OLG Hamm – Unfallflucht trotz pauschalem Schuldanerkenntnis


Der spätere Angeklagte wollte mit dem Auto seines Vaters drei Freunde nach Hause fahren.. Infolge Unachtsamkeit verursachte er einen Verkehrsunfall. Am Auto des Unfallgegners entstand ein Schaden in Höhe von 1.000,00 Euro. Unmittelbar nach dem Unfall bot der Angeklagte dem Geschädigten an, den Schaden zu regulieren. Der bestand aber darauf, die Polizei zu rufen. Der Angeklagte parkte daraufhin am Straßenrand und ging mit seinen Freunden weg, ohne seine Personalien anzugeben.

Das Amtsgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5,00 Euro und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat. Die hiergegen eingelegte Sprungrevision zum OLG Hamm hatte lediglich Erfolg hinsichtlich der Rechtsfolge. Das Verfahren wurde an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Aus den Gründen:

Gegen § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB verstößt, wer als Unfallbeteiligter gegen den Willen des Geschädigten sich vom Unfallort entfernt, solange dem Feststellungsinteresse des Geschädigten nicht oder nicht in vollem Umfang genüge getan ist, d. h. solange der Unfall im Ausmaß der in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgezählten Kriterien noch nicht aufgeklärt ist. Der Geschädigte kann zwar die erforderlichen Feststellungen in Gegenwart des Schädigers selbst treffen, muss dies jedoch nicht, sondern ist regelmäßig befugt, die Hilfe der Polizei bei der Aufnahme des Unfalls in Anspruch zu nehmen und die Anwesenheit des anderen Unfallbeteiligten bis zu deren Eintreffen zu verlangen.Ein pauschales Schuldanerkenntnis, auch in Verbindung mit der Angabe der Personalien, wird regelmäßig den Anforderungen einer ausreichenden Aufklärung des Unfallsgeschehens nicht entsprechen und damit weitere dem Feststellungsinteresse des Geschädigten dienende Ermittlungen durch die Polizei nicht erübrigen (…).

Der Geschädigte hat schon nicht die Möglichkeit einer verlässlichen Überprüfung, ob die ihm angegebenen Personalien auch zutreffen. Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung mit der Versicherung können insbesondere auftreten, wenn Halter und Fahrer nicht identisch sind. Darüber hinaus muss der Geschädigte spätere Einwendungen gegen die Schadenshöhe befürchten. Jedenfalls in Fällen, in denen der Fremdschaden nicht unerheblich ist, muss der Schädiger auf Verlangen des Geschädigten abwarten, bis die Polizei erscheint. Dies hat der Angeklagte vorliegend nicht getan. Nach den Feststellungen des Urteils hat er sich vielmehr vom Unfallort entfernt, ohne seine Personalien zu hinterlassen

Soweit der Verteidiger in der Revisionsbegründung unter Berufung auf ein Urteil des OLG Oldenburg (NJW 1968, 2019) die Auffassung vertritt, das Verhalten des Angeklagten sei als „Selbstbegünstigung“ straflos, wird verkannt, dass es sich bei dem vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall um einen besonders gelagerten Ausnahmefall, der keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann (…), gehandelt hat, da dem Geschädigten der Schädiger bekannt war und es sich um einen geringfügigen Schaden an einem Weidezaun gehandelt hat. Eine vergleichbare Sachlage ist hier nicht gegeben. Auch die Tatsache, dass der Angeklagte den von ihm geführten Pkw am Unfallort zurückgelassen hat, beseitigt nicht seine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dass die Feststellungen auch ohne seine Anwesenheit nicht erschwert wären, ändert an der Anwesenheitspflicht nichts (…).

(…) Da der Angeklagte sich hier vom Unfallort entfernt hat, ohne seine Personalien anzugeben, war ihm bewusst, dass weitere Aufklärungen erforderlich waren. Ein etwaiger Irrtum des Angeklagten über den Umfang der ihm zuzumutenden Wartepflicht wäre lediglich ein – vermeidbarer – Verbotsirrtum.(…) Darüber hinaus vermögen die Urteilsgründe die Anordnung des Fahrverbots nicht zu tragen. Die Verhängung des Fahrverbots steht im Ermessen des Gerichts. Dementsprechend müssen sich die Urteilsgründe zu den für das Gericht maßgeblichen Kriterien verhalten, da es ansonsten dem Revisionsgericht nicht möglich ist, zu überprüfen, ob das Gericht das ihm eingeräumte Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt hat. Zu prüfen ist, ob der Täter die Fahrerlaubnis derart zur Störung der Rechtsordnung missbraucht hat, dass die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe angebracht erscheint. Den Urteilsgründen ist eine entsprechende Prüfung nicht zu entnehmen. (…)

OLG Hamm, Beschluss vom 19. 02. 2008, AZ: 1 Ss 441/07

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