Jeden Tag steht ein Dummer auf oder wie ich mal ein falscher Anwalt war


Nachdem ich mich letztens bereits als Verkehrsrowdy geoutet habe, setze ich meine Lebensbeichte mal fort, da mir die Akte gerade zur Ablage in die Hände fiel. Ich war auch schon mal Beschuldigter in einem Strafverfahren! Und da in den Blogs von Kollegen gerade Sprichwörter auf ihren Gehalt überprüft werden, steuere ich auch noch eines bei. „Jeden Tag steht ein Dummer auf, man muss ihn nur finden.“ Bei mir waren gleich mehrere aufgestanden.

Es begab sich, dass ein eBay-Händler unsere Kanzlei mit Inkassomandaten beauftragte. Wir mahnten also quer durch die Republik säumige Besteller diverser Waren an, wobei wir mangels anderweitiger Informationen immer davon ausgingen, dass die von eBay mitgeteilten Account-Inhaber auch tatsächlich die Besteller waren. Die Erfahrung lehrte uns, dass Datensicherheit was für Weicheier ist und so ein eBay-Account gern auch mal von minderjährigen Kindern oder Freunden mitbenutzt wird, womit sich der Vertragsschluss manchmal als schwierig nachweisbar gestaltete. Diese Fälle wurden dann aussortiert und gut.

Der Vater eines minderjährigen Bestellers war über unser Mahnschreiben allerdings so erbost, dass er sich beschweren wollte und zwar telefonisch. Da er offensichtlich Frühaufsteher war, versuchte er dies zu einer völlig unchristlichen Zeit, so dass unsere Kanzlei noch nicht besetzt war und er nur mit dem Anrufbeantworter hätte sprechen können. Wollte er aber nicht, stattdessen begab er sich in seinem Kaff sofort zur nächsten Polizeidienststelle und erstattete Anzeige gegen mich als Unterzeichner des Mahnschreibens wegen Betruges. Da sich auf seinen Anruf niemand gemeldet habe, ging er davon aus, dass ich gar kein Anwalt sei.

Der bearbeitende Polizist war sehr aufgeregt ob seines wohl größten Falls. Ein falscher Anwalt, noch dazu aus Berlin! Er griff zum Telefonhörer, rief in unserer inzwischen besetzten Kanzlei an und verlangte in barschen Ton mich zu sprechen. Ich fragte freundlich nach seinem Anliegen und als er mir dieses mit wirren Worten versuchte zu schildern, verstand ich erst einmal nur Bahnhof und bat darum mir das doch bitte schriftlich mitzuteilen und dass ich jetzt als „offiziell“ Beschuldigter das mache, was ich meinen Mandanten auch immer rate, nämlich schweigen.

Dies ignorierend verlangte der Beamte von mir den Nachweis, dass ich Anwalt sei, woraufhin ich ihm nahelegte, dies doch bei meiner Kammer nachzufragen. Da brächte er dann mal die Telefonnummer. Ich teilte ihm mit, dass er sich die bitte selbst raussuchen möge, ich sei schließlich nicht die Auskunft und legte auf. Dies führte zu einem entsprechenden Vermerk in der Akte, wonach zweifelhaft ist, dass ich tatsächlich Anwalt sei, schließlich wüsste ich noch nicht einmal die Nummer meiner Kammer.

Die Akte wanderte also nach Berlin und wurde dort von der nächsten Ermittlerkoryphäe bearbeitet. Anstatt nun bei der Kammer nachzufragen und die Akte danach zuzumachen, ordnete der Beamte erst einmal eine Anschlussüberprüfung an, die – oh Wunder – ergab, dass der Telefonanschluss unserer Kanzlei auch zu unserer Kanzlei gehörte. Danach schickte er einem Beamten mit Streifenwagen los, der sich allen Ernstes – so in der Akte dokumentiert – zwei Tage gegenüber unserer Kanzlei postierte und beobachtete, was wir hier so treiben. Bemerkenswert fand der Abkommandierte, dass wir ein Kanzleischild haben. Ungewöhnlich für falsche Anwälte.

Ob dieser komplizierten Ermittlungsarbeit erschöpft, ging der Beamte danach erst einmal in seinen wohlverdienten Urlaub. Seine Urlaubsvertretung bekam die Akte in die Hände, fragte bei der Kammer  in Berlin schriftlich nach und erhielt nur wenige Tage später die Bestätigung, dass ich tatsächlich als Anwalt zugelassen bin.

Ob sie wegen dieser eigenmächtigen Ermittlung Ärger bekommen hat, weiß ich nicht. Ich freute mich über die Einstellungsmitteilung und die so sinnvoll ausgegebenen Steuergelder und packte meine Zahnbürste, die ich in Erwartung der wohl als nächstes anstehenden U-Haft schon bereit gelegt hatte, wieder aus.

, , ,