Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Geschäftsführer einer GmbH wegen fahrlässigen Bankrotts in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro. Das Landgericht Berlin verwarf die Berufung des Geschäftsführers und änderte auf die gleichzeitig eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil auf eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro. Auf die vom angeklagten Geschäftsführer eingelegte Revision hob das Kammergericht die Verurteilung auf und verwies die Strafsache zurück an das Landgericht Berlin, da keine Feststellungen dazu getroffen wurden, ob der Angeklagte überhaupt fachlich oder finanziell in der Lage war, die vom Gesetz verlangten Bilanzen aufzustellen.
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils (…) belegen zwar rechtsfehlerfrei, dass die G. mbH (im Folgenden: GmbH oder Gesellschaft), deren Geschäftsführer der Angeklagte war, die Bilanzen für die Geschäftsjahre 2000, 2001 und 2002 nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres (…) erstellt hat (…), und dass sich die GmbH zu den Zeitpunkten, in denen die Bilanzen spätestens zu erstellen waren, in einer wirtschaftlichen Krise befand, da der Gesellschaft bereits ab dem Jahr 2000 zumindest Zahlungsunfähigkeit drohte und Letztere spätestens mit dem Betreiben der Zwangsversteigerung des der Gesellschaft gehörenden Grundstücks (…) eintrat (…).
Die Feststellungen belegen aber nicht rechtsfehlerfrei, dass der Gesellschaft die rechtzeitige Erfüllung ihrer Bilanzierungspflichten auch möglich gewesen wäre. § 283 Abs. 1 Nr. 7 b StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt; eine Strafbarkeit entfällt daher, wenn der Täter aus fachlichen oder finanziellen Gründen zur Erstellung einer Bilanz nicht in der Lage war (vgl. BGH NStZ 2003, 546, 548; KG, wistra 2002, 313 bei juris; jeweils m.w.N.). Denn die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit des rechtzeitigen Handelns lässt bei Unterlassungsdelikten die Tatbestandsmäßigkeit entfallen (vgl. KG a.a.O. m.w.N.).
Zwar geht das Landgericht davon aus, dass die Bilanzen „trotz tatsächlicher und rechtlicher Möglichkeit“ verspätet bzw. gar nicht erstellt wurden (…). Die Annahme, dass die rechtzeitige Erstellung der Bilanzen tatsächlich möglich gewesen wäre, entbehrt indes einer tragfähigen Begründung. Dass der als selbstständiger Immobilienkaufmann tätige Angeklagte (…) selbst zur Erstellung der Bilanzen fachlich in der Lage gewesen wäre, weisen die Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht aus. Ihnen zufolge war die Erstellung der Bilanzen dem „langjährig beauftragten“ Steuerberater der GmbH (…) übertragen (…). Ihm übergab der Angeklagte ausweislich der Urteilsfeststellungen auch jeweils die für die Erstellung der Bilanzen erforderlichen Geschäftsunterlagen (…), unterließ es aber, bei dem Zeugen nachzufragen bzw. diesen abzumahnen, um für eine rechtzeitige Erstellung der Bilanzen Sorge zu tragen, und ggf. bei weiterer Untätigkeit (…) einen anderen Steuerberater mit der Erstellung der Bilanzen zu beauftragen (…).
In diesem Unterlassen sieht das Landgericht offenkundig die Ursache dafür, dass die Bilanzen der GmbH nicht rechtzeitig bzw. gar nicht erstellt wurden. Diese Argumentation greift indes zu kurz, da der festgestellte Sachverhalt die in dem angefochtenen Urteil nicht näher erörterte Frage aufwirft, ob die Gesellschaft in den Zeiträumen, in denen die Bilanzen zu erstellen gewesen wären, noch in der Lage war, (…) für die Erstellung der Bilanzen zu bezahlen; denn wenn die GmbH in den maßgeblichen Zeiträumen hierzu nicht mehr in der Lage gewesen sein sollte, so wäre es dem Angeklagten nicht zuzumuten gewesen, (…) durch Nachfragen und Abmahnungen zur Erstellung der Bilanzen anzuhalten oder einen anderen Steuerberater mit der Erstellung der Bilanzen zu beauftragen, da beides schuldrechtliche Pflichtverletzungen (§§ 280, 311 BGB) gewesen wären.
