Ein zur Tatzeit noch nicht ganz 18-jährige Krankenpflegeschüler rief einem Polizeibeamten, der in Winnenden mit einer Unfallaufnahme beschäftigt war, aus einiger Entfernung laut „A.C.A.B.“ zu und zeigte dabei mit ausgestrecktem Arm auf den Polizeibeamten. Dieser fühlte sich beleidigt. Das Amtsgericht Waiblingen teilte diese Auffassung und verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch) zur Zahlung von 200.- €.
Die vom Angeklagten eingelegte Revision wurde vom 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verworfen. In seinem Beschluss führt das Oberlandesgericht aus, es sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter der genannten Buchstabenkombination den Sinngehalt „all cops are bastards“ beigemessen habe. Denn die Abkürzung „A.C.A.B.“ werde in Jugendsubkulturen und auch in der rechten Szene für diese englischsprachige Parole verwendet und andere Deutungen seien im vorliegenden Fall auszuschließen. Die individuelle Bezeichnung eines Polizeibeamten („cop“) als „bastard“ sei sowohl in der englischen wie auch in der deutschen Sprache objektiv ehrverletzend und nach den Urteilsfeststellungen auch subjektiv gewollt als ehrverletzend geäußert worden, ohne dass es dazu irgendeinen Anlass gegeben hätte. Die Formalbeleidigung sei daher weder durch Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 Strafgesetzbuch noch durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gerechtfertigt.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Juni 2008, Az: 1 Ss 329/08
Quelle: Pressemitteilung OLG Stuttgart vom 08.07.2008
Anders wird nach Auffassung des OLG Stuttgart die Strafbarkeit zu beurteilen sein, wenn sich die Buchstabenfolge „A.C.A.B.“, zum Beispiel als Aufdruck eines T – Shirts, ohne nähere Bezeichnung gegen eine nicht abgegrenzte Personenmehrheit von Polizeibeamten richtet. In diesen Fällen kann es sich um eine nicht ausreichend konkretisierbare – und damit straflose – sog. Kollektivbezeichnung handeln (so auch AG Berlin-Tiergarten, Beschluss vom 19.01.2000, Az: 238 Cs 877/99, Volltext unter www.troublemaker.de).
Andere Deutungsmöglichkeiten der ausgerufenen Buchstabenfolge „A.C.A.B.“, wie z.B. „Alternative Chaoten argumentieren besser“, „Always Carry A Bible“, „Acht Cola Acht Bier“, „All Colours Are Beautiful“, wären hier ebenso denkbar gewesen. Nur dann hätte aber keine Beleidigung vorgelegen und der Angeklagte wäre freizusprechen gewesen. Und das geht nun wirklich nicht.