Eine Hamburgerin parkte ihr Auto an einem Sonntag direkt vor ihrer Haustür. Dass eine zu diesem Zeitpunkt angeblich vorhandene Halteverbotszone das Halten und Parken verbot, war ihr und ihren Beifahrern entgangen. Drei Tage später sollten dort nämlich Bauarbeiten stattfinden. Das Auto war im Weg und wurde abgeschleppt. Hierfür sollte die Hamburgerin 248,50 EUR zahlen. Sie legte Widerspruch ein, da zum Zeitpunkt des Abstellens und auch an den darauffolgenden Tagen keine Schilder aufgestellt gewesen sein sollen.
Zwar sei nach Auffassung des VG Hamburg die zuständige Behörde im Prozess um die Erstattung von Abschleppkosten nach den allgemeinen Grundsätzen für die ordnungsgemäße Ausschilderung einer befristet eingerichteten Halteverbotszone beweispflichtig. Wird jedoch das ordnungsgemäße Aufstellen der Verkehrszeichen durch ein Aufstellungsprotokoll bestätigt und steht aufgrund der Wahrnehmungen des das Abschleppen anordnenden Bediensteten die ordnungsgemäße Ausschilderung fest, sei dieser Beweis erbracht.
Der für die Abschleppkosten in Anspruch Genommene kann den Gegenbeweis antreten. Hierbei komt der Aussage von Beifahrern regelmäßig aber keine Beweiskraft zu, weil sich deren Aufmerksamkeit typischerweise nicht auf das eigentliche Verkehrsgeschehen bzw. eine Beschilderung richtet.
Aus den Gründen:
(…) Das Fahrzeug der Klägerin war verbotswidrig abgestellt. Denn das Parken auf dem Gehweg war durch die aufgestellten Zeichen 283 mit Zusatzzeichen zu § 41 StVO verboten. Die Wirksamkeit dieser als Allgemeinverfügungen zu bewertenden Verkehrszeichen hängt nicht etwa davon ab, dass die Klägerin sie subjektiv zur Kenntnis genommen hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass sie auf der Grundlage der Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 4 StVO, durch ordnungsgemäße Aufstellung im Verkehrsraum bekannt gegeben wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996, BVerwGE 102 S. 316 = NJW 1997 S. 1021 f.). Das Gericht ist davon überzeugt, dass die in Rede stehenden Halteverbotszeichen ordnungsgemäß aufgestellt worden und damit hinsichtlich ihrer Verbotswirkung wirksam waren.
Beweispflichtig ist insoweit nach allgemeinen Grundsätzen die Beklagte, welche aus der von ihr behaupteten Rechtmäßigkeit der Sicherstellung die Kostenpflicht der Klägerin ableitet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.05.2003 – 3 B 37/03 – Juris). Den ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte, was die erstmalige Aufstellung der Halteverbotszeichen angeht, durch das in der Sachakte enthaltene Aufstellungsprotokoll erbracht. Danach sind die Halteverbotszeichen am Freitag, den 19. Mai 2006, in der H. Straße … entsprechend der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung von der Firma „… Hanseatische Baustellen- und Verkehrsabsicherung“ aufgestellt worden. Das Gericht sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit des Aufstellungsprotokolls zu zweifeln. Irgendein Interesse der mit der Aufstellung beauftragten Fachfirma, insoweit falsche Angaben zu machen, ist nicht ersichtlich. Die Richtigkeit des Aufstellungsprotokolls kann auch nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass das Datum der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung falsch zitiert worden ist. Dabei handelt es sich um einen offenkundigen Schreibfehler, der nach allgemeinen Grundsätzen unschädlich ist. Dass die Halteverbotszeichen am Morgen des 24.05.2006 ordnungsgemäß standen, wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
Von ihrem trotz der aufgestellten Halteverbotsschilder geparkten Fahrzeug ging eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer aus. Verkehrsteilnehmer sind auch Teilnehmer am ruhenden Verkehr. Die Angestellten des Bauunternehmens konnten infolge des verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs der Klägerin ihre Fahrzeuge und Gerätschaften nicht in der Halteverbotszone abstellen. Dies ist, wie nicht weiter ausgeführt werden muss, als Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 SOG zu bewerten.
Die Sicherstellung des Fahrzeugs der Klägerin war auch nicht unverhältnismäßig. Bei der Aufstellung mobiler Halteverbotszeichen ergeben sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Anforderungen. Wenn auch, wie oben ausgeführt, die tatsächliche Kenntnisnahme aufgestellter Verkehrszeichen grundsätzlich keine Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist, muss für den von den Verbotsregelungen betroffenen Verkehrsteilnehmer jedenfalls die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme bestanden haben. Deshalb muss zwischen der Aufstellung der Verkehrszeichen und ihrem Inkrafttreten bzw. der Durchsetzung der sich aus ihm ergebenden Verbote und Gebote ein angemessener Zeitraum liegen, der für den betroffenen Verkehrsteilnehmer jedenfalls die Chance der Kenntnisnahme bietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996, a.a.O.). Nach gefestigter Rechtsprechung, der auch das erkennende Gericht folgt, ist es in diesem Sinne angemessen, wenn zwischen dem Aufstellen der Halteverbotszeichen und ihrem Wirksamwerden drei Tage und ein Sonn- oder Feiertag liegen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 14.07.1994, DÖV 1995 S. 783). Auch diese Voraussetzung war vorliegend erfüllt.
