Die Ampel war schön etwas länger rot, als der Betroffene noch fuhr. Dummerweise fuhr im Querverkehr ein Polizeifahrzeug, welches stark abbremsen musste. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Betroffenen daraufhin zu einer Geldbuße von 230 Euro und verhängte ein Fahrverbot von drei Monaten. Die Erhöhung der Geldbuße gegenüber dem alten Regelsatz des Bußgeldkataloges von 125 Euro begründete das Amtsgericht mit der „überaus langen Rotlichtdauer“. Das Kammergericht korrigierte auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin lediglich die Höhe des Bußgeldes und setzte eine Geldbuße von 125 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat fest, da ein ohnehin qualifizierter Rotlichtverstoß durch die Dauer des Rotlichtes nicht zu einen noch qualifizierten werde.
Aus den Gründen:
Nach den Urteilsfeststellungen liegt ein fahrlässig begangener so genannter qualifizierter Rotlichtverstoß durch Missachtung des Rotlichts bei schon länger als eine Sekunde dauernder Rotlichtphase eines Wechsellichtzeichens im Zeitpunkt des Überquerens der Haltelinie vor. Die hierfür vom Bußgeldkatalog unter Nr. 132.2 in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung vorgesehene Regelbuße von 125 Euro ist gegenüber so genannten einfachen Rotlichtverstößen erhöht, bei denen ein Rotlicht bei kürzerer Dauer der Rotlichtphase missachtet wird (Nr. 132 BKat). Mithin ist bei Verhängung der Regelbuße für einen qualifizierten Rotlichtverstoß bereits die erhöhte abstrakte Gefahr durch die lange Dauer der Rotlichtphase berücksichtigt. Für eine weitere Erhöhung wegen einer besonders langen Dauer der Rotlichtphase ist daneben kein Raum mehr. Denn die Erhöhung der Geldbuße im Falle des Vorliegens eines qualifizierten Rotlichtverstoßes hat ihre Ursache darin, dass bei länger als eine Sekunde anhaltender Rotlichtphase sich bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Fahrbereich befinden kann (Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2002 – 3 Ws (B) 364/02 m.w.N.). Im Falle einer – wie vom Amtsgericht angenommen – bereits sieben Sekunden anhaltenden Rotlichtphase ist keine darüber hinaus gehende abstrakte Gefahr ersichtlich, die eine weitere Erhöhung der Geldbuße rechtfertigen könnte. Wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot erfasst der Rechtsfehler bei der Festsetzung der Geldbuße den gesamten Rechtsfolgenausspruch und damit auch das Fahrverbot.
Es ist jedoch nicht erforderlich, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst entscheiden kann.
Maßgebend bei der Bestimmung der Rechtsfolgen ist der Bußgeldkatalog in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung, da sich dessen Bestimmungen gegenüber der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung als milder erweisen (§ 4 Abs. 3 OWiG).
Der Betroffene hat ein rotes Dauerlichtzeichen bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase eines Wechsellichtzeichens missachtet, wobei die Tat fahrlässig begangen worden ist. Es erschien daher die Verhängung der im Bußgeldkatalog unter Nr. 132.2 a.F. vorgesehenen Regelbuße von 125 Euro als angemessen, da keine Tatsachen vorliegen, die deren Erhöhung oder Absenkung gebieten. Der Umstand, dass es ausweislich der Urteilsfeststellungen zu einem Zusammenstoß des von der Zeugin … gesteuerten Polizeifahrzeuges mit dem Fahrzeug des Betroffenen gekommen wäre, wenn die Zeugin nicht gebremst hätte, rechtfertigt keine Erhöhung der Geldbuße. Denn nach der Systematik des Bußgeldkataloges kommt eine Erhöhung der für einen qualifizierten Rotlichtverstoß verhängten Geldbuße nur im Fall des Vorliegens einer Sachbeschädigung oder einer konkreten Gefährdung in Betracht (Nr. 132.2.1 BKat a.F.). Eine Sachbeschädigung liegt nicht vor, und eine konkrete Gefahr ist nur dann gegeben, wenn der Täter eine Lage herbeiführt, die auf einen unmittelbar bevorstehenden Unfall hindeutet. Dabei muss die Sicherheit eines bestimmten Rechtsgutes so stark beeinträchtigt sein, dass es vom Zufall abhängt, ob es verletzt wird oder nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Januar 1999 – 3 Ws (B) 654/98, juris; OLG Köln DAR 1996, 507). Derartiges lässt sich den Urteilsfeststellungen jedoch nicht entnehmen. Denn die Zeugin ist danach langsam angefahren und konnte das Polizeifahrzeug problemlos bremsen, ohne dass es zu einer kritischen Annäherung beider Fahrzeuge gekommen wäre.
Ferner war auch das unter Nr. 132.2 BKat vorgesehene Regelfahrverbot von einem Monat anzuordnen. Die Urteilsfeststellungen bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass der mit dem Fahrverbot bezweckte Warneffekt durch eine bloße Erhöhung der Geldbuße erreicht werden könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das einmonatige Fahrverbot für den Betroffenen eine besondere Härte darstellt.
Die Bestimmung, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft des Urteils, war bereits aufgrund des Verschlechterungsverbotes (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 358 Abs. 2 StPO) aufrecht zu erhalten. Überdies liegen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2a StVG aber auch vor, da in den zwei Jahren vor Begehung der Ordnungswidrigkeit kein Fahrverbot verhängt worden ist. (…)
KG, Beschluss vom 13.01.2010, Az: 2 Ss 267/09 – 3 Ws (B) 714/09 (Volltext)
Praxisrelevanz:
Entscheidend bei einem Rotlichtverstoß ist die Dauer der Rotlichtphase. Wird die Haltelinie oder wenn eine solche nicht vorhanden ist, der geschützte Kreuzungsbereich passiert, nachdem bereits seit mehr als einer Sekunde die Rotlichtphase begonnen hat, liegt ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß vor, der als besonders gefährlich auch entsprechend streng geahndet wird. Nach dem seit 01.09.2009 geltenden Bußgeldkatalog beträgt die Regelgeldbuße bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß 200 Euro, es werden 4 Punkte in Flensburg eingetragen und es gibt ein Fahrverbot von einem Monat. Kommt es zu einer Gefährdung bzw. zu einem Unfall beträgt die Regelgeldbuße 320 bzw. 360 Euro.