Unser Mandant hatte seinen Pkw am Fahrbahnrand quer zur Fahrbahn geparkt. Der Beklagte stellte seine Suzuki davor parallel zur Fahrbahn am Gehwegrand auf dem Seitenständer ab. Am nächsten Vormittag lag das Motorrad umgestürzt auf der Motorhaube des Pkw. Ob das Motorrad von allein umgestürzt ist oder durch unbekannte Dritte umgestoßen worden war, blieb ungeklärt. Den am Pkw entstandenen Schaden von knapp 1.300 Euro verlangte unser Mandant ersetzt.
Die Haftpflichtversicherung des Motorradfahrers weigerte sich zu zahlen, da das Motorrad parkte und sich damit nicht im Betrieb befunden habe. Das Amtsgericht Berlin-Mitte gab unserem Mandanten recht und verurteilte die Versicherung zur Zahlung.
Aus den Gründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten befand sich das abgestellte Motorrad noch im Betrieb gem. § 7 Abs. 1 StVG. Der Betrieb dauert an, solange ein Kraftfahrzeug im Verkehr verbleibt und die dadurch geschaffene Betriebgefahr fortbesteht. Parkende Fahrzeuge sind im Betrieb, solange sie den Verkehr irgendwie beeinflussen können. Auch wenn im vorliegenden fall zwischen dem Abstellen des Motorrades und seinem Umkippen unter Umständen ein größerer Zeitraum lag, stand das Geschehen im Zusammenhang mit der Betriebsgefahr des Motorrades. Gerade durch die betriebsspezifische Art und Weise der Aufstellung des Motorrades auf dem Seitenständer ist das Risiko einer Standortveränderung infolge Umkippens während des Parkens aufgrund eines unebenen Bodens, aufgrund unbeabsichtigter Berührung des Fahrzeuges durch einen Passanten oder auch durch mutwilliges Umstoßen besonders groß (vgl. Landgericht Berlin 58 S 67/98). (…)
AG Mitte, Urteil vom 10.03.2006, AZ: 101 C 3369/05 – Volltext (291 kb)
Praxisrelevanz:
Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied mit Urteil vom 25.6.1996, AZ: 2 S 3823/96 (rechtskräftig), dass der Halter des Motorrades nicht ohne weiteres haftet, wenn sein ordnungsgemäß geparktes Motorrad umkippt und dabei ein daneben stehendes Fahrzeug beschädigt. Er wäre nur dann für den Fremdschaden haftbar, wenn ihn ein Verschulden treffen oder wenn das Umkippen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Betriebsgefahr des Motorrads stehen würde. Das Umkippen sei aber nicht „bei dem Betrieb“ des Motorrades passiert. Ein „Betrieb“ setze zwar nicht unbedingt das Fahren voraus, es hätte auch genügt, wenn der Schaden nach Fahrtende passiert wäre, aber noch einen Bezug zur fortwirkenden „Betriebsgefahr“ hätte, etwa weil das Motorrad an einer Stelle geparkt war, wo es noch den Verkehr beeinflusste, oder weil es so abgestellt war, dass es von selbst umkippen konnte. Beides war nach Auffassung des Gerichts auszuschließen. Vermutlich war die Maschine durch Einwirkung von außen umgefallen, das unterfalle nicht mehr der Betriebsgefahr.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte in einem anderen Fall, bei dem ebenfalls ein Motorrad umgekippt war und ein parkendes Auto beschädigt hatte, die Betriebsgefahr bejaht und den Motorradfahrer zum Schadensersatz verurteilt (Az. 2 S 1708/90). Im Unterschied zu dem oben stehenden Fall stand das Motorrad allerdings nicht auf festem Untergrund, sondern auf einer bereits aufgeweichten Teerdecke. Infolge der sommerlichen Hitze gab der Teerbelag immer mehr nach, bis schließlich das Motorrad ohne Fremdeinwirkung umstürzte.
Für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt eines Verkehrsunfalls ,,in Betrieb“ war, stellt die überwiegende Rechtsprechung zutreffend nicht darauf ab, ob es sich in Bewegung befand oder der Motor lief. Maßgeblich ist vielmehr, ob es sich im öffentlichen Straßenverkehr befindet und dadurch eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellt (BGHZ 29, 163, 166). Ein Verkehrsunfall wird ,,bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges verursacht, wenn er in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang des Kraftfahrzeuges steht (OLG Düsseldorf VersR 1987, 568; OLG Köln VersR 1987, 707, 708). Wenn das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt wird, wirkt die Betriebsgefahr selbstverständlich fort. Auf die Frage, ob das Motorrad auf sicherem Untergrund stand oder nicht, kommt es daher im Grunde nicht an.