Kammergericht – (noch) kein Beweisverwertungsverbot bei Anordnung einer Blutentnahme durch Polizei


Während zahlreiche Oberlandesgerichte sich in jüngster Zeit erfreulich klar für ein Beweisverwertungsverbot bei der Anordnung einer Blutentnahme durch die Polizei ausgesprochen haben, zeigt sich das Kammergericht in einer aktuellen Entscheidung noch unentschlossen und hält sich die Möglichkeit offen, künftig anders zu entscheiden.
Aus den Gründen:

Die der Angeklagten entnommenen Blutproben sowie die sie auswertenden Blutalkoholgutachten unterliegen keinem Verwertungsverbot. Zwar erfolgte die Anordnung der Blutprobenentnahme durch die ermittelnden Polizisten unter Verletzung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO. Diese Verletzung des Richtervorbehalts des § 81a Abs. 2 StPO führt zu einem Beweiserhebungsverbot, indes entgegen der Auffassung der Revision hier nicht zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes. Dem Strafprozessrecht ist ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Verfahrens- insbesondere Beweissicherungsvorschriften – wie hier – ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, fremd. Nach der – verfassungsrechtlich unbedenklichen – herrschenden Rechtsprechung hängt die Annahme eines Verwertungsverbotes von den Umständen des Einzelfalles, namentlich von der Art des verletzten Verbotes, vom Gewicht des Verstoßes sowie von der Abwägung der widerstreitenden Interessen ab. Ausschlaggebend ist hierbei, ob die anordnenden Polizeibeamten willkürlich das Vorliegen von Gefahr im Verzuge angenommen und bewusst die Verwirklichung des Richtervorbehalts vereitelt haben [vgl. BVerfG NJW 2008, 3053 (3054) m. w. N.; Thüringer OLG VRS 116, 105; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 185].

Die – allein maßgeblichen – Urteilsfeststellungen und auch die im Rahmen der Verfahrensrüge vorgetragenen Äußerungen der Polizeibeamten geben indes weder für Willkür noch für eine bewusste Vereitelung der richterlichen Zuständigkeit etwas her. Sie lassen vielmehr erkennen, dass sich die Polizeibeamten lediglich keine Gedanken über die Anordnungskompetenz machten, weil sich die Angeklagte gegen die Anordnung nicht wehrte. Dies stellt jedoch keine bewusste und willkürliche Verletzung des § 81a Abs. 2 StPO dar. Von Bedeutung ist hier ferner, dass die getroffene Anordnung einer Blutentnahme der Polizei nicht schlechthin verboten, sondern in Eilfällen gestattet ist. Obwohl die Voraussetzungen des § 81a Abs. 2 StPO nicht vorlagen, hatte die Verletzung des Richtervorbehalts deshalb aus objektiver Sicht geringeres Gewicht, als wenn der Polizei die Anordnung von Eingriffen der betreffenden Art schlechthin untersagt ist (vgl. Thüringer OLG a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Folglich hat die Verletzung der Rechts der Angeklagten – hier aus Art. 19 Abs. 4 GG und nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG a.a.O.) – kein derartiges Gewicht, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Erforschung der Wahrheit (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rdn. 50 ff.; OLG Hamm a.a.O.) einer gravierenden Straftat gegen die Verkehrssicherheit – wie hier – hinter dem Anspruch der Angeklagten auf Wahrung der Formvorschrift zurücktreten muss. Dies gilt hier um so mehr, als bei der festgestellten Sachlage die Erteilung der richterlichen Anordnung sicher zu erwarten war und sich die Verletzung der Rechte der Angeklagten aus diesem Blickwinkel als deutlich geringfügig darstellen.

Dennoch gibt der Senat zu bedenken: Vorliegend ist von einer Gedankenlosigkeit der Polizeibeamten bei der Behandlung der Anordnungskompetenz auszugehen. Diese mag auch dadurch gefördert worden sein, dass – wie in der oben zitierten Entscheidung des BVerfG und der ihm folgenden Rechtsprechung geschehen – vielfach die Annahme eines Verwertungsverbotes infolge Verneinung eines willkürlichen Verstoßes abgelehnt wurde. Angesichts der in den vergangenen beiden Jahren sich häufenden Anzahl von veröffentlichten Entscheidungen gerade zu den möglichen Konsequenzen der Missachtung der Kompetenzvorschrift des § 81a Abs. 2 StPO geht der Senat jedoch davon aus, dass nunmehr die Brisanz der Verletzung des Richtervorbehalts auch in den Kreisen der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfspersonen hinreichend bekannt ist. Dies veranlasst den Senat zu dem Hinweis, dass mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Annahme, die anordnenden Polizeibeamten hätten in schlichter Unkenntnis ihrer Pflichten und daher nicht willkürlich gehandelt, nicht mehr ohne weiteres aufrecht zu erhalten sein wird. (…)

Kammergericht, Beschluss vom 01.07.2009, Az: (3) 1 Ss 204/09 (71/09)

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