VG Saarlois – Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bei einmaligem Konsum harter Drogen


Wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr wurde einem Kraftfahrer durch Strafbefehl der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Monaten verhängt. Einen Tag vor Ablauf der Sperrfrist beantragte er bei der Führerscheinstelle die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis.

Kurz darauf erlangte die Führerscheinstelle Kenntnis, dass gegen den Antragsteller wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein Ermittlungsverfahren anhängig sei und sich daraus Anhaltspunkte ergäben, dass der Antragsteller durch den häufigen Konsum von Betäubungsmitteln (Amphetamin) zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet sei.

In einer Vernehmung habe der Antragsteller angegeben, seit ca. drei Jahren etwa alle vier bis fünf Wochen etwa 1 Gramm Amphetamin zu konsumieren. In den letzten drei Jahren habe er ca. 30 Gramm Amphetamin erworben und auch konsumiert. Der Antragsteller wurde von der Führerscheinstelle daher aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Nach § 14 Abs. 2 der Fahrerlaubnisverordnung könne er nur durch Vorlage eines Gutachtens die Eignungszweifel beseitigen.

Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und machte geltend, die der Anordnung zugrunde gelegten Tatsachen seien nicht zutreffend. Bei einer Untersuchung seien bei ihm uralte Reste an Amphetaminen gefunden worden. Er habe in der Vergangenheit nicht regelmäßig Betäubungsmittel zu sich genommen, sondern lediglich gelegentlich und zwar nur dann, wenn er über das Wochenende gearbeitet habe. Seit acht Monaten nehme er nichts mehr. Zur Überprüfung seiner Fahreignung bedürfe es daher nicht einer Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Es genüge, ihn amtsärztlich untersuchen zu lassen. Die Anordnung verstoße daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Er sei auf die Fahrerlaubnis beruflich dringend angewiesen. Er werde sonst seine Arbeitsstelle verlieren. Dem Widerspruch wurde nicht abgeholfen.

Der Antragsteller stellte neben der erhobenen Klage (Az.: 10 K 146/07) beim Verwaltungsgericht Saarlouis einen Antrag, der Führerscheinstelle im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm die beantragte Fahrerlaubnis ohne Anordnung der MPU zu erteilen. Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen.

(…) Einen (…) Ausnahmefall, der das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache durchbrechen und eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur sofortigen Neuerteilung der Fahrerlaubnis rechtfertigen könnte, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. (…) Hiervon abgesehen ist einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren, weil der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch geltend machen kann. Dieser ist schon mangels Erfolgsaussichten seines Begehrens zu verneinen.

Die Voraussetzungen für die begehrte Neuerteilung entsprechen gemäß § 20 Abs. 1 FeV denen der Ersterteilung. Nach § 11 Abs. 1 FeV müssen Bewerber um eine Fahrerlaubnis die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Diese Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird.

Es entspricht der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung, (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 30.03.2006, 1 W 8/06, m.w.N. zur Rechtsprechung; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.11.2004, 12 ME 404/04, m.w.N. zur Rechtsprechung, zitiert nach juris) der die Kammer folgt, dass bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen, zu denen Amphetamin gehört, im Regelfall die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtfertigt. Dies ergibt sich aus Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV; in Ziffer 9.2 dieser Anlage wird allein bei Cannabis zwischen regelmäßiger und gelegentlicher Einnahme differenziert, nicht jedoch bei harten Drogen. Der von dem Antragsteller erhobene Einwand, es sei nicht gerechtfertigt, bereits die bloße Einnahme ausreichen zu lassen, vielmehr müsse eine Abhängigkeit oder eine missbräuchliche oder regelmäßige Einnahme erforderlich sein, greift nicht durch. Die weit überwiegende Rechtsprechung (a.a.O.) geht, – wie bereits ausgeführt – davon aus, dass Anlage 4, Ziffer 9.1, den Erfahrungssatz zum Rechtssatz erhebt, schon die (bloße) Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtmG – mit Ausnahme von Cannabis – schließe regelmäßig die Fahreignung aus.

