Hessisches Landessozialgericht – Widerspruchseinlegung mittels einfacher E-Mail wahrt nicht die Schriftform


(c) tobman / Pixelio

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Eine Entscheidung über einen Antrag in einer sozialrechtlichen Angelegenheit ergeht immer als Bescheid. Dabei kann es sich um z.B. um einen Leistungs- oder einen Ablehnungsbescheid handeln. Sofern man mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden ist, sollte Widerspruch eingelegt werden, andernfalls wird der Bescheid bestandskräftig. Information befinden sich in der Rechtsmittelbelehrung, die in dem Bescheid enthalten sein muss. Ein Widerspruch ist aber nicht nur an Fristen, sondern auch an bestimmte Formen gebunden.

Danach ist der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen. Eine E-Mail genügt dem Schriftformerfordernis nicht. Wie bei der Klageerhebung mittels E-Mail ist vielmehr die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich. Denn nur so ist sichergestellt, dass die E-Mail tatsächlich vom Widerspruchsführer stammt und von diesem wissentlich und willentlich in den Verkehr gebracht wurde. Das musste ein Leistungsempfänger erfahren, der gegen einen Kürzungsbescheid per E-Mail Widerspruch eingelegt hatte und vor dem Hessischen Landessozialgericht scheiterte.

Leitsätze:
1. An die Einlegung eines Widerspruchs sind in förmlicher Hinsicht keine höheren Anforderungen als an die Erhebung einer Klage zu stellen.

2. Auch nach der Einführung des § 65 a Sozialgerichtsgesetz -SGG- (Gesetz vom 22. März 2005, BGBl. I, S. 837 mit Wirkung ab dem 1. April 2005) kann mittels einfacher E-Mail dem Schriftformerfordernis des § 84 Abs. 1 SGG nicht entsprochen werden. Für die Behörde muss erkennbar sein, dass der Widerspruch von dem Widerspruchsführer herrührt und dieser die Widerspruchsschrift wissentlich und willentlich in Verkehr gebracht hat.

Aus den Gründen:

Einem Arbeitslosengeld II-Empfänger wurde der Anspruch gekürzt. Hiergegen legte der Antragsteller mittels einfacher E-Mail Widerspruch ein und beantragte beim Sozialgericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid anzuordnen. Der Antrag hatte sowohl vor dem Sozialgericht als auch vor dem Landessozialgericht keinen Erfolg, da der Antrag als unzulässig erachtet wurde. Der Antragsteller habe schließlich keinen formwirksamen Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid eingelegt.

Die E-Mail des Klägers, die unter dem Absender c.@f.de an die Internetadresse c.j.@w.de mit dem folgenden Text:

„Widerspruch gegen Sanktionsbescheid
Sehr geehrte Frau J.,
ich erhebe hiermit Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid.
Mit freundlichen Grüßen
A.“

abgesandt hatte, kann nicht als formgerechte und damit wirksame Widerspruchseinlegung angesehen werden.

Widersprüche müssen nach § 84 Abs.1 SGG grundsätzlich schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden. An einen Widerspruch dürfen allerdings keine höheren Anforderungen gestellt werden als nach § 92 SGG an eine Klage. Gemäß § 65 a Abs. 1 SGG können die Beteiligten dem Gericht auch elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies zugelassen ist. Nach der hessischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr ist jedoch nicht bei allen Gerichten vorgesehen, dass elektronische Dokumente eingereicht werden können. Für Dokumente, die wie der Widerspruch nach § 84 Abs. 1 SGG, einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist zudem eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes (SigG) vorzuschreiben, § 65 a Abs. 1 Satz 3 SGG. Diesen Erfordernissen entspreche die E-Mail des Antragstellers nicht.

Dies entspricht der übereinstimmend vertretenen Rechtsauffassung, dass trotz der Verfügbarkeit moderner Kommunikationsmittel und dem sich allgemein durch Bürgerfreundlichkeit und fehlende Formstrenge auszeichnenden sozialrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren für die Wirksamkeit der Widerspruchseinlegung zur Sicherung der Authentizitäts- und Sicherungsfunktion besondere Anforderungen erfüllt sein müssen. Für die Behörde muss erkennbar sein, dass der Widerspruch von dem Widerspruchsführer herrührt und dieser die Widerspruchsschrift wissentlich und willentlich in den Verkehr gebracht hat. Diese Sicherung der Authentizität ist durch eine einfache E-Mail nicht gewährleistet. Der Absender ist, wie im vorliegenden Fall, nicht ausreichend sicher identifizierbar und es besteht eine größere Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch Unbefugte.

Die Frage einer Wiedereinsetzung stellt sich ihm vorliegenden Fall nicht. Eine formgerechte Widerspruchserhebung durch den Antragsteller ist trotz Hinweis nicht erfolgt und kann auch nicht durch Auslegung ermittelt werden.

Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.07.2007, L 9 AS 161/07

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