AG Lüdinghausen: Belohnung für nachgewiesene Abstinenz nach Trunkenheitsfahrt


(c) Oliver Haja / Pixelio

O.Haja/Pixelio

Der Angeklagte hatte, während er am Abend an einem Auto rumschraubte, dem Alkohol erheblich zugesprochen. Noch in der Nacht setzte er sich in einen Lkw, fuhr los und wurde von der Polizei angehalten. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration lag bei 2,57 o/oo, damit war er absolut fahruntüchtig. Die Fahrerlaubnis wurde ihm vorläufig entzogen. Vor dem Amtsgericht zeigte sich der Angeklagte geständig und wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gem. § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB zu 30 Tagessätzen zu je 25,00 Euro verurteilt.

Soweit nichts ungewöhnliches. Eigentlich sieht das Gesetz in § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB aber vor, dass der Angeklagte damit auch als ungeeignet anzusehen wäre, ein Kraftfahrzeug zu führen. Die vorläufig entzogene Fahrerlaubnis wäre endgültig zu entziehen gewesen, der Angeklagte hätte nach Ablauf einer vom Gericht zu bestimmenden Sperrfrist die Neuerteilung beantragen können.

Hier sah das Gericht allerdings von einer Entziehung ab und verhängte nur ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten. Anders als bei einer Entziehung erhält man nach Ablauf des Fahrverbotes seine Fahrerlaubnis wieder. Der Angeklagte hier war offensichtlich gut beraten und bis zu der 10 Monate später stattfindenden Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht sehr fleißig. Zum einen war er nach der Tat abstinent, zum anderen konnte er dies auch belegen. Darüber hinaus hat er eine verkehrspsychologische Beratung in Anspruch genommen und dies dem Gericht anschaulich geschildert. Im Ergebnis hat das Gericht eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr feststellen können.

Eine verkehrspsychologische Beratung wie sie der Angeklagte in Anspruch genommen hat, ist zeitaufwändig und nicht gerade preiswert. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis hätte allerdings zur Folge gehabt, dass bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis von der Behörde die Vorlage eines MPU-Gutachtens verlangt worden wäre. Dies wäre ebenso zeitaufwändig und bei Gefahr des Nichtbestehens mindestens genauso teuer. Stellt das Gericht wie hier nicht nur fest, dass eine Ungeeignetheit nicht festgestellt werden kann, sondern positiv die Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, ist die Behörde an diese Feststellungen gebunden (§ 3 Abs. 4 StVG). Der Angeklagte kommt also um eine MPU herum.

Aus den Gründen:

(…) Der Angeklagte hat sich (…) durch seine Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, so dass ihm eigentlich hätte seine Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist festgesetzt werden müssen. Seit der Tat sind nunmehr jedoch über 10 Monate Zeit vergangen, in denen seine Fahrerlaubnis auch vorläufig entzogen bzw. der Führerschein zuvor sichergestellt worden war. Der Angeklagte hat zudem dargelegt und durch entsprechende Bescheinigungen auch nachgewiesen, dass er seit der Tat abstinent lebt. Er hat unmittelbar nach der Tat durch seinen Hausarzt zunächst regelmäßig Blutproben entnehmen lassen und später regelmäßige Harnproben abgegeben. Zudem hat er sich in verkehrspsychologische Beratung begeben und anerkannte verkehrsindividualpsychologische Verkehrstherapien des Anbieters „IVT-Hö“ durchgeführt.

Der Angeklagte selbst hat die Maßnahmen geschildert. Zudem hat das Gericht die Dipl. Psychologin S , die als verantwortliche Verkehrstherapeutin die verkehrspsychologischen Maßnahmen durchgeführt hat als sachverständige Zeugin vernommen. Die Zeugin hat hier ausgeführt, der Betroffene habe sich zunächst nach einem intensiven Beratungsgespräch für die Teilnahme an einer Therapiegruppe entschieden. Er habe dann wöchentlich je 2 Stunden an einer Kleingruppensitzung teilgenommen und zwar 14 Mal. Zusätzlich habe er ein Intensivseminar über 16 Stunden besucht. (…) Er habe für sich die Funktion des Alkohols erkannt und habe sich in der Verkehrstherapie alternative Handlungsweisen, die zukünftig einen Missbrauch von Alkohol unnötig machen erarbeitet. Er habe engagiert und konsequent in der Therapie mitgearbeitet und habe die Therapie erfolgreich abgeschlossen, so dass nach Ansicht der Verkehrspsychologin ohne weiteres wieder von dem Vorliegen einer Eignung im Straßenverkehr auszugehen sei. Insoweit ist auch bekannt, dass die Maßnahme IVT-Hö nach einer Evaluation der Universität X eine hohe Erfolgsquote aufweist, dass nämlich nur 6,4 % der Teilnehmer innerhalb der ersten 5 Jahre nach Abschluss der Maßnahme und der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis wieder im Straßenverkehr mit Alkohol auffällig werden. (…)

Das Gericht nimmt daher nicht nur an, dass die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr feststellbar ist, sondern vielmehr gar die Geeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen trotz seiner Tat nach der Zeugenvernehmung der sachverständigen Zeugin S positiv festgestellt ist. Das Gericht ist sich hier der hohen Tatzeit-BAK bewusst – angesichts der dargestellten verkehrspsychologischen Maßnahmen war dies aber kein Hindernis im Rahmen der Entscheidung über die Voraussetzungen der §§ 69, 69a StGB. Hierzu beigetragen hat auch die Zeit der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung bzw. der Sicherstellung des Führerscheins des Angeklagten.

Diese Maßnahmen begannen bereits am Tattage. Der Angeklagte hat hierzu ausgeführt, dass er seit dieser Zeit täglich mit seinem Fahrrad etwa 40 km Arbeitsweg fahren müsse und dies auch jeden Tag getan habe. Er habe zudem in seinem beruflichen Fortkommen Einbußen hinnehmen müssen, da er bei Beförderungen innerhalb des Betriebs aufgrund mangelnder Flexibilität ohne Fahrerlaubnis nicht zum Zuge gekommen sei. Folgerichtig reicht es nach Ansicht des Gerichtes aus, das Regelfahrverbot des § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB – deklaratorisch – festzusetzen und nicht die Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69 a StGB zu entziehen.

Es wird insoweit auf die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf, DAR 2008, 597 Bezug genommen, die einen ähnlichen Fall betraf. (…)

AG Lüdinghausen, Urteil vom 02.03.2010, Az: 9 Ds 82 Js 3375/09 – 111/09

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