Ein Kondomhersteller ließ 2006 gegen unseren Mandanten Strafanzeige erstatten. Der Vorwurf lautete, er hätte Musterkondome, die beim Hersteller zur Durchführung von Testreihen aussortiert und danach eigentlich entsorgt worden sein sollten, im Internet angeboten und verkauft. Der Strafanzeige vorausgegangen waren eine Abmahnung gerichtet auf Unterlassung, eine einstweilige Verfügung und ein Ordnungsgeldantrag, da unser Mandant u.a. durch Versand von Kondomen an einen „Testkäufer“ des Herstellers gegen die Verfügung verstoßen haben sollte. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Leipzig, welche die Ermittlungen aufnahm, hätte unser Mandant die Kondome geklaut und dann in den Verkehr gebracht und dadurch gegen das Markengesetz verstoßen.
Ob die Kondome überhaupt dort ankamen und was dort mit den Kondomen geschah, ob sie vernichtet oder ob sie vom Ausland wieder zurückverschifft wurden, war nicht aufzuklären. Die beteiligten Firmen stellten Entsorgungsnachweise aus, obwohl eine Entsorgung auf einer Deponie gar nicht stattfand. Anhand der Cargennummern der von unserem Mandanten dann angebotenen Kondome sei es aber nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nachvollziehbar, dass es sich nur um solche handeln könne, die eigentlich hätten entsorgt worden sein müssen. Wie es dann aber dazu kam, dass die Kondome anscheinend „reimportiert“ worden waren und wo genau das Leck in der Entsorgungskette war, blieb unklar.
Bei den zum Verkauf angebotenen Kondome handelte es sich auch nicht zwangsläufig um „Abfall“. Bei der Produktion von Kondomen werden am Anfang und am Ende der Produktion einer Charge größere Mengen von Kondomen in entsprechende Musterhüllen eingesiegelt. Hierbei handelt es sich dann um sogenannte Rückstellmuster einer Produktionsserie für die Qualitätsprüfung. Teile dieser Muster werden dann Tests unterzogen, so z.B. auch einer künstlichen Alterung durch UV-Licht. Ist der Qualitätstandart gegeben, werden dann auch die restlichen Musterkondome, die ungetestet bleiben, der Entsorgung zugeführt Daneben entstehen beim Anlauf einer Charge im Zuschnitt teilweise längere Streifen, die ebenfalls der Entsorgung zugeführt werden. Grundsätzlich handelte es sich also um eigentlich einwandfreie Kondome. Gemeinsam war allerdings allen Kondomen, dass zum Teil keine CE-Kennung und anstelle des Ablaufdatums das Herstellungsdatum aufgedruckt waren und diese so natürlich im Verkauf nichts zu suchen hatten.
Angeklagt wurde unser Mandant wegen Kennzeichenverletzung durch zwei Verkäufe über seine Internetseite. Der Tatbestand des § 143 MarkenG setzt allerdings voraus, dass ein der Marke identisches Zeichen benutzt wird. Hier hatte unser Mandant keine Kondome mit identischen Zeichen, sondern die des Markeninhabers angeboten. Andererseits kam aber eine Strafbarkeit nach dem Medizinproduktegesetz bei gleichem Strafrahmen in Frage.
Lange Zeit passierte in diesem Verfahren nichts, bis in diesem Jahr die zuständige Amtsrichterin Termin anberaumen wollte und uns zur Abstimmung vorab anrief. Bei dieser Gelegenheit wurde vom Gericht auch sogleich abgeklopft, ob unser Mandant sich einlassen würde und damit Zeugen entbehrlich wären. Angesichts der langen Verfahrensdauer wurde eine Geldstrafe im Bereich von 90 Tagessätzen thematisiert, um das Führungszeugnis unseres Mandanten „sauber“ zu halten, dessen sich die Richterin nicht abgeneigt zeigte. Unser Mandant überlegte, wollte dann aber keine Abkürzung, er wollte eine richtige Strafverhandlung mit allen Zeugen haben. Also fanden sich zum Termin im Amtsgericht Leipzig alle Beteiligten einschließlich regionaler Presse und Fotografen ein und es wurde verhandelt.
Die Beweisaufnahme lief nicht wirklich gut für unseren Mandanten, der sich nicht zur Sache äußern wollte. Die Atmosphäre war leicht unterkühlt, die Fragen der Richterin an die Zeugen präzise und gefährlich. Auch wenn der Verstoß gegen das Markengesetz immer mehr in weite Ferne rückte, wartete die Verteidigung jede Sekunde auf den richterlichen Hinweis, dass stattdessen auch eine Verurteilung gegen das Medizinproduktegesetz in Frage käme. Eine wichtige Zeugin war nicht erschienen, so dass ein Fortsetzungstermin wahrscheinlich wurde.
Umso überraschender war es, dass die Richterin nach Vernehmung von drei Zeugen eine Unterbrechung vorschlug und Staatsanwaltschaft und Verteidigung ins Richterzimmer bat. Dort wurde dann mit der plötzlich gar nicht mehr unterkühlten Richterin und einer überraschend aufgeschlossenen Staatsanwältin eine konstruktive Lösung erarbeitet, so dass das vor der Hauptverhandlung angedachte Ergebnis von 90 Tagessätzen trotz ungünstiger Beweisaufnahme bestehen blieb. Die geständige Einlassung erfolgte kurz und knapp durch die Verteidigung. Am Ende stand eine Verurteilung zu 90 Tagessätzen zu je 10,00 Euro wegen Verstoß gegen das Markengesetz. Die Presse, der die Besprechung im Richterzimmer verborgen blieb, musste sich was auszudenken und schrieb ziemlichen Unsinn.
Die Professionalität der Richterin am Amtsgericht Leipzig ist eine Erwähnung wert. Anderenorts wäre, nachdem die angedachte Verständigung vor der Hauptverhandlung gescheitert war, die Sache gnadenlos durchgezogen und der Mandant entsprechend bestraft worden.