LG Hagen – Verweis auf preisgünstigere Werkstatt bei fiktiver Abrechnung bei einer Abweichung der Reparaturkosten von unter 10%


(c) Bernd Boscolo / Pixelio

B. Boscolo/Pixelio

Grundsätzlich ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls in der Wahl der Reparaturwerkstatt frei. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung haben die dort tatsächlich anfallenden Reparaturkosten und auch die höheren Stundenverrechnungssätze zu ersetzen. Rechnet der Geschädigte den Schaden aber nur fiktiv, d.h. auf Basis eines Gutachtens ab und lässt eine Reparatur tatsächlich nicht durchführen, kürzen die Versicherungen gern die Stundenverrechnungssätze und verweisen unter Vorlage eigener „Gutachten“ auf angeblich günstigere „Partnerwerkstätten“.

Der BGH hatte bereits im sog. Porsche-Urteil (VI ZR 398/02) festgelegt, dass der Geschädigte seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Diese Rechtsprechung setzte der BGH in einer aktuellen Entscheidung fort, wonach es auch bei älteren Fahrzeugen unzumutbar sein kann, sich auf eine alternative Werkstatt verweisen lassen zu müssen (VI ZR 53/09).

Das Landgericht Hagen hatte im Rahmen einer Berufung eines Geschädigten gegen ein Urteil des Amtsgericht Wetter darüber zu entscheiden, ob der Unfallgeschädigte bei fiktiver Abrechnung die von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung berechneten Netto-Reparaturkosten erhält oder aber die von seinem Gutachter kalkulierten, und entschied gegen den Geschädigten, da es die Reparaturmöglichkeit in der von der Versicherung des Unfallgegners benannten Werkstatt anscheinend als gleichwertig ansah.

Aus den Gründen:

Die Beklagten haben sehr wohl die der Klage zugrunde liegenden, dem von dem Kläger in Auftrag gegebenen DEKRA-Gutachten entnommenen Berechnungen zur Schadenshöhe als unrichtig bestritten. Bereits in der Klageerwiderung vom 03.09.2008 haben die Beklagten unter Ziffer II. 1. ausgeführt:

„Die geltend gemachten Netto-Reparaturkosten sind um 176,71 € zu hoch angesetzt.
a) Dem Kläger wurde der Prüfbericht des Deutschen Controlling Zentrums mit Schreiben der Beklagten zu 3) vom 08.07.2008 übersandt. Hiernach ist für die fachgerechte und technisch einwandfreie Reparatur in der Fach- und Meisterwerkstatt H lediglich ein Geldbetrag i.H.v. 1.812,85 € netto erforderlich.“
Im weiteren wurde substantiiert zu den Positionen vorgetragen, in denen nach Auffassung der Beklagten Abzüge vorzunehmen waren.

(…) Das Amtsgericht hatte eigens zur Klärung der Gleichwertigkeit der kostengünstigeren Instandsetzungsarbeiten durch die Firma H einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.12.2008 angesetzt, in dem die Zeugin Ute H vernommen wurde. (…) Auch hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme gerade nicht ergeben, dass die Firma H „Dumpingstundenverrechnungssätze“ bietet und so in unzulässiger Weise die Interessen des Schädigers bzw. der dahinterstehenden Haftpflichtversicherungen wahrnimmt.

Schon der Vergleich der von dem Kläger vorgetragenen (1.989,56 €) mit den von den Beklagten behaupteten Kosten (1.812,85 €) zeigt, dass beide Werte nur unwesentlich voneinander abweichen. Die Rechnungsbetrag der Firma H beträgt immerhin über 91 % der Summe, die der klägerische Sachverständige berechnet hat. Bei der Differenz von unter 10 % handelt es sich um eine Abweichung, die im geschäftlichen Verkehr für ein und dieselbe Leistung immer wieder vorkommt. Insoweit kann nicht die Rede davon sein, dass die Firma H in unlauterer Weise stark reduzierte Preis verlangt.

Zudem hat die Zeugin H – ohne dass dies von dem Kläger in Frage gestellt worden wäre – bekundet, dass die der Berechnung der Beklagten zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze nicht nur für Haftpflichtversicherungen, sondern auch für Privatkunden gelten würden. Dabei handele es sich um die von jedermann zu zahlenden Preise, die – was jährlich überprüft werde – auch kostendeckend seien.
Das Amtsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise diese Aussage zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung gemacht und festgestellt, dass sich die erforderlichen Reparaturkosten an den Stundenverrechnungssätzen der Firma H zu orientieren haben. (…)

LG Hagen, Beschluss vom 18.03.2009, Az: 7 S 6/09 (Justiz NRW)
Vorinstanz: AG Wetter, Urteil vom 30.12.2008, Az: 3 C 230/08

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