LSG Schleswig-Holstein – Der durch eine Selbstbeteiligung nicht gedeckte Kostenanteil einer Rechtsschutzversicherung kann Gegenstand eines PKH- Antrages sein


Mit dem Ziel einen höheren Grad der Behinderung feststellen zu lassen, hatte der Kläger vor dem Sozialgericht Klage erhoben und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe über die Höhe der mit seiner Rechtsschutzversicherung vereinbarten Selbstbeteiligung von 153,00 Euro zu bewilligen. Er sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, diese Kosten selbst zu tragen. Das Sozialgericht lehnte den Antrag ab, der Kläger sei rechtsschutzversichert und könne auf diese zurückgreifen.
Soweit eine Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz gewähre, liege keine Bedürftigkeit hinsichtlich § 115 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG vor. Der Kläger erfülle nicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass er eine Selbstbeteiligung in Höhe von 153,00 Euro zu tragen habe. Die Prozesskostenhilfe könne nicht auf diesen Betrag begrenzt werden. Es hänge vom Willen des Klägers ab, sich die Bedingungen der Rechtsschutzversicherung auszuwählen. Er könne nicht zu Lasten des Landes von einer Gestaltungsmöglichkeit mit einer Selbstbeteiligung Gebrauch machen, um anschließend die Selbstbeteiligung im Wege der Prozesskostenhilfe auf das Land abzuwälzen. Bei dieser Sach- und Rechtslage komme es nicht auf die Erfolgsaussichten des zu Grunde liegenden Verfahrens an.

Gegen den Beschluss des Sozialgericht legte der Kläger Beschwerde ein. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein gab der Beschwerde statt und verwies die Sache zur neuen Entscheidung zurück an das Sozialgericht.

Aus den Gründen:

(…) Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt mit der Begründung, dass bei dem Kläger wegen der bestehenden Rechtsschutzversicherung keine Bedürftigkeit hinsichtlich § 115 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG vorliege. Damit hat das Sozialgericht erkennbar abgestellt auf die Vorschrift des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die Partei ihr Vermögen einzusetzen hat, soweit dies zumutbar ist. Es ist allgemeine Rechtsauffassung, dass bei der Prüfung eines Prozesskostenhilfeantrages bei der Ermittlung des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Vermögens gemäß § 115 Abs. 2 ZPO auch das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung zu berücksichtigen ist. Zum Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO zählt auch der Versicherungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung, der vorrangig in Anspruch zu nehmen ist (siehe beispielsweise BSG, Beschluss vom 17. August 1998 – B 14 KG 13/98 B; Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Rdn. 331; Philippi in: Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl. 2002, § 115 Rdn. 61; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2002, § 73a Rdn. 6e).

Eine Rechtsschutzversicherung kann jedoch nur soweit Teil des Vermögens im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO sein, soweit sie tatsächlich die Kosten der Rechtsverfolgung deckt. Dementsprechend wird in der Kommentarliteratur übereinstimmend darauf hingewiesen, dass bei Bestehen einer Rechtsschutzversicherung Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann, soweit der Antragsteller einen Anspruch auf Deckung der Prozesskosten durch eine Rechtsschutzversicherung hat. Reicht dagegen die Deckungssumme der Rechtsschutzversicherung für die von der Partei aufzubringenden Kosten nicht aus, so kann Prozesskostenhilfe hinsichtlich des überschießenden Betrages gewährt werden (siehe Wax in: Münchener Kommentar, Zivilprozessordnung, 1992, § 115 Rdn. 38; Philippi, aaO, § 115 Rdn. 61; Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, aaO, Rdn. 331). Daraus wird deutlich, dass eine Rechtsschutzversicherung nur in dem Umfang, in dem sie bei der Kostentragung eintritt, zum Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO gerechnet werden kann. Dies bedeutet dann bei der Bewertung einer Selbstbeteiligung bei einer Rechtsschutzversicherung, dass für den Kostenanteil, für den die Rechtsschutzversicherung nicht eintritt, dann auch kein Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorhanden ist und dann ebenso wie im Fall einer nicht ausreichenden Deckungssumme oder eines nicht ausreichenden Deckungsschutzes Prozesskostenhilfe auch bewilligt werden kann hinsichtlich des Betrages der Selbstbeteiligung.

Die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung bei dem Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrages kann nicht zu Lasten des Klägers nachteilig beurteilt werden, da er nicht zum Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrages verpflichtet ist und ebenso für den Fall des Abschlusses eines Rechtsschutzversicherungsvertrages nicht verpflichtet ist, diesen ohne Selbstbeteiligung zu vereinbaren.
Der von der Rechtsschutzversicherung nicht gedeckte Kostenanteil in Höhe der Selbstbeteiligung kann damit auch Gegenstand eines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sein. Der Kläger hat im Beschwerdeverfahren ergänzend zu seinen Antragsunterlagen glaubhaft gemacht, dass eine Selbstbeteiligung in Höhe von 153,00 Euro durch seine Rechtsschutzversicherung nicht gedeckt ist.

Danach konnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht ablehnen mit der Begründung, dass der Kläger wegen des Bestehens einer Rechtsschutzversicherung nicht bedürftig sei.
Aus der Sicht des Senats besteht Veranlassung, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen zur weiteren Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag.

Der Senat macht hier Gebrauch von der ihm über § 202 SGG in Verbindung mit § 572 Abs. 3 ZPO eingeräumten Möglichkeit der Zurückverweisung (siehe dazu allgemein Meyer-Ladewig, aaO, § 176 Rdn. 4; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Loseblattausgabe, § 172 Rdn. 37, 38; Kalt-hoener/Büttner, Wrobel-Sachs, aaO, Rdn. 900; Zöller, aaO, § 127 Rdn. 38; siehe auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. April 1991 – L 4 Sb 25/91 – Breith. 1991, 879).
Das Sozialgericht hat seine Ablehnung letztlich allein darauf gestützt, dass die Bedürftigkeit zu verneinen sei wegen des Vorhandenseins einer Rechtsschutzversicherung als Teil des Vermögens im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Da dieser die Entscheidung tragende Grund rechtsfehlerhaft ist, sieht der Senat es als sachgerecht an, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen, damit dieses über die weiteren Voraussetzungen des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidet. Damit ist für den Kläger dann auch die Möglichkeit weiteren Rechtsschutzes in einem Beschwerdeverfahren gewahrt. (…)

LSG Schleswig-Holstein- Beschluss vom 27.01.2003 – Az.: L 2 B 121/02 SB PKH

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