Die Geschichte beginnt harmlos, mit einem Kartenspiel zwischen vier Insassen der JVA Siegburg. Wer eine Karte falsch rät, bekommt einen Schlag auf die Finger. Als das zu langweilig wird, wickelt man ein Stück Seife in ein Handtuch und schlägt damit zu. Einer muss besonders viele Schläge einstecken – Hermann H. Die Gewalt eskaliert. Nach Prügel folgt die Vergewaltigung mit dem Stiel eines Handfegers. „Komm, lass uns den weghängen“, soll dann einer der anderen gesagt haben. Viermal versuchte man mit den Elektrokabeln aller in der Zelle verfügbarer Geräte, Hermann H. aufzuhängen, immer wieder rissen die Kabel. Schließlich schnitt man ein Bettlaken in Streifen, und damit klappte es endlich. Hermann H. war tot. Der Versuch, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen, scheiterte.
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die drei Angeklagten gemeinsam mit dem späteren Tatopfer in einer Zelle der JVA Siegburg inhaftiert. Am 11. November 2006 beschlossen die Angeklagten, einer Idee des Angeklagten I. folgend, den Geschädigten zu misshandeln. Dieser war den Angeklagten unterlegen und leistete ihnen aus Angst keinen Widerstand. Während des gesamten Tages quälten und erniedrigten die Angeklagten ihr Tatopfer und brachten ihm erhebliche Verletzungen bei. Im weiteren Verlauf beschlossen die Angeklagten schließlich, ihren Mitgefangenen zu töten. Sie erhängten ihn in der Tür zum Toilettenraum. Am darauf folgenden Morgen meldeten sie den Tod des Opfers und gaben vor, dieser habe sich das Leben genommen.
Das Landgericht hat auf den Angeklagten Pascal I. als Heranwachsenden Erwachsenenstrafrecht angewendet, aber von der Anordnung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 106 Abs. 1 JGG abgesehen. Ob darüber hinaus ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 106 Abs. 3 JGG anzuordnen war, hat die Jugendkammer nicht ausdrücklich geprüft.
Die Staatsanwaltschaft strebte eine höhere Verurteilung an und legte zu Ungunsten des Angeklagten I. Revision ein. Der 2. Senat des BGH hob das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf, soweit das Landgericht eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht verhängt und den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nicht angeordnet hat, und verwies die Sache an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurück.
Nach Ansicht des Senats sind die vom Landgericht für das Absehen von der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe herangezogenen Gründe nicht hinreichend tragfähig. Es handele sich um bloße Hoffnungen auf eine Resozialisierung des Angeklagten, die durch Tatsachen nicht belegt seien. So sei z.B. die vom Landgericht festgestellte Anmeldung zu einem Anti-Aggressions-Training bereits vor der Tat erfolgt, so dass dieser Umstand nicht geeignet ist, auf ein nunmehr vorhandenes Problembewusstsein des Angeklagten zu schließen. Darüber hinaus hat es das Landgericht auch zu Unrecht unterlassen, einen Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zu prüfen. Die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Satz 2 und 3 JGG liegen hier vor. Der Angeklagte ist wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Vorverurteilungen sind nicht erforderlich. Auch § 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 JGG begründet ein solches Erfordernis nicht. Die Regelung stellt nur für den Fall, dass es nach den allgemeinen Vorschriften auf solche Vorverurteilungen ankommt, besondere Anforderungen an diese. Daher ist die vorbehaltene Sicherungsverwahrung auch bei erstmals verurteilten heranwachsenden Mehrfachtätern anwendbar.
BGH, Urteil vom 13.8.2008, Az: 2 StR 240/08
Vorinstanz: Landgericht Bonn, Urteil vom 4. Oktober 2007, Az. 8 KLs 16/07
Der § 106 des Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht die Möglichkeit der Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende vor. Die Anordnung einer anschließenden Sicherungsverwahrung kann vorbehalten werden.
Quellen:
Mitteilung der Pressestelle beim BGH Nr. 154/2008 vom 13.08.2008
Stern.de, Leben und Sterben des Hermann H. (Heft 48/2006)
WDR.de, Übersicht der Beiträge zum Prozess
Presseerklärung der StA Bonn zum Ermittlungsverfahren