OLG München – Klingeln reicht nicht


Auf einem gemeinsamen Rad- und Fußweg haben Radfahrer und Fußgänger aufeinander Rücksicht zu nehmen, Radfahrer jedoch müssen besonderes sorgfältig sein. Kommt es zu einem Unfall zwischen Radfahrer und Fußgänger, trifft den Radfahrer die höhere Verantwortung. Nach einer Entscheidung des OLG München erhielt eine Radfahrerin  daher ihren Unfallschaden nur zu 1/3 ersetzt. Zwar treffe den Fußgänger eine Mithaftung, da er die Radfahrerin behindert hat, andererseits war der Fußgänger von weitem erkennbar. Wenn ein Fußgänger auf Klingeln nicht reagiert, muss ein Radfahrer seine Geschwindigkeit soweit reduzieren, dass er jederzeit anhalten kann. Nach Auffassung des OLG München bedeutet dies Schrittgeschwindigkeit.  Notfalls muss ein Radfahrer eben stehen bleiben.

Aus den Gründen:

(…) Was die Haftungsverteilung angeht, geht der Senat zunächst von der gesetzlichen Vorgabe aus, wonach bei einem gemeinsamen Geh- und Radweg beide Seiten aufeinander Rücksicht zu nehmen haben (§ 1 StVO), den Radfahrer aber nach der gesetzlichen Wertung und der einhelligen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung die höhere Verantwortung trifft. Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass vorliegend auf Beklagtenseite das Fehlverhalten darin liegt, dass der Beklagte ohne die erforderliche Rückschau rückwärtsgehend die herannahende Klägerin und ihren Ehemann behindert hat, auf Klageseite aber zu bedenken war, dass die Fußgängergruppe, der der Beklagte angehörte, unstrittig von weitem erkennbar war und ein Klingeln seitens des Ehemanns der Klägerin bei der Fußgängergruppe keinerlei Reaktion ausgelöst hat, was für den Radfahrer grundsätzlich bedeutet, dass er seine Geschwindigkeit soweit reduzieren muss, dass er jederzeit gefahrlos zum Stehen kommt, was gegebenenfalls Schrittgeschwindigkeit erfordert (Schrittgeschwindigkeit bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Senat 5 bis 7 km/h). Gegebenenfalls muss der Radfahrer sogar stehen bleiben Vorliegend geht der Senat davon aus, dass die Klägerin zu ihrem vor ihr fahrenden Ehemann nicht den erforderlichen Abstand gehabt hat, um in der vorbezeichneten Art und Weise reagieren zu können.

Dies zugrunde gelegt, ist der Senat der Auffassung, dass ein Übergewicht der klägerischen Haftung geben ist, wobei unter Berücksichtigung des unverkennbar leichtsinnigen Verhaltens des Beklagten eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klageseite angemessen ist.

Der Senat geht was die Haftungshöhe angeht, unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Verletzungen der Klägerin und ihres Mitverschuldens, davon aus, dass ein Schmerzensgeld von 3 000,– Euro angemessen ist, dabei hat der Senat insbesondere das Ausmaß der Schmerzen und der Verletzungsfolgen berücksichtigt. (…)

OLG München, Urteil vom 23.10.2009, Az: 10 U 2809/09

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