Ein Lkw mit Anhänger wurde auf der Autobahn durch die Polizei kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass der Fahrer während der Fahrt Sandalen getragen hat, die vorn geschlossen, aber hinten offen waren und keinen Fersenriemen hatten. Der Fahrer hat dies auch eingeräumt, vertrat jedoch der Auffassung, dass sein Schuhwerk ordnungsgemäß gewesen sei. Das Amtsgericht hat den Fahrer wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen sonstige Pflichten des Fahrzeugführers (§ 23 Abs. 1 StVO) zu einer Geldbuße von 57,50 EUR verurteilt.
Der Fahrer des Lkw musste, da die Geldbuße unter 200 Euro lag, zunächst einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht stellen unter Hinweis darauf, dass der zugrunde liegende Sachverhalt bisher weder in der StVO noch in der Rechtsprechung behandelt worden sei.
Das Oberlandesgericht Celle hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung dorthin zurückverwiesen.
Aus den Gründen:
Die zugelassene Rechtsbeschwerde hat in der Sache – vorläufig – Erfolg. Das bloße Fahren ohne geeignetes Schuhwerk ist – jedenfalls bei einer nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII (Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Unfallverhütungsvorschrift nach § 15 Abs. 1 oder 2 SGB VII zuwiderhandelt, wonach die Unfallversicherungsträger als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften erlassen dürfen) unterfallenden Fahrt und ohne zusätzliche Herbeiführung eines von der Rechtsordnung missbilligten Erfolges – weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts mit Bußgeld sanktioniert (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 15.11.2006, NStZRR 2007, 90, in diesem Artikel weiter unten ausgeführt).
Dem Amtsgericht ist beizupflichten, dass es mit den Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers unabhängig von der Frage der Bußgeldbewehrung unvereinbar ist, ein Kraftfahrzeug ohne oder mit hierfür ungeeignetem Schuhwerk zu führen. Das Fahren ohne geeignetes Schuhwerk kann infolge einer dadurch bedingten Fehlbedienung der Pedale oder eines Abrutschens von den Pedalen mit erheblichen Risiken verbunden sein. Wird dadurch ein von der Rechtsordnung missbilligter Erfolg herbeigeführt, insbesondere ein Dritter geschädigt, gefährdet oder auch nur belästigt i. S. von § 1 Abs. 2 StVO, kann der Fahrzeugführer auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich für einen dadurch verursachten Schaden verantwortlich sein. Ein solcher Erfolg ist nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht eingetreten.
§ 23 Abs. 1 Satz 2 StVO verbietet das Fahren ohne geeignetes Schuhwerk nicht. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO muss der Führer des Fahrzeuges dafür sorgen, dass die Besetzung vorschriftsmäßig ist und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Besetzung nicht leidet. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Fahrer zur Besetzung des Fahrzeugs zählt. Dies ist indessen nicht der Fall. Mit der Besetzung des Fahrzeugs sind nur die Personen gemeint, die sich neben dem Fahrer noch im Fahrzeug befinden. Dies ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, zum anderen aus § 31 Abs. 2 StVZO, der für den Fahrzeughalter zwischen seiner Verantwortung für die Eignung des Fahrzeugführers einerseits und die Besetzung andererseits differenziert.
Auch eine ausdehnende Auslegung des § 23 StVO im Hinblick auf die Einbeziehung des Fahrers in die „Besetzung“ des Fahrzeugs kommt nicht in Betracht. Zwar ist § 23 StVO ein Auffangtatbestand für anderweitig nicht normierte Pflichten eines Fahrzeugführers. Angesichts der Differenzierung im Wortlaut von § 31 Abs. 2 StVZO widerspricht eine solche Auslegung aber der eindeutigen Systematik der Verordnungen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es über § 209 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 SGB VII i. V. m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ eine bußgeldbewehrte Pflicht gibt, beim Führen bestimmter Fahrzeuge ordnungsgemäße Kleidung zu tragen. Insoweit kann es auch auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruhen, im Straßenverkehrsrecht anders als im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anordnungen hinsichtlich des von einem Fahrzeugführer zu tragenden Schuhwerkes zu treffen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, da im angefochtenen Urteil keine abschließenden Feststellungen dahingehend enthalten sind, ob die Fahrt des Betroffenen im Rahmen seiner Berufsausübung erfolgt ist. Dies liegt zwar nahe, lässt sich jedoch aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
OLG Celle, Beschluss vom 13.03.2007, Az: 322 Ss 46/07 (Volltext)
Ebenso entschied das OLG Bamberg mit Beschluss vom 15.11.2006, Az: 2 Ss OWi 577/06.
Dort fuhr ein Lkw-Fahrer mit Socken. Das Amtsgerichts Bayreuth verurteilte ihn ebenfalls wegen einer vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1, 49 StVZO i.V.m. § 24 StVG zu einer Geldbuße von 50 Euro. Das Amtsgericht vertrat die zutreffende Auffassung, dass zum sicheren Führen eines Fahrzeugs, insbesondere eines Lkw mit Anhänger, ein Betroffener jederzeit mit den vorhandenen Pedalen entsprechend reagieren können muss, ohne dass die Gefahr des Abrutschens besteht. Dies ist nur gewährleistet bei festem Schuhwerk. Beim bloßen Tragen von Socken, insbesondere dann, wenn ein Betroffener noch an den Folgen einer Verletzung leidet, ist nicht geeignet, eine sichere Bedienung der Pedale zu gewährleisten, vgl. auch § 44 Abs. 2 UVV ‚Fahrzeuge’“.
Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob das OLG Bamberg das Urteil allerdings auf und verwies die Sache zurück an das Amtsgericht, da das bloße Fahren ohne geeignetes Schuhwerk – jedenfalls bei einer nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII unterfallenden Fahrt – weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO (das Amtsgericht führt fälschlicherweise §§ 23, 49 StVZO an) noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts mit Bußgeld sanktioniert ist.
Auch eine Verurteilung nach §§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ (BGV D29) kam nach Auffassung des OLG Bamberg nicht in Betracht. Zwar heißt es in § 44 Abs. 2 BGV D29: „Der Fahrzeugführer muss zum sicheren Führen des Fahrzeugs den Fuß umschließendes Schuhwerk tragen.“ Als Unfallverhütungsvorschrift kann § 44 Abs. 2 BGV D29 aber nur im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses nach dem SGB VII Geltung beanspruchen. Dementsprechend richtet sich der Bußgeldtatbestand des § 58 BGV D29 im hier maßgeblichen Regelungsbereich über die Verweisung auf § 32 BGV D29 nur an Unternehmer und Versicherte als Normadressaten. Das angefochtene Urteil enthält jedoch keine ausreichenden Feststellungen dafür, dass der Betroffene die Fahrt als Unternehmer oder Versicherter im Sinne des § 32 BGV D29 durchgeführt hat. Das Führen eines Lkw mit Anhänger ist auch im rein privaten Bereich möglich.
OLG Bamberg mit Beschluss vom 15.11.2006, Az: 2 Ss OWi 577/06 (veröffentlicht in VRR 2007, 111), Volltext der Entscheidung auf www.barfusspark.info
Bei Bestehen eines Versicherungsverhältnisses nach dem SGB VII (gesetzlicher Unfallversicherungsschutz) gilt, dass der Fahrzeugführer gem. § 44 Abs. 2 BGV Unfallverhütungsvorschriften Fahrzeuge BGV D29 „zum sicheren Führen des Fahrzeuges den Fuß umschließendes Schuhwerk“ zu tragen hat. Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß ist über § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Verstoß gegen die als autonomes Recht erlassenen Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherungsträger über das Verhalten der Versicherten „zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren“ gem. § 58 Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29 bußgeldbewehrt, wobei gem. § 209 Abs. 3 SGB VII eine Geldbuße bis zu 10.000 EUR in Betracht kommen kann. Ein Volltext der Unfallverhütungsvorschriften Fahrzeuge BGV D29 findet sich unter www.praevention.de
Voraussetzung für eine Verurteilung des Betroffenen nach diesen Feststellungen ist aber immer die Feststellung, dass der Betroffene die Fahrt als „Unternehmer“ oder „Versicherter“ (§ 32 BGV Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29) durchgeführt hat. Soweit der Betroffene also schweigt, wird der Zweck seiner Fahrt nicht feststellbar sein.
Wer ein (auch dienstlich oder geschäftlich genutzten) Privatfahrzeug (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 12 Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ BGV D29) führt, kann sich im Übrigen uneingeschränkt auf die Regelungslücke berufen. Man kann also auch mit Flip-Flops Auto fahren. Ungeachtet dessen raten wir an, beim Führen jeglicher Fahrzeugarten geeignetes Schuhwerk zu tragen. Es ist sicherer.