In Bußgeldsachen stellt sich bei der Konstellation, dass mehrere getrennte Fahrverbote aus Bußgeldbescheiden zeitgleich oder kurz hintereinander rechtskräftig werden, eine interessante Frage. Darf, da die Fahrverbote sich somit zeitweilig überschneiden, eine „parallele“ Verbüßung erfolgen, oder wird die Vollstreckung jeweils nacheinander durchgeführt?
Das Amtsgericht Vietach hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem gegen einen Betroffenen durch einen Bußgeldbescheid zunächst ein 3monatiges Fahrverbot festgesetzt, zugleich aber gem. § 25 Abs. 2 StVG bestimmt wurde, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft (sog. Ersttäterregelung). Mit einem Bußgeldbescheid wegen einer weiteren Ordnungswidrigkeit wurde dann aber nochmals ein 3monatiges Fahrverbot festgesetzt, diesmal aber ohne die 4-Monats-Frist.
Beide Bußgeldbescheide wurden am gleichen Tag rechtskräftig. Der Betroffene erhoffte sich, dass beide Fahrverbote parallel vollstreckt und er somit insgesamt nur 3 Monate Fahrverbot absitzen müsse. Die Verwaltungsbehörde vertrat hingegen die Auffassung, dass ein Parallelvollzug nicht möglich sei und die Frist für das weitere Fahrverbot sich an den Vollzug des ersten Fahrverbotes anschließe. Das AG Vietach wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Berechnung der Fahrverbotsfrist als unbegründet zurück.
Aus den Gründen:
(…) § 25 Abs. 2a S. 2 StVG bestimmt, dass die Fahrverbote nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen sind (vgl. anstelle vieler: Amtsgericht Viechtach, Beschluss v. 09.08.2007, Az. 6 II OWi 01045/07).
Eine Beschränkung auf Fahrverbote nach § 25 Abs. 2a S. 1 StVG ist im Wortlaut des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG nicht zu entnehmen. § 25 Abs. 2a S. 2 StVG verlangt aufgrund seiner Stellung im Rahmen von § 25 Abs. 2a StVG jedenfalls, aber auch nur ein Zusammentreffen mit einem Fahrverbot nach § 25 Abs. 2a StVG. Weder dem Wortlaut noch der Stellung des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG lässt sich entnehmen, dass dieser nur bei einem Zusammentreffen zweier privilegierter Fahrverbote Anwendung finden soll.
Auch ideologische Erwägungen gebieten keine Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 25a Abs. 2a S. 2 StVG auf ein Zusammentreffen mehrerer privilegierter Fahrverbote nach § 25a Abs. 2a StVG. Durch § 25 Abs. 2a S. 2 StVG sollen durch die Privilegierung entstehende Missbrauchsgefahren (vgl. Deutsche Bundestagdrucksache 13/8655 v. 01.10.1997 zur Art. 4, NZV 1998, 131,133) ausgeglichen werden. Diese Gefahr der Zusammenlegung von mehreren Verfahren ist bereits bei Verhängung eines privilegierten Fahrverbotes mit Schonfrist gem. § 25 Abs. 2a S. 1 StVG gegeben.
Würde § 25 Abs. 2a S. 2 StVG nicht angewendet, würde der verfolgungswürdigere Verkehrssünder unbillig bessergestellt.
Durch den nacheinander Vollzug von zwei Fahrverboten nach § 25 Abs. 2a StVG und § 25 Abs. 2 StVG kann zwar in Einzelfällen der weniger hartnäckige Verkehrssünder (Ersttäter) schlechter gestellt sein als der Betroffene, gegen den zwei Fahrverbote nach § 25 Abs. 2 StVG (Wiederholungstäter) oder sogar § 44 StGB (Straftäter) zu vollstrecken sind.
Diese Konsequenz ist aber noch als sachgerecht bzw. folgerichtig zu betrachten (in Übereinstimmung mit Albrecht, NZV 1998, 131, 133; Deutscher, NZV 1999, 111, 115). Die mit der 4-Monatsfrist bewirkte Besserstellung des Betroffenen wird, um Missbräuche auszuschließen, durch eine mit dem Nacheinander-Vollzug verbundene Schlechterstellung des Betroffenen kombiniert. Der Gesetzgeber hat also versucht, Vor- und Nachteile auszugleichen. Darin ist ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung des über § 25 Abs. 2a S. 1 StVG privilegierten Betroffenen gegenüber dem mit 2 Fahrverboten nach § 25 Abs. 2 StVG oder § 44 StGB Betroffenen gerade noch gerechtfertigt.
Diese Argumentation ist ebenso auf die sogenannten Mischfällen zu übertragen, sodass auch hier keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt.
Hier ist auch zu berücksichtigen, dass eine Zusammenlegung bei privilegierten Fahrverboten wesentlich einfacher zu bewerkstelligen wäre, die Missbrauchgefahr mithin bei vorliegen auch nur eines privilegierten Fahrverbotes wesentlich höher ist, als bei „normalen“ Fahrverboten.
Desweiteren ist zu beachten, dass das Zusammentreffen zweier Fahrverbote gem. § 25 Abs. 2a StVG aufgrund dessen tatbestandlicher Voraussetzungen eigentlich nicht die Regel ist. Dass der Gesetzgeber eine Sonderregelung nur für einen nach Gesetzeslage nur in Ausnahmefallen vorkommenden Fall geschaffen hat, kann nicht angenommen werden. Auch dies zeigt, dass diese Norm gerade auch für die sogenannten „Mischfälle“ gelten muss.
Auch das gleichzeitige Eintreten der Rechtskraft hindert nicht den Nacheinander-Vollzug gem. § 25 Abs. 2a StVG (vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., StVG, § 25, Rz. 30). § 25 Abs. 2a StVG bestimmt vorrangig, dass die Fahrverbote in „nacheinander“ zu berechnen sind. Sinn und Zweck von § 25 Abs. 2a S. 2 StVG ist, einen möglichen Missbrauch durch ein Zusammenlegen von Fahrverboten zu verhindern. Entgegen Krumm, DAR 2008 Seite 54 f. ist somit auch bei gleichzeitiger Rechtskraft ein Nacheinander-Vollzug zu bejahen. Ansonsten würde der Sinn und Zweck der Norm konterkariert und überdies von der Rechtsfolgenseite der Norm auf deren tatbestandliche Voraussetzungen geschlossenen werden. Die Reihenfolge der Rechtskraft ist nämlich nicht Voraussetzung der Norm, sondern lediglich Rechtsfolge. Die Unklarheit der Bestimmung auf Rechtfolgenseite kann durch sachgerechte Auslegung geschlossen werden, insofern als ein sachgerechter Nacheinandervollzug der Fahrverbote zu erfolgen hat. (…)
AG Vietach, Beschluss vom 04.03.2008, Az: 7 II OWi 307/08 (Volltext unter iww.de)