Aus der Vorbemerkung 2 zur Anlage 4 der FeV ergibt sich ebenfalls nichts Abweichendes. Diese Vorbemerkung bezieht sich generalisierend auf sämtliche in der Anlage 4 zur FeV aufgeführten „Krankheiten, Mängel“, wesentlich daher auch auf die dort aufgezählten Krankheiten einschließlich psychischer Störungen und hat diejenigen Fälle im Blick, in denen die beschriebenen Mängel nicht eindeutig feststehen, sondern erst durch ärztliche oder medizinisch-psychologische Gutachten festgestellt werden müssen, wenn nämlich Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung begründen (§§ 11 Abs. 2, 13, 14, 46 Abs. 3 FeV).
Ziffer 9.1 der Anlage 4 beinhaltet daher den Erfahrungssatz, dass schon die Einnahme von Amphetaminen regelmäßig die Fahreignung ausschließt. Der Nachweis einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen Konsums oder auch nur – bei gelegentlichem Konsum – des Unvermögens zur Trennung von Drogenkonsum und Kraftfahrzeugführung bedarf es daher nicht. An diese normative Wertung sind die Behörden und Gerichte gebunden, solange im Einzelfall keine Umstände vorliegen, welche ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen, die Regelannahme also entkräften könnten.

Diese rechtlichen Vorgaben berücksichtigend bestand vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in dem Ermittlungsverfahren (…) angegeben hatte, seit drei Jahren etwa alle vier bis fünf Wochen etwa 1 Gramm Amphetamin zu konsumieren und in den letzten Jahren ca. 30 Gramm Amphetamin erworben und konsumiert zu haben, nach § 14 Abs. 2 FeV Anlass für die Antragsgegnerin, zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis zur Klärung von Eignungszweifel im Hinblick auf Betäubungsmittel von dem Antragsteller die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verlangen, um zu klären, ob er, ohne abhängig zu sein, weiterhin Betäubungsmittel einnimmt (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 FeV). Auch (…) im vorliegenden Verfahren (…), räumte der Antragsteller ein, bis Anfang 2006 gelegentlich wegen Erschöpfungszuständen Amphetamine konsumiert zu haben. Seine Einlassung, dann zu keiner Zeit ein Fahrzeug geführt zu haben, kann – wie bereits zuvor dargelegt – die Zweifel an seiner Eignung nicht ausräumen.

Bei der hier in Rede stehenden Einnahme von Betäubungsmitteln verlangt die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in materieller Hinsicht die Feststellung – welche naturgemäß nur in Form einer verkehrspsychologischen Prognose erfolgen kann -, dass der Betroffene künftig keine (harten) Drogen mehr konsumieren wird. Inhalt dieser Prognose (vgl. Ziffer 1 f. der Anlage 15 zur FeV) ist es aber gerade, ob der Betroffene aufgrund eines grundsätzlichen Bewußtseins- und Einstellungswandels zum Konsum von Betäubungsmitteln diesen voraussichtlich auch künftig unterlassen wird. Diese Aussage lässt sich jedoch nach den wissenschaftlichen Regelaussagen der Anlage 4 zur FeV bzw. den Begutachtungsleitlinien aus verkehrspsychologischer Sicht nur dann treffen, wenn, als notwendige aber keinesfalls schon hinreichende Bedingung, eine mindestens einjährige Betäubungsmittelabstinenz nicht nur behauptet, sondern auch regelgerecht nachgewiesen wird, was derzeit noch nicht geschehen ist. Der Antragsteller hat sich bislang erst einmal, am 28.02.2007, einem Drogenscreening unterzogen (vgl. Bescheinigung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 20.03.2007). Daher ist Voraussetzung für die Annahme der Wiedererlangung der Eignung, dass die oben genannte Feststellung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer zugelassenen Begutachtungsstelle für Fahreignung im vorgeschriebenen Verfahren nach der FeV getroffen wird. (…)

VG Saarlouis Beschluss vom 01.06.2007, Az: 10 L 429/07

, , , ,