Allerdings ist insoweit erforderlich, dass die Verkehrszeichen nicht nur zum Zeitpunkt der Aufstellung und zum Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens, sondern während des gesamten Zeitraums der straßenverkehrsbehördlichen Genehmigung entsprechend aufgestellt waren. Auch hierfür ist die Beklagte nach den eingangs erwähnten allgemeinen Grundsätzen beweispflichtig. Doch dürfen an den Beweis keine realitätsfernen und deshalb überspannten Anforderungen gestellt werden. Es kann der Beklagten nicht etwa angesonnen werden, die korrekte Aufstellung sämtlicher von ihr genehmigter mobiler Halteverbotszeichen fortlaufend zu kontrollieren und dies lückenlos zu dokumentieren. Vielmehr ist diesbezüglich bei lebensnaher Bewertung davon auszugehen, dass Verkehrszeichen, die der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung entsprechend ordnungsgemäß aufgestellt worden sind und die zum Zeitpunkt der Anordnung der polizeilichen Maßnahme ordnungsgemäß aufgestellt waren, auch während des dazwischen liegenden überschaubaren Zeitraumes entsprechend gestanden haben. Der Beklagte kommt insofern ein Beweis des ersten Anscheins zugute. Wer sich darauf beruft, dass es sich im Einzelfall anders verhalten habe, ist hierfür beweispflichtig. Die Klägerin hat diesen Beweis nicht zu führen vermocht.
Nach Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Halteverbotszeichen am Sonntag, den 21. Mai 2006, und an den folgenden Tagen nicht auf dem Gehweg in der H. Straße … aufgestellt waren.
Allerdings haben die von der Klägerin benannten Zeugen im Ergebnis die Behauptung der Klägerin bezogen auf den Zeitpunkt des Parkens am 21. Mai bestätigt. Das Gericht vermag den Zeugenaussagen jedoch nicht zu entnehmen, dass die Verkehrszeichen am 21. Mai 2006 nicht am Ort des Parkens gestanden hätten.
Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Zeugen in ihrer damaligen Situation überhaupt hinlänglich sichere Wahrnehmungen über den Standort von Verkehrszeichen getroffen haben. Generell neigen Beifahrer dazu, das Verkehrsgeschehen und insbesondere eine etwa vorhandene Ausschilderung mit nur geringer Aufmerksamkeit zu bedenken. Diese Wahrnehmungshaltung entspricht ihrer sozialen Rolle, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie weder unmittelbaren Einfluss auf das Führen des Fahrzeugs nehmen können noch hierfür verantwortlich sind. Ihre Rezeptionshaltung entspricht regelmäßig ihrer Passivität. Hier kam hinzu, dass beide Zeugen in Urlaubsstimmung waren, als sie das Fahrzeug der Klägerin bestiegen, um sich von ihr zum Flughafen fahren zu lassen. Insofern ist eigentlich nicht zu erwarten, dass sie auf Verkehrszeichen geachtet haben, als sie das Fahrzeug der Klägerin bestiegen. Die Zeugen haben Derartiges auch nicht behauptet. Das gleiche gilt nach Auffassung des Gerichts jedoch auch für den Zeitpunkt ihrer Rückkehr. Auch dann werden sie nach aller Lebenserfahrung mehr mit der Frage befasst gewesen sein, wie es mit ihrem Urlaub weitergehen solle, nachdem sich der zunächst gefasste Plan, ein „Last Minute Angebot“ am Flughafen in Anspruch zu nehmen, zerschlagen hatte. Das Gericht begegnet den Bekundungen der Zeugen, dass sie bei der Rückkehr in die H. Straße gleichwohl gezielt auf Verkehrszeichen geachtet hätten, deshalb von vornherein mit erheblicher Skepsis. (…)
Die Anordnung der Sicherstellung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Beklagte zuvor Nachforschungen nach dem Halter hätte anstellen müssen. Ohne im Einzelfall vorhandene konkrete Hinweise sind derartige Mitteilungen nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich nicht veranlasst (vgl. nur OVG Hamburg, Urt. v. 24.08.2001, NordÖR 2001 S. 495 m.w.Nw.).
Schließlich wird die Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsanordnung auch nicht durch das Vorhandensein eines in unmittelbarer Nähe gelegenen freien und geeigneten Platzes im öffentlichen Verkehrsraum – § 14 Abs. 1 Satz 2 a.E. SOG – in Frage gestellt. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass im überschaubaren Umkreis freie Parkplätze vorhanden gewesen wären, auf die ihr Fahrzeug vorrangig hätte umgesetzt werden können. Angesichts der von der Klägerin geschilderten und dem Gericht im Übrigen bekannten Parkplatznot ist dies auch nicht ersichtlich. (…)
VG Hamburg Urteil vom 28.6.2007, 15 K 843/07 (Volltext)