LG Berlin – Stundenverrechnungssätze bei Kfz-Reparatur


Der Kläger rechnete den an seinem Fahrzeug entstandenen Sachschadens fiktiv, auf Basis eines von ihm eingeholten Schadensgutachten eines Sachverständigen ab. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners lehnte die Regulierung zu den im Schadensgutachten kalkulierten Stundenverrechnungssätzen ab und ersetzte dem Kläger lediglich die niedrigeren Werte einer örtlichen und markenungebundenen Kfz-Meister- und Fachwerkstatt.

Der Kläger war von der Beklagten auf diese ortsnahe Reparaturmöglichkeit ausdrücklich hingewiesen worden. Der Kläger verlangte den Differenzbetrag und bekam vor dem Amtsgericht Mitte zunächst noch recht. Die Berufung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung führte zur Klageabweisung durch das Landgericht Berlin.

Nach Auffassung des LG Berlin muss sich der Kläger auf die günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen. Die vom BGH im sog. „Porsche-Urteil“ (BGH, Urteil vom 29. 4. 2003, AZ: VI ZR 398/02 – in NJW 2003, 2086) aufgestellten Voraussetzungen seien erfüllt. Nach Ansicht des LG Berlin lagen keine Anhaltspunkte vor, auf Grund derer die vorzunehmende Reparatur nur von einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt werden könnte. Das „Porsche-Urteil“ enthalte zudem keine Beschränkung auf eine Verweisung auf eine andere Markenwerkstatt.

Aus den Gründen:

(…) der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, muss sich auf diese verweisen lassen (BGHZ 155, 1 ff). (…) Bei einer Entfernung von ca. 3 Kilometern zwischen dem Wohnsitz des Klägers und der konkret benannten Fachwerkstatt (…) ist diese ohne weiteres für den Kläger zugänglich. Ihre Stundenverrechnungssätze sind günstiger. (…) Auch die Gleichwertigkeit ist gegeben. (…) Eine Reparatur der hier betroffenen Fahrzeugmarke wird nach den Richtlinien der Fahrzeughersteller durchgeführt. Es werden Originalersatzteile verwendet. Die eingesetzten Fachkräfte sind Spezialisten auf dem Gebiet für Karosserie- und Lackreparaturen. Es besteht eine 3-Jahres-Garantie auf alle ausgeführten Arbeiten. (…) Es liegen keine Anhaltspunkte vor, aufgrund derer die vorzunehmende Reparatur nur von einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt werden könnte. Insbesondere enthält die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine Beschränkung auf eine Verweisung auf eine andere Markenwerkstatt. Der Begriff der „Gleichwertigkeit“ wäre überflüssig, wenn darunter nur eine andere Markenwerkstatt verstanden werden könnte.

LG Berlin, Urteil vom 21.06.2006, AZ: 58 S 75/06 (in NZV 2006, 656)

Praxisrelevanz:

Dem Geschädigten ist es unbenommen, die Reparatur seines Fahrzeuges in der Werkstatt seiner Wahl durchführen zu lassen und dann konkret auf Basis der dort tatsächlich anfallenden Stundenverrechnungssätze abzurechnen. Rechnet der Geschädigte den Schaden aber nur fiktiv, d.h. auf Basis eines Gutachtens ab und lässt eine Reparatur aber tatsächlich nicht durchführen, weil er das Geld z.B. anderweitig einsetzen möchte, wird der Streit um die Stundenverrechnungssätze relevant.

Zur Frage welche Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung gelten sollen, gibt es unterschiedlichste Amts- und Landgerichtsentscheidungen. Zum einen nehmen das LG Heidelberg (SP 2006, 248) und das LG Essen (Urteil der 15. Zivilkammer vom 09.05.2006, AZ: 15 S 56/06) wie das LG Berlin an, dass sich der Geschädigte auf eine konkrete und günstigere Möglichkeit einer technisch einwandfreien Reparatur verweisen lassen muss. Andererseits sind u.a. das LG Bochum (SP 2006, 285) und das LG Essen (Urteil der 13. Zivilkammer vom 27.05.2005, AZ: 13 S 115/05) der Ansicht, dass der Geschädigte auch bei einer fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt zu Grunde legen darf.

Beide vertretenen Ansichten berufen sich auf das „Porsche-Urteil“ des BGH. In dieser Entscheidung hatte der BGH der Praxis der Kfz-Haftpflichtversicherer die gutachterlich festgelegten Stundenverrechnungssätze von Markenwerkstätten zu kürzen und die Geschädigten auf einen abstrakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze einer Region zu verweisen, eine Absage erteilt. Allerdings stellte der BGH auch klar, dass ein Geschädigter, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Es bleibt daher abzuwarten, ob der BGH zu dieser Problematik nochmals Gelegenheit erhält, eine klarstellende Entscheidung zu treffen.

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