Landesarbeitsgericht Hamm – Kündigung eines Arbeitsverhältnisses per SMS ist unwirksam


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Wenn ein Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet werden soll, muss das Kündigungsschreiben bestimmte Formvorschriften einhalten. In § 623 BGB ist bestimmt, dass eine Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Demzufolge muss die Kündigung nach § 126 BGB vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Es ist auch nicht ausreichend, wenn die Unterschrift lediglich kopiert ist. Damit ist eine Kündigung per Fax, wie auch eine Kopie nicht schriftlich im Sinne des § 126 BGB. Fehlt Schriftlichkeit, so ist die Kündigung nach § 125 BGB wegen Formmangels nichtig. Die elektronische Form einer Kündigung ist nach § 623 BGB ausdrücklich ausgeschlossen.
Unter anderem eine Kündigung in elektronischer Form durch eine SMS lag einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm zu Grunde. Ein bei einem Transportunternehmen als Auslieferungsfahrer befristet bis Oktober beschäftigter Arbeitnehmer war im Juni arbeitsunfähig erkrankt. Nach Aufnehme seiner Tätigkeit am 20. Juni lieferte der Arbeitnehmer eine Sendung aus und erhielt von dem Kunden eine Nachnahmegebühr in Höhe von 321,90 €. Über Arbeitskollegen soll dem Arbeitnehmer eine Kündigung durch den Beklagten in Aussicht gestellt worden sein. Aus diesem Grund sandte der Arbeitnehmer eine SMS an seinen Arbeitgeber mit folgendem Wortlaut:

„Teil mir bitte unverzüglich mit wann ich meinen letzten arbeitstag habe. Ach und meine Abrechnung bitte zu meinen Händen per Post. Danke“

Der Arbeitgeber antwortete per SMS am darauffolgenden Tag:

„Bzgl. der gestrigen anfrage heute letzter Arbeitstag! Wagen und Schlüssel bei D2 lassen. Kompl. Abrechnung wird dann bis zum Wochenende erfolgen.“

An diesem Tag hatte der Arbeitnehmer eine Sendung auszuliefern, für die eine Zollgebühr von 432,16 € zu kassieren war. Der Arbeitnehmer scannte diese Sendung als „nicht zugestellt“. Aufgrund der SMS seiner Arbeitgebers ließ der Arbeitnehmer das Firmenfahrzeug am 21. Juni auf dem Parkplatz der Firma D2 stehen. Die nicht ausgelieferte Sendung soll sich in dem Fahrzeug befunden haben, die Zollgebühr habe er nicht einkassiert. Der Arbeitnehmer behauptete weiter, den am Vortag eingenommenen Betrag von 321,90 € zusammen mit der Tankkarte in einem weißen Briefumschlag auf der Armatur des Fahrzeugs deponiert zu haben.

Nachdem der Arbeitnehmer für den Juni keinen Lohn erhalten hatte, forderte er den Arbeitgeber zur Zahlung auf und bot seine Arbeitskraft an. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin mit Telefax sowie mit Brief das Arbeitsverhältnis fristlos und machte Schadensersatzansprüche wegen der angeblich nicht abgelieferten Beträge geltend. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und machte seinen Lohn für Juni bis Juli geltend. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch die gewechselten SMS durch einen Aufhebungsvertrag beendet worden sei und verlangte seinerseits u.a. die angeblich nicht abgelieferten Beträge, die der Arbeitnehmer unterschlagen haben soll. Allerdings wurde das auf die Strafanzeige des Arbeitgebers eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung eingestellt, weil sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet habe.

Durch Teilurteil vom 31.01.2007 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis keine der Kündigungen aufgelöst worden ist und den Arbeitgeber zur Lohnzahlung verurteilt. Auf die Widerklage des Arbeitgebers wurde der Arbeitnehmer verurteilt, die Nachnahmegebühr in Höhe von 321,90 € an seinen Arbeitgeber zu zahlen. Der Arbeitgeber legte Berufung ein. Ohne Erfolg, wie das LAG Hamm mit Urteil vom 17.08.2007, Az: 10 Sa 512/07, entschied.

