Wie in vielen Strafverfahren im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln die wir bearbeiten, stand auch hier am Anfang „Kommissar Zufall“. Zwei Beamte beobachteten beiläufig zwei Jugendliche, die vor einem Haus rumstanden und mit Geldscheinen rumhantierten. Dann ging einer in das Haus hinein und kam kurze Zeit später wieder heraus. Die zwei Beamten dachten sich ihren Teil, folgen den Jugendlichen in eine Grünanlage und ließen diese erst mal einen „bauen“ bevor sie zugriffen..
Die Jugendlichen erzählten sofort bereitwillig, dass sie ihr Gras gerade erst gekauft hatten und zwar in dem besagten Haus beim T., dort hätten sie schon öfter was gekauft. Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten dann eine kleine Cannabis-Plantage, 300 Gramm Gras, eine Waage mit „Preisliste“ und sonstige „Händler-Utensilien“.
Bis dahin war es noch unerlaubter Anbau und Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren, was schon Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedeutete. Dann wurde T. vernommen. Sofern jemand den Film „From Dusk Till Down“ kennt und vor allen Dingen die Szene, in der die beiden Protagonisten haufenweise Leute umlegen und im unteren Bildrand ein „Bodycount“ mitzählt, muss er sich den weiteren Verlauf der Vernehmung so ähnlich vorstellen, nur dass anstelle des „Bodycount“ ein „Prisoncount“ mitläuft.
Anstelle das einzig richtige zu tun, nämlich zu schweigen, redete der Home-Grower sich um Kopf und Kragen. Er räumte zahlreiche weitere Verkäufe ein und antworte auf die Frage, warum er das gemacht habe, dass die Tochter seiner Freundin ihn darauf gebracht hätte. Die und ihre Schulfreunde (sic) wollten kiffen, hatten aber Probleme mit der Beschaffung. Da dachte er, das wäre eine gute Idee zum Geld verdienen. Also gewerbsmäßige Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren – Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Dann gab T. ohne Not an, dass es sich bei dem gefundenen Cannabis um die „zweite Ernte“ gehandelt habe, es gab also eine Ernte davor, die T. auch einräumte. Die damals geernteten ca. 200 – 300 Gramm habe er komplett verkauft. Also zwei Einzelfreiheitsstrafen nicht unter zwei Jahren, aus der dann eine Gesamtfreiheitstrafe gebildet wird. Eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe rückte in weite Ferne.
Aber T. redete nicht nur sich um Kopf und Kragen. Zu dem in seiner Wohnung gefundenen Cannabis gab er an, dass dies aus der Wohnung seines Sohnes stamme. Dort befinde sich noch eine Plantage. Der vernehmende Beamte stoppte T. und belehrte ihn, dass er seinen Sohn nicht belasten müsse. Aber T. wollte reden und reden und reden… Ob nach der Vernehmung von den Beamten Sektflaschen geköpft und sich abgeklatscht wurde, ist nicht überliefert. Solch einen „Singvogel“ hat man auch nicht alle Tage.
T. und sein Sohn wurden angeklagt, wobei die Staatsanwaltschaft jeden einzelnen Abverkauf als Einzeltat wertete. Die Hauptverhandlung beim AG Tiergarten – Schöffengericht lief entspannter ab als erwartet. Die Angeklagten zeigten sich natürlich geständig und reuig, die Verteidigung stutze die Anzahl angeklagter Taten auf zwei zurecht. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft kannte die Rechtsprechung des BGH zur Bewertungseinheit offensichtlich nicht und beantragte unzählige Einzelfreiheitsstrafen für jeden Verkauf, die sie dann „großzügig“ zu einer „gerade noch“ bewährungsfähigen Freiheitsstrafe zusammenzog. Das Gericht folgte dann aber den Anträgen der Verteidiger und verurteilte T. wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Anbau und Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren in zwei Fällen unter Annahme eines minderschweren Falls und Anwendung des § 31 BtMG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, seinen Sohn wegen Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Letztendlich ging die Sache für unseren Mandanten relativ glimpflich aus. Sofern er zu den Vorwürfen geschwiegen und gleich einen Verteidiger beauftragt hätte, wäre es wohl noch glimpflicher geendet. Zumindest wäre keine Verurteilung wegen zwei Taten erfolgt. Und die Moral von der Geschicht, alles erzählen musst du nicht.
AG Tiergarten, Urteil vom 16.05.2006, Az: (268) 4 OP Js 2322/05 (4/06) Volltext
Vernehmungsprotokoll vom 25.10.2005