OLG Celle – Beweisverwertungsverbot bei Anordnung der Blutentnahme durch Polizei auch bei Drogen


(c) manwalk / Pixelio

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Bei einer Polizeikontrolle stellten die eingesetzten Beamten bei dem betroffenen Kraftfahrer eine verlangsamte Pupillenreaktion bei Lichteinfall fest, worauf der Betroffene auf Befragen mitteilte, gelegentlich Haschisch zu konsumieren. Ein mit seinem Einverständnis durchgeführter Drogenschnelltest verlief positiv auf  THC. Daraufhin ordnete einer der Beamten eine Blutentnahme zur Feststellung von Drogen im Blut an. Den Versuch, eine richterliche Entscheidung zu erlangen, unternahm er nicht, da nach seiner Ansicht infolge des damit verbundenen Zeitverzuges das Untersuchungsergebnis verfälscht worden wäre. Die Untersuchung der Blutprobe ergab einen THC-Gehalt von 10 ng/ml Blut.
Das Amtsgericht hat das dazu erstattete Gutachten für verwertbar erachtet, weil zu Recht Gefahr im Verzuge wegen der Gefahr von Beweisverschlechterung gesehen wurde. Da der Betroffene bei genügender Überlegung hätte erkennen können und müssen, dass er unter Drogeneinfluss stehe, habe er sich eines fahrlässigen Verstoßes schuldig gemacht. Ausgehend von den Vorgaben im Bußgeldkatalog hat das Amtsgericht die benannten Rechtsfolgen angeordnet und den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt. Zugleich hat es ein Fahrverbot von einem Monat unter Anwendung von § 25 Abs. 2a StVG festgesetzt.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde, mit welcher der Betroffene ausschließlich die Verwertung des Ergebnisses der Blutprobenuntersuchung angriff, hatte beim OLG Celle Erfolg. Das Urteil wurde aufgehoben und der Betroffene freigesprochen.

Aus den Gründen:

(…) Zu Recht beklagt der Betroffene einen Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO. Danach steht die Anordnung einer Entnahme von Blutproben nach § 81a Abs. 1 StPO grundsätzlich dem Richter zu, während Ermittlungspersonen nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung solche Anordnungen treffen dürfen. Die Einschätzung des Zeugen PK K., der das Amtsgericht ohne dies zu hinterfragen gefolgt ist, dass eine vorherige richterliche Entscheidung wegen des damit verbundenen Zeitverzuges das Untersuchungsergebnis verfälscht hätte, reicht für die Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolges nicht aus. Denn es wäre in der Zeit zwischen dem Vorfall um 11:50 Uhr und der Blutprobenentnahme um 12:10 Uhr, also einem Zeitraum von zwanzig Minuten, ein Leichtes gewesen, jedenfalls telefonisch eine richterliche Anordnung einzuholen, während der Betroffene zu dem die Blutentnahme durchführenden Arzt verbracht worden ist. Der Vorfall fand an einem Donnerstag zur Mittagszeit statt, bei der das hierfür zuständige Amtsgericht H. mit mehreren Richterinnen und Richtern besetzt gewesen sein dürfte. Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten der Richterschaft eine entsprechende Anordnung etwa mangels Aktenvorlage abgelehnt oder nur mit erheblicher Verzögerung beschlossen worden wäre, liegen nicht vor. Es handelte sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt, bei dem der richtige Betroffene feststand und aufgrund des Drogenschnelltestes hinreichende Gründe für die zu beantragende Anordnung vorgelegen hatten. Insoweit fehlte es an Anhaltspunkten für die Annahme von Gefahr im Verzug (…).

Der so festzustellende Verfahrensverstoß führt vorliegend zu einem Beweisverwertungsverbot, also zur Unverwertbarkeit des Ergebnisses der Blutuntersuchung. Zwar führt grundsätzlich nicht jeder Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr bedarf es nach der vom BVerfG gebilligten Auffassung (ZfS 2009, 46) einer an den Umständen des Einzelfalls sich orientierenden umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen, wobei das Ergebnis maßgeblich vom Gewicht des in Frage stehenden Verfahrensverstoßes bestimmt wird (vgl. OLG Hamm, a.a.O. NStZRR 2009, 185). Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers kann dabei ein Verwertungsverbot nach sich ziehen. So liegt es hier. Die vom Zeugen K. getroffene und von dem Amtsgericht darin folgende Annahme, dass aufgrund der zeitlich zu erwartenden Verzögerung bei Einholung einer richterlichen Anordnung eine Verschlechterung des Untersuchungserfolges zu befürchten ist, ist vorliegend auch bei wohlwollender Betrachtung so evident fehlerhaft, dass ihr Mangel die Zulässigkeit der Verwertung der Blutprobenuntersuchung ausschließt. Denn eine zeitliche Verzögerung war wegen der Möglichkeit, zumindest bis zur Durchführung der Blutentnahme eine richterliche Anordnung per Telefon einzuholen, nahezu ausgeschlossen. Es lag auch nicht etwa die Konstellation vor, dass der Polizeibeamte sich erst an einen Richter im Bereitschaftsdienst wenden musste, was angesichts der zum Vorfallszeitpunkt nicht endgültig geklärten Rechtsfragen das Vorgehen wenigstens nachvollziehbarer gemacht haben könnte (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2009, 3 Ss 31/09 bei juris). Eine dennoch zulässige Verwertbarkeit der Blutuntersuchung wie im vorliegenden Fall dürfte faktisch die Aufhebung des Richtervorbehalts in § 81a Abs. 2 StPO zur Folge haben. Deshalb war auch unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten, gegen die Annahme eines Verwertungsverbotes bei Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO sprechenden Kriterien – Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen von nur geringer Intensität. nur einfachgesetzlicher Richtervorbehalt. richterlicher Beschluss wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erlangen gewesen. Schutz der Verkehrssicherheit vor unter Drogeneinfluss stehenden Kraftfahrern (vgl. statt vieler OLG Hamm, NStZRR 2009, 185) – ein Verwertungsverbot gegeben.

Das angefochtene Urteil konnte damit keinen Bestand haben. Da es an einer rechtlich zulässigen Grundlage für den Nachweis einer Fahrt des Betroffenen unter Drogeneinfluss fehlt und nicht ersichtlich ist, dass diese auf andere Weise erlangt werden kann, war der Betroffene durch den Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG freizusprechen.

OLG Celle, Beschluss vom 16.06.2009, Az: 311 SsBs 49/09

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