Aus den Gründen:

Eine Eigenkündigung des Klägers durch SMS vom 20.06.2006 liegt ersichtlich nicht vor. Der Beklagte behauptet auch selbst nicht, dass der Kläger durch die SMS vom 20.06.2006 das Arbeitsverhältnis beendet habe. Das Arbeitsverhältnis ist aber auch nicht per SMS des Beklagten vom 21.06.2006 durch Kündigung oder durch Auflösungsvereinbarung wirksam beendet worden.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht insoweit festgestellt, dass es zur Wirksamkeit einer Kündigung des Beklagten vom 21.06.2006 oder einer Auflösungsvereinbarung zu diesem Zeitpunkt an der erforderlichen Schriftform des § 623 BGB fehlt. Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowohl durch Kündigung wie auch durch Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Die SMS des Beklagten vom 21.06.2006 wahrt die erforderliche Schriftform nicht. Nach § 126 BGB erfordert die Schriftform die eigenhändige Unterzeichnung der Urkunde durch den Aussteller. Hieran fehlt es bei einer SMS. Sowohl eine etwaige Kündigung des Beklagten vom 21.06.2006 wie auch eine Auflösungsvereinbarung ist damit nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. (…)

Die Berufung auf einen Formmangel kann zwar ausnahmsweise gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen. Grundsätzlich ist die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form jedoch zu beachten. Wenn die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts nicht ausgehöhlt werden sollen, kann ein Formmangel nur ausnahmsweise nach § 242 BGB als unbeachtlich angesehen werden. Dies gilt für die Formvorschrift des § 623 BGB in besonderem Maße. Die Vorschrift des § 623 BGB nimmt bewusst in Kauf, dass auch unstreitig im Ernst – aber eben nur mündlich – abgegebene Auflösungserklärungen wirkungslos sind. Dann kann aber die Berufung auf die fehlende Schriftform nicht allein mit der Begründung, die Beendigungserklärung sei ernsthaft gemeint gewesen, für treuwidrig erklärt werden (BAG, Urteil vom 16.09.2004 – AP BGB § 623 Nr. 1). Nur dann, wenn der Erklärungsgegner einen besonderen Grund hatte, auf die Gültigkeit der Erklärung trotz des Formmangels zu vertrauen und der Erklärende sich mit der Berufung auf den Formmangel zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt, kann die Berufung auf die fehlende Schriftform ausnahmsweise treuwidrig sein. Hierfür ist aber erforderlich, dass der Arbeitnehmer seiner Beendigungsabsicht mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach Ausdruck verleiht und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand schafft (BAG, Urteil vom 16.09.2004 – AP BGB § 623 Nr. 1; ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl., § 623 Rz. 26; KR/Spilger, 8. Aufl., § 623 Rz. 200 ff., 206; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 163 ff., 167 m.w.N.). Allein der Umstand, dass der Kündigungsempfänger eine formwidrig erklärte Kündigung widerspruchslos entgegennimmt, und sich erst später auf die Schriftform beruft, stellt noch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.

