Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er Drogen konsumiert hat, handelt nach § 24a StVG ordnungswidrig, ist der Fahrzeugführer infolge der Beeinflussung von Drogen nicht in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen, macht sich gem. § 316 StGB sogar strafbar.
Das OLG hielt die Feststellung zum subjektiven Tatbestand für nicht ausreichend. Bei einer Fahrt unter Drogeneinfluss müssen sich Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht lediglich auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkung des Rauschgiftes zum Tatzeitpunkt beziehen. An der Erkennbarkeit der Wirkung der Rauschmittel könne es fehlen, wenn seit dem Konsum 23 Stunden vergangen sind. Das Amtsgericht hätte feststellen müssen, aus welchem Grund der Fahrer nach dieser Zeit noch mit einer Beeinflussung hätte rechnen müssen.
Aus den Gründen:
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht das Vorliegen einer Straftat nach § 316 I, III StGB aus tatsächlichen Gründen verneint und gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Führens eines Pkw unter der Wirkung von Cannabis (§ 24a II StVG) eine Geldbuße von 400 € und ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge – zumindest vorläufig – Erfolg hat, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.
Zwar begegnet der Schuldspruch zum objektiven Tatbestand keinen Bedenken. Unter Wirkung des Rauschmittels wird ein Kraftfahrzeug bereits dann geführt, wenn – wie hier festgestellt – die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführte Substanz im Blut des Angeklagten nachgewiesen worden ist, ohne dass die Fahrsicherheit konkret beeinträchtigt gewesen sein muss (OLG Frankfurt [2. Strafsenat], Beschl. v. 22.5.2006 – 2 Ss-OWi 191/06; BayObLG, NZV 2004, 267; OLG Saarbrücken VRS 102, 120; OLG Köln, NStZ-RR 2005, 385). Zwar kann nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.12.2004 (NZV 2005, 270) eine Wirkung i.S. des § 24a II 1 StVG nur angenommen werden, wenn die betreffende Substanz auch in einer Konzentration nachgewiesen wird, welche die Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in § 24a II 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt. Dies ist indes bereits dann der Fall, wenn zumindest der in der Empfehlung der Grenzwertkommission vom 20.11.2002 (abgedr. BA 2005, 160, vgl. auch Bönke, NZV 2005, 272, 273) empfohlene Nachweisgrenzwert erreicht ist. Dieser beträgt bei THC 1,0 ng/ml. Vorliegend hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei einen Entnahme- und Tatzeit-THC-Wert von 2,2 ng/ml festgestellt.
Hingegen sind die Feststellung zum subjektiven Tatbestand nicht ausreichend. Zur vorsätzlichen Begehungsweise ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Erfolg zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird. Fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt und nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) oder die Möglichkeit zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit.) Die Feststellungen des Amtsgerichts füllen weder die Voraussetzungen des vorsätzlichen, noch – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht – des (unbewusst) fahrlässigen Handelns aus, so dass auch eine eigene Entscheidung des Senats – Änderung des Schuldspruchs auf eine fahrlässige Begehensweise – ausscheidet. Vielmehr muss das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen werden.
Zwar ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Angeklagte vor Fahrtantritt bewusst Haschisch konsumiert hat und – auf Grund langjährigen Drogenkonsums – auch allgemein von dessen berauschender Wirkung wusste. Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich indes auch und gerade auf das Fahren unter Wirkung des Rauschmittels erstrecken (OLG Hamm, NStZ 2005, 710; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 309; Beschl. v. 16.3.2007 – Ss (B) 5/2007 – Juris). Hierzu muss das Bewusstsein des Angeklagten allerdings keine spürbare Wirkung oder gar eine Beeinträchtigung der Fahruntüchtigkeit umfassen (vgl. KG, NZV 2003, 250, 251). Auch muss der Angeklagte nicht zu einer exakten physiologischen und biochemischen Einordnung der Wirkweise der Droge in der Lage sein. Vielmehr muss er als Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung stellen (vgl. OLG Zweibrücken, NStZ 2002, 95).
Für möglich hält ein Kraftfahrer das Fahren unter Wirkung des Rauschgift jedoch nur, wenn er sich vorstellt, dass der Rauschmittelwirkstoff nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert (hier: 1,0 ng/ml THC) abgebaut ist. Fahrlässig handelt er, wenn er in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der genannte Abbau noch nicht vollständig erfolgt ist, obwohl ihm das erkennbar ist (OLG Saarbrücken aaO; ähnlich OLG Hamm aaO). Bereits an der Erkennbarkeit der – so bestimmten – Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt kann es aber ausnahmsweise fehlen, wenn zwischen Konsum der Droge und der Fahrt längere Zeit vergeht (OLG Hamm; OLG Saarbrücken –jew. aaO; OLG Bremen, NZV 2006, 276), so dass nicht nur ein vorsätzliches Handeln ausscheidet, sondern selbst der Vorwurf der (unbewussten) Fahrlässigkeit nicht erhoben werden kann. In diesem Ausnahmefall muss der Tatrichter deshalb nähere Ausführung dazu machen, auf Grund welcher Umstände sich der Angeklagte hätte bewusst machen können, dass der Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen hätte haben können. Letztgenannter Darlegungslast genügt das angefochtene Urteil nicht.
Das Amtsgericht stellt einerseits fest, „dem Angeklagten (sei) bewusst gewesen, dass er nur Stunden vor Fahrtantritt (20.40 Uhr) Cannabis konsumiert habe“. Andererseits führt es im Rahmen der Widerlegung der Einlassung des Angeklagten aus, der Sachverständige, dem das Gericht folgt, habe ausgeführt, dass die Zeitspanne zwischen Blutentnahme (21.47 Uhr) und letztem Konsum „höchstens 24 Stunden“ betragen haben könne. Das kann dahin verstanden werden, dass mit der Wendung „nur Stunden vor Fahrtantritt“ sei Haschisch konsumiert worden, die knapp 23 Stunden gemeint sind, die nach den Ausführungen des Sachverständigen längstens in Betracht kamen. Jedenfalls sind die Feststellungen nach dem Zweifelssatz so auszulegen.
Zwar lagen demnach zwischen Fahrtantritt und letzter Rauschgifteinnahme nicht mehrere Tage (wie im Falle des OLG Hamm aaO), sondern lediglich knapp ein Tag. Mit Blick auf die festgestellte nur etwas mehr als 2- fache Überschreitung des analytischen Grenzwertwertes kann jedoch – anders als im Falle des OLG Bremen (aaO), in welchem zwischen dem Cannabiskonsum und dem Fahrtantritt „weniger als ein Tag lag“, aber der 44-fache THC-Wert erreicht wurde, und entsprechend der Entscheidung des OLG Saarbrücken (aaO), in welcher der Tatrichter von einem THC-Wert von 0,2 ng/ml und 28 Stunden zwischen Genuss und Fahrantritt ausging – ohne weitere Feststellungen nicht ohne weiteres von der Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgegangen werden. Solche fehlen jedoch. Das Amtsgericht wird deshalb mit Hilfe des Sachverständigen zu klären haben, ob sich weitere Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt feststellen lassen. Namentlich bietet sich an zu überprüfen, ob mit Blick auf die festgestellten Hydroxy-THC- und THC-Corbonsäurewerte eine zeitnähere als die bisher nach dem Zweifelssatz sich ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt (vgl. hierzu OLG Hamm und OLG Bremen –jew. aaO).
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.04.2007, Az: 3 Ss 35/07
Quelle: Justiz Hessen, Mitteilung vom 11.06.2007