Anhaltspunkte dafür, dass die GmbH in den maßgeblichen Zeiträumen nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügte, die Kosten für die Erstellung der Bilanzen durch einen Steuerberater aufzubringen, ergeben sich insbesondere aus der Feststellung, dass die Gesellschaft nach Einstellung ihres Geschäftsbetriebes zum Ende des Jahres 2000 „mangels entsprechender Einnahmen“ ab Anfang 2001 (…) die Rechnungen (…) für die Steuerberatung nicht mehr beglich und der Angeklagte für einen Teil dieser Verbindlichkeiten persönlich aufkam (…), sowie daraus, dass der Angeklagte nach seinem vom Landgericht ersichtlich für glaubhaft erachteten Vorbringen ab dem Jahr 2000 auch die an die B. Bank zur Rückführung des der GmbH gewährten Darlehens (…) zu leistenden monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 10.000,00 DM teilweise aus seinem Privatvermögen leistete (…). Angesichts dieser Zahlungsschwierigkeiten der GmbH hätte das Landgericht näher prüfen müssen, ob die GmbH die Kosten für die Erstellung der Bilanzen durch einen Steuerberater in den hier maßgeblichen Zeiträumen hätte aufbringen können. (…) Dass die Bilanzen für die Geschäftsjahre 2000 und 2001 im Nachhinein doch noch erstellt wurden (…), beseitigt den Erörterungsmangel nicht, da diese Tatsache nicht belegt, dass und ggf. in welchem Umfang auch schon zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt finanzielle Mittel zur Erstellung der Bilanzen zur Verfügung standen (vgl. BGHSt 28, 231, 232; KG a.a.O.).
Ferner ist eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Bilanzierung regelmäßig auch nur dann gegeben, wenn die Bilanzierungspflicht vor Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283 Abs. 6 StGB, also vor Zahlungseinstellung oder vor Insolvenzeröffnung bzw. deren Ablehnung mangels Masse, versäumt wurde (vgl. BGH wistra 1992, 145, 146; KG, Beschluss vom 26. Februar 2001 – (5) 1 Ss 241/00 (34/00) – bei juris – m.w.N.). Dass es sich vorliegend so verhalten hat, belegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei, da sie keinen Aufschluss darüber geben, wann die GmbH ihre Zahlungen eingestellt, d.h. mit der Begleichung der Schulden, deren Erfüllung die Gläubiger ernsthaft forderten, generell aufgehört hat. Feststellungen hierzu waren deshalb erforderlich, weil es im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb zum Ende des Jahres 2000 eingestellt hatte, die Ratenzahlungen zur Rückführung des ihr von der B. Bank gewährten Darlehens nach dem Vorbringen des Angeklagten schon ab dem Jahr 2000 teilweise aus seinem Privatvermögen geleistet wurden und der Steuerberater (…) seit Anfang 2001 auch nicht mehr von der GmbH, sondern teilweise von dem Angeklagten selbst bezahlt wurde, nicht fernliegt, dass die Gesellschaft ihre Zahlungen möglicherweise bereits Anfang 2001 und somit schon einstellte, bevor die Frist für die Erstellung der Bilanz für das Geschäftsjahr 2000 endete.
Kammergericht, Beschluss vom 18. Juli 2007, AZ: (4) 1 Ss 261/06 (147/07)
Vorinstanz: Landgericht Berlin, Urteil vom 15. Februar 2006, AZ: (572) 3 Wi Js 338/04 Ns (175/05)