Unter Beachtung dieser strengen Voraussetzungen erweist sich die Berufung des Klägers auf die fehlende Schriftform nicht als treuwidrig. Die Anfrage des Klägers vom 20.06.2006 per SMS war lediglich die Reaktion darauf, dass ihm wegen seiner vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit bereits über Arbeitskollegen eine Kündigung durch den Beklagten in Aussicht gestellt worden war. Erst wenn der Kläger trotz Hinweises auf die Formnichtigkeit mehrfach auf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 21.06.2006 bestanden hätte, könnte die spätere Geltendmachung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses als treuwidrig erscheinen (vgl. bereits BAG, Urteil vom 04.12.1997 – AP BGB § 626 Nr. 141). Selbst bei beiderseitiger Unkenntnis von der Formbedürftigkeit bleibt es bei der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (BAG, Urteil vom 22.08.1979 – AP BAT § 4 Nr. 6). Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt eine etwaige Kündigung des Beklagten vom 21.06.2006 akzeptiert oder sich mit einer Auflösungsvereinbarung einverstanden erklärt. Allein der Umstand, dass er die SMS vom 21.06.2006 zunächst widerspruchslos hingenommen, das von ihm geführte Fahrzeug weisungsgemäß abgestellt und sich erst mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04.07.2006 wieder gemeldet hat, macht die Berufung auf die fehlende Schriftform nicht treuwidrig (vgl. auch: BAG, Urteil vom 19.05.1988 – AP BGB § 613 a Nr. 75).
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 06.07.2006 beendet worden. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt. Die außerordentliche Kündigung vom 06.07.2006 ist nicht nach § 626 BGB wirksam. Dem Beklagten stand kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Seite.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. (…)
Zwar ist der dem Kläger von dem Beklagten gemachte Vorwurf grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass strafbare Handlungen zu Lasten eines Arbeitgebers ebenso wie grobe Vertrauensverstöße grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 26.11.1964 – AP BG § 626 Nr. 53; BAG, Beschluss vom 10.02.1999 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, Urteil vom 12.08.1999 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; BAG, Urteil vom 27.03.2003 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 Rz. 148, 154 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen, a.a.O., Rz. 739 f.; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 275 ff.). Vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber begangene Straftaten, insbesondere Diebstähle, Unterschlagungen oder sonstige Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers, rechtfertigen regelmäßig eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Das gilt auch bei einem bloßen Versuch. Auch der bloße Versuch eines Diebstahls zu Lasten des Arbeitgebers kann grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 – DB 1986, 1338; LAG Köln, Urteil vom 22.01.1996 – AP BGB § 626 Nr. 127; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 445). Ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten strafbar gemacht hat, ist für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB ebenso wenig entscheidend, wie der Ausgang eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (BAG, Urteil vom 20.04.1977 – AP BAT § 54 Nr. 1; BAG, Urteil vom 29.01.1997 – AP BGB § 626 Nr. 131). (…)

Der Beklagte kann dem Kläger nicht vorwerfen, den am 20.06.2006 einkassierten Betrag von 321,90 € unterschlagen zu haben. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger diesen Betrag am 20.06.2006 eingenommen und den Erhalt quittiert hat. Der Beklagte hat auch behauptet, dass der Kläger diesen Betrag nicht weisungsgemäß abgeliefert hat. Hierzu hat sich der Kläger allerdings substantiiert dahin eingelassen, dass er die entgegengenommene Nachnahmegebühr von 321,90 € zusammen mit der Tankkarte in einem weißen Briefumschlag auf der Armatur des Fahrzeugs deponiert habe, als er dieses bei der D2 abgestellt und den Fahrzeugsschlüssel bei der D2 abgegeben habe. Hieraus folgt, dass der Beklagte dem Kläger hätte nachweisen müssen, dass der Betrag von 321,90 € nicht nur nicht im zurückgelassenen Fahrzeug gewesen ist, sondern dass der Kläger sich diesen Betrag rechtswidrig zugeeignet hat. Das ist nicht substantiiert dargelegt worden. Auch das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren hat insoweit den erhobenen Vorwurf nicht bestätigt. Der Umstand, dass der Kläger den Betrag von 321,90 € in dem bei der D2 abgegebenen Fahrzeug zurückgelassen hat, statt den Betrag gegen Quittung bei dem Beklagten persönlich oder einem Vertreter abzuliefern, stellt möglicherweise eine Pflichtverletzung dar, die aber ohne Abmahnung nicht zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann. Der Nachweis einer Unterschlagung dieses Betrages ist dem Beklagten nicht gelungen.
Der Beklagte kann dem Kläger auch nicht vorwerfen, am 21.06.2006 einen Betrag von 432,16 € unterschlagen zu haben. Zwar hat der Beklagte insoweit behauptet, der Kläger habe die Sendung am 21.06.2006 an den Kunden R2 ausgeliefert und hierfür den Betrag in Höhe von 432,16 € eingenommen. Diese Behauptung ist vom Beklagten (…) aber nicht bewiesen worden. (…)

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat nach alledem, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, bis zum 15.08.2006 fortbestanden.

LAG Hamm, Urteil vom 17.0.2007, Az: 10 Sa 512/07

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