Wie kürzlich berichtet, fiel unsere Mandantin an einem Wochentag um die Mittagszeit bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle durch gerötete Bindehäute und verlangsamte Pupillenreaktion auf. Ein freiwillig durchgeführter Drogentest reagierte positiv auf THC. Der freundliche Beamte der Polizeidirektion Bad Oldeslohe ordnete wegen „Gefahr im Verzuge“ eine Blutentnahme an. Der für die Anordnung der Blutentnahme geltende Richtervorbehalt sei „bedacht“ worden, wegen der Erforderlichkeit einer zeitnahen Blutprobe und auch aufgrund einer polizeilichen Dienstanweisung habe man dann aber in angenommener Eigenkompetenz entschieden.
Wir hatten auf das Anhörungsschreiben zum Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a StVG etwas längere Ausführungen zum Richtervorbehalt, zu den Voraussetzungen von Gefahr im Verzug und zu der Frage eines Beweisverwertungsverbots gemacht, woraufhin die Bußgeldstelle eine dienstliche Stellungnahme der Polizei Bad Oldesloe einholte. Unsere Ergänzenden Anmerkungen wurden von der Bußgeldstelle offensichtlich erneut brühwarm dem anordnenden Beamten weitergeleitet, woraufhin sich dieser zu einer erneuten dienstlichen Stellungnahme veranlasst sah:
„Das Forensisch-toxikologische Gutachten ist entgegen der Einlassung des Rechtsanwalt Kümmerle verwertbar.
1. Ich mußte sofort ! vor Ort nach Durchführung eines Drogentestes die Blutprobenentnahme anordnen, um den zeitlichen Verzug auf 40 Minuten zu begrenzen. Eine nachträgliche Einholung einer richterlichen Entscheidung in der Folgezeit macht dann ja wohl kaum noch Sinn wenn ich vorher auf “Gefahr im Verzug“ entschieden habe denn dann bin ich als Polizeibezugsbeamter schließlich selbst befugt die Blutentnahme anordnen zu dürfen.
2. Ich bekomme auf ein Telefonat hin beim AG Lübeck keine ! richterliche Anordnung einer Blutentnahme Ein Diensthandy stand mir ohnehin nicht zur Verfügung also konnte ich auch nicht telefonieren. Ich hatte erst eine Dienststelle aufsuchen und einen Schriftvorgang fertigen müssen. Nach Erhalt der Anordnung hatte ich erst einen Arzt zur Blutentnahme bestellen bzw. das Krankenhaus aufsuchen können. Ein derartiger Ablauf hatte ca. 3 Stunden gedauert. Dies wäre dann ohnehin aufgrund des freiheitsentziehenden Charakters der Maßnahme nicht vom § 81a StPO gedeckt gewesen.
3. Es kommt beim Abbau von Betäubungsmitteln auf jede Minute an, um ein vorwerfbares Blutergebnis zu erhalten, da vom BVerfG Werte vorgegeben sind! Den Konsum kann man auch noch bei Werten unter 1 ng/mI THC feststellen. Dies wäre dann aber nicht mehr vorwerfbar. Da ich kein Prophet bin, kann ich aber keine Blutwerte vorhersagen, sondern nur eine Prognose (mein Schreiben vom 21.10.2009) hinsichtlich des Abbaus und der zeitlichen Dringlichkeit erstellen.
4. Es gibt sehr wohl Studien über das Abbauverhalten von THC im menschlichen Organismus! (z .B. Literatur Verkehrsmedizin B