Ärzte haben gegen Patienten unter bestimmten Voraussetzungen einen Vergütungs- bzw. Schadensersatzanspruch, wenn ein vereinbarter Behandlungstermin vom Patienten nicht einhalten wird. Das Landgericht Oldenburg hatte über einen umgekehrten Fall zu entscheiden, in dem eine Patientin gegen ihren Arzt einen Schadensersatzanspruch geltend machte, als dieser einen fest vereinbarten Behandlungstermin absagte.
Der Augenarzt hatte mit seiner Patientin nach Abschluss des Behandlungsvertrages einen Operationstermin fest vereinbart. Kurz darauf machte der Arzt den Operationstermin von einer Kostenübernahmeerklärung der Patientin für eventuell nicht von ihrer Kasse getragene Kosten abhängig. Als die Patientin diese Erklärung nicht unterzeichnen wollte, lehnte der Augenarzt die Durchführung der Operation ab. Daraufhin verklagte die Patientin den Arzt auf Schadensersatz für ihren Verdienstausfall, angefallene Fahrtkosten sowie eine Zeitaufwandsentschädigung.
In erster Instanz war die Klage vom Amtsgericht Oldenburg abgewiesen worden, da eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten nach Auffassung des Gerichts nicht vorlag.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Patientin hatte vor dem Landgericht Oldenburg teilweise Erfolg. Der Klage wurde dem Grunde nach stattgegeben. Grundsätzlich diene ein Terminvereinbarung zwar nur einem geregelten Arbeitsablauf in einer Arztpraxis und beinhalte deswegen auch kein Schadensersatz auslösendes Pflichtenprogramm. Zudem könnten beide Vertragsparteien gemäß den §§ 621, 667 BGB den Arztvertrag, bei dem es sich rechtlich um einen Dienstvertrag handelt, kurzfristig kündigen. Allerdings obliegen sowohl der Behandlungsseite, als auch der Patientenseite Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten, um den vereinbarten Termin nicht zu gefährden, die der Arzt hier schuldhaft verletzt hat, indem er ablehnte, die Operation durchzuführen. Die Weigerung der Patientin, die Kostenübernahmeerklärung abzugeben, genügte nicht als Grund dafür, dass der Arzt den Termin nicht wahrgenommen hat. Da der Arzt die Kostenübernahmeerklärung erst nach Abschluss des Behandlungsvertrages verlangte, brauchte die Patientin hierauf nicht einzugehen. Die Patientin habe sich mit ihrer Weigerung, diese Erklärung abzugeben nicht selbst vertragswidrig verhalten. Der Arzt hatte somit keinen hinreichenden Grund, den vereinbarten Operationstermin nicht einzuhalten.
In den Urteilsgründen wird ausgeführt:
„Der Klägerin steht zwar dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten wegen Verletzung des Behandlungsvertrages zu. Denn der Beklagte hat den mit der Klägerin vereinbarten Operationstermin vom 19.12.2005 nicht eingehalten. Wenn auch generell davon auszugehen ist, dass Terminsvereinbarungen zwischen dem Arzt und dem Patienten lediglich dem geregelten Praxisablauf dienen und von daher generell keinen Schadensersatz bzw. keinen vergütungsauslösenden Charakter haben, zumal beide Vertragsparteien gemäß den §§ 621, 667 den Arztvertrag, bei dem es sich rechtlich um einen Dienstvertrag handelt, kurzfristig kündigen können, so trifft beide Vertragsparteien jedoch eine sogenannte Mitwirkungs- und Sorgfaltspflicht, um den vereinbarten Termin nicht zu gefährden. …
Den für den 19.12.2005 vereinbarten Operationstermin hat der Beklagte schuldhaft nicht eingehalten. Der Hinweis des Beklagten auf das Gesundheitsstrukturgesetz und die Budgetierung, der er danach unterliegt, stellt keine ausreichende Entschuldigung dar. Vertragliche Gestaltungen zwischen Arzt und Krankenkasse bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung haben zwar Einfluss, soweit es um die Abrechnung der ärztlichen Leistungen geht. An diese ist der Patient gebunden. Der Behandlungsvertrag als solcher wird aber trotz dieser Abrechnungsregelungen immer noch zwischen dem Arzt und dem Patienten geschlossen. Wenn der Arzt, wie im vorliegenden Fall, einen festen Termin mit der Patientin vergibt …, dann ist er auch verpflichtet, die Terminsverabredung einzuhalten, es sei denn, ihm sei eine Behandlung nicht oder zum vereinbarten Termin nicht möglich. Die Behandlung als solche hat der Beklagte jedoch nicht abgelehnt. Er hat sie lediglich davon abhängig gemacht, dass die Klägerin sich ihm gegenüber bereit erklärt, die Kosten zu übernehmen, die die Kasse der Klägerin eventuell nicht zahlen würde. Da diese Forderung des Beklagten jedoch nach der getroffenen Terminsvereinbarung erhoben wurde, brauchte die Klägerin darauf nicht einzugehen und hat sich mit ihrer Weigerung, die Kostenübernahmeerklärung abzugeben, auch nicht selbst vertragswidrig verhalten. Von daher kann die Klägerin vom Beklagten als Schadensersatz die Kosten ersetzt verlangen, die ihr durch die Nichteinhaltung des Termins entstanden sind.“
Bezüglich der Höhe des geltend gemachten Schadens nahm das Gericht allerdings erhebliche Abstriche vor. Die von der Patientin geltend gemachten Beträge waren nach Ansicht des Gerichts teilweise übersetzt bzw. nicht substantiiert dargetan worden.
LG Oldenburg, Urteil vom 12.01.2007, Az: 8 S 515/06
Vorinstanz: AG Oldenburg, Urteil vom 12.06.2006
Quelle: Pressemitteilung vom 23.01. 2007 des LG Oldenburg