Auslagen aus der Staatskasse, Rn. 20).
Der entgegenstehenden Entscheidung des Amtsgericht Dessau, wonach es sich bei der Aktenversendungspauschale um einen umsatzsteuerfreien durchlaufenden Posten handeln soll, weil der Rechtsanwalt die Akteneinsicht für seinen Mandanten vornehme und damit die Aktenversendungspauschale im Namen und für Rechnung seines Mandanten zahle (AG Dessau, Urt. v. 7. 12. 2006, 4 C 655/06 (VI), AnwBl 2007, 239), ist nicht zuzustimmen. Sowohl das Bundesministerium der Finanzen als auch der Justizministerium des Landes NRW gehen davon aus, dass die Aktenversendungspauschale mit Umsatzsteuer zu belegen ist, da es entscheidend auf die Gebührenschuldnerschaft des Rechtsanwaltes ankomme. Schulde der Rechtsanwalt dem Leistungserbringer den in Rechnung gestellten Betrag, so ist die Weitergabe an den Mandanten kein durchlaufender Posten, sondern eine umsatzsteuerbare Leistung des Rechtsanwalts. Dies ist bei Auslagen für die Aktenversendung oder Aktenübermittlung der Fall. Die Pauschale von 12,00 EUR gemäß Nr. 9003 KV schuldet nur, wer die Versendung beantragt hat. Dies ist i. d. R. der Verteidiger, dem gemäß § 475 StPO die Akte übersandt werden kann, nicht aber unmittelbar seinem Mandanten. Schuldner der Kosten ist deshalb nicht der Mandant, so dass der Rechtsanwalt die Kosten mit Umsatzsteuer gemäß § 675 i. V. m. § 670 BGB, Vorb. 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG dem Mandanten zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer in Rechnung stellen kann (vgl. Kammerreport der RAK Hamburg, 3/2007 S. 22 (PDF) und RAuN Peter Bohnenkamp, Durchlaufende Posten als umsatzsteuerbare Leistung des Rechtsanwalts, Seite 4 (PDF).
Informativ zur Problematik, wann auf welche Auslagen Umsatzsteuer zu berechnen ist und wann es sich um durchlaufende Posten handelt, ist der Aufsatz von Sterzinger, Umsatzsteuer auf Auslagen des Rechtsanwalts, in NJW 2008, 1254 ff. Hinsichtlich der Aktenversendungspauschale vertritt auch er die Auffassung, das Umsatzsteuer zu berechnen ist. Bei den Kosten der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV z. GKG bzw. § 107 Abs. 5 OWiG ist der Rechtsanwalt Kostenschuldner, da nur ihm und nicht dem Mandanten das Recht zusteht, Akteneinsicht zu nehmen. Bei der Weiterberechung dieser Aufwendungen handelt es sich daher um Auslagenersatz, der der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist, und nicht um einen durchlaufenden Posten (Sterzinger, a.a.O., S. 1256 m.w.N.). Ein durchlaufender Posten i.S.d. § 10 I 6 UStG liegt nur dann vor, wenn der Rechtsanwalt, der die Beträge verausgabt, im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mittelsperson ausübt ohne selbst zur Zahlung verpflichtet zu sein. Dies ist bei der Zahlung der Aktenversendungspauschale eben nicht der Fall.