Die Spritztour zweier Freunde mit einen Anfang der 60er Jahre gebauten Roadster MGB 67 endete mit dem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Chrysler und schlimmen Verletzungen für den Beifahrer. Dieser erlitt Gesichtsverletzungen, Hautablederungen, eine Zahnschmelzfraktur und Kniequetschungen, ist seither arbeitsunfähig und wird seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben können. Die KfZ-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners regulierte seinen Schaden jedoch nur zum Teil abzüglich einer Mithaftung von 25 Prozent, da er nicht angeschnallt gewesen sei.
Das Landgericht Köln sah ebenfalls keinen Verstoß gegen die gesetzlich normierte Anschnallpflicht gemäß der Straßenverkehrsordnung und erkannte dem Beifahrer vollen Schadenersatz zu. Die Rechtsauffassung der KfZ-Versicherung laufe darauf hinaus, dass jeder, der einen Oldtimer fahre oder mit einem Oldtimer mitfahre, der nicht mit Sicherheitsgurten nachrüstbar sei, sich in jedem Fall einen Mitverschuldenseinwand entgegenhalten lassen müsse. Die mit einem Oldtimer erreichbaren Geschwindigkeiten seien jedoch nicht so hoch wie bei einem heute im Verkehr zugelassenen adäquaten Fahrzeug. Mit derartigen Oldtimerfahrzeugen werde wegen der Technik im Wesentlichen auch langsamer gefahren als mit aktuellen Fahrzeugen. Der Kläger habe daher, als er sich zu der Fahrt mit dem Oldtimer entschloss, durchaus davon ausgehen können, dass das Gefahrenpotenzial wegen der niedrigeren Geschwindigkeiten auch deutlich geringer sein werde als bei einem modernen, schnellen und fahrwerktechnisch für den heutigen Verkehr zugelassenen Fahrzeug.
Aus den Gründen:
Der Umstand, dass der Kläger gleichwohl in dem nicht über Sicherheitsgurte verfügenden Fahrzeug mitfuhr, begründet kein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB. Mitverschulden des Verletzten setzt zwar nicht das Bestehen einer gesetzlichen Verhaltensvorschrift voraus. Es genügt vielmehr, dass er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Das Unterlassen von Schutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit ist im Verhältnis zum Schädiger indessen nur dann vorwerfbar, wenn sich bereits ein allgemeines Bewusstsein der beteiligten Kreise dahin gebildet hat, dass jeder Einsichtige und Vernünftige sie anzuwenden pflegt (BGH NJW 1979,1366 (1367)). Ein solches Bewusstsein der beteiligten Kreise besteht nicht bei der Benutzung von Oldtimern, die für den Straßenverkehr zugelassen, aber nicht mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind. Solche Oldtimer werden regelmäßig auch ohne Sicherheitsgurte benutzt.
Dies begründet auch dann keinen Mitverschuldenseinwand gemäß § 254 BGB, wenn der Benutzer grundsätzlich weiß, dass die Benutzung eines Sicherheitsgurtes Unfallrisiken erheblich mindert, da er sich sozialadäquat verhält. Der Fall erscheint insoweit vergleichbar mit dem vom BGH durch Urteil vom 29.09.1992 entschiedenen Fall (BGHZ 119, 268 ff.), zu dem der BGH ausgeführt hat, das Nichtangurten eines Kraftfahrzeuginsassen, dessen Unfallverletzungen durch das Benutzen eines Sicherheitsgurtes vermieden oder vermindert worden wären, sei diesem nicht nach § 254 Abs. 1 BGB als Mitverschulden anzulasten, wenn für ihn – nach §§ 21 a Abs. 1, 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 b StVO – keine Gurtanlegepflicht bestanden habe bzw., wenn ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 b StVO von der Straßenverkehrsbehörde hätte erteilt werden müssen. Auch in diesem Fall war es dem Benutzer des Fahrzeugs bewusst, dass er durch Nichtanlegen eines Sicherheitsgurtes ein erhöhtes Risiko einging, ohne dass ihm dieser Umstand als Mitverschulden zur Last gelegt worden wäre.
Dazu fügt sich die Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 27.08.1998 (NZV 1999, 510 – 512), in dem dieses ausgeführt hat, den dortigen Kläger treffe kein Mitverschulden, weil er bei dem Unfall in dem Fahrzeug Baujahr 1969, welches auf den Rücksitzen noch nicht mit Sicherheitsgurten ausgestattet war und auch nicht ausgestattet sein musste, nicht angeschnallt war. Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus dem von dem Oberlandesgericht Karlsruhe durch Urteil vom 09.07.1999 (NZV 1999, 335 – 336) entschiedenen Fall, bei dem die Klägerin unfallbedingt erheblich verletzt worden war, weil sie mit einem sog. zwei-plus-zweisitzigen Coupé, welches auf der Rückbank für zwei Personen zugelassen ist und auch nur zwei Personen Platz bietet, folglich dort auch nur mit zwei Sicherheitsgurten ausgerüstet ist, als dritte Person unangeschnallt mitfuhr. Auch wenn die Klägerin in dem dortigen Fall nicht gegen Rechtsvorschriften verstieß, war für sie erkennbar, dass das Coupé von Herstellerseite lediglich für die Benutzung von vier Personen vorgesehen und ausgerüstet war. Anders liegt der Fall, wenn es sich um einen Oldtimer handelt, der zur Zeit seiner Produktion zur Benutzung ohne Sicherheitsgurte vorgesehen war und auch nachträglich nicht nachrüstungspflichtig wurde.
Ein Mitverschulden ist dem Kläger auch nicht im Hinblick auf den Umstand anzulasten, dass der Fahrer des von dem Kläger benutzten Fahrzeugs zur Unfallzeit mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr. Dies ist dem Kläger nicht anzulasten, da er keinen Einfluss auf den Fahrstil des Fahrers zur Unfallzeit hatte. Die Beklagte trägt insoweit auch nicht vor, dass der Kläger bei Fahrbeginn gewusst habe, dass der Fahrer dieses Fahrzeugs generell einen riskanten Fahrstil pflegt.
LG Köln, Urteil 08.11.2007, Az: 2 O 497/06 (Volltext unter www.justiz.nrw.de)