Kokainkonsumenten neigen bekanntlicherweise zu Selbstüberschätzung, Realitätsverlust und Wahrnehmungsstörungen. So auch ein 29-jähriger Barkeeper aus Berlin, der im Juli 2008 von Polizeibeamten im Straßenverkehr kontrolliert worden war. Wegen „drogentypischer körperlicher Auffälligkeiten“ führten die Beamten einen Drogenschnelltest durch. In der anschließend entnommenen Blutprobe waren erhebliche Abbauprodukte von Kokain festgestellt worden.
Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung führt dazu, dass die Fahrerlaubnis erst einmal weg ist, noch ehe über einen Widerspruch gegen die Entziehung entschieden wurde. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann man beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag stellen, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherzustellen, den Sofortvollzug quasi rückgängig zu machen. Bis zur Entscheidung im Widerspruchs- und dem sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren könnte man dann weiter fahren. Zur Begründung eines solchen Eilantrags sollte man aber schon gewichtige Argumente bieten können.
Der Barkeeper konnte das offenbar nicht und trug stattdessen eine „interessante“ Geschichte vor. Er behauptete, er sei gar kein Kokainkonsument, sondern müsse unfreiwillig mit derartigen Substanzen in Kontakt gekommen sein, die Gäste trotz Verbots des Betreibers in den Räumen der Diskothek in Berlin-Mitte in der er arbeitet konsumierten. Er könne auch nicht ausschließen, dass jemand aufgrund von Verwechslungen etwas in sein Getränk hineinmische oder Spuren vormaligen Konsums am Tresen hinterlasse. Er wisse auch nicht, um welche Substanzen es sich handele, deren Reste er bei der Reinigung des Lokals beseitige.
Die 11. Kammer des Verwaltungsgericht Berlin nahm ihm diese Geschichte nicht ab. Kokain werde in allen möglichen Formen konsumiert, ob nun geraucht, inhaliert, als Tee in alkoholischen Getränken getrunken, injiziert oder überwiegend geschnupft. Von der intakten Oberhaut des Menschen werde Kokain aber nicht resorbiert. Die Behauptung, unbewusst Kokain durch Hautkontakt eingenommen zu haben, steht in krassem Widerspruch zu allen diesbezüglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Einwand zog demnach nicht, es blieb bei der Anordnung der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis.
Gegen den Beschluss ist die Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig. Es dürfte aber auszuschließen sein, dass die Richter dort auf die Räuberpistole hereinfallen.
VG Berlin, Beschluss vom 26. Februar 2009, Az: VG 11 A 778.08
Quelle: Pressemitteilung Nr. 8/2009 vom 06.03.2009
Praxisrelevanz:
Es entspricht der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung (u.a. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 30.03.2006, 1 W 8/06, Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.11.2004, 12 ME 404/04, VG Saarlouis, Beschluss vom 01.06.2007, 10 L 429/07; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.08.2008, 10 B 10715/08.OVG), dass bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen im Regelfall die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtfertigt. Dies ergibt sich aus Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV; in Ziffer 9.2 dieser Anlage wird allein bei Cannabis zwischen regelmäßiger und gelegentlicher Einnahme differenziert, nicht jedoch bei harten Drogen. Die stimulierende Wirkung so genannter harter Drogen vermittle dem Konsumenten den unzutreffenden Eindruck besonderer Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Damit einher gehe eine im Straßenverkehr nicht hinnehmbare Risikobereitschaft. In Verbindung mit dem Suchtpotential harter Drogen ergäben sich hieraus für andere Verkehrsteilnehmer besondere Gefahren, die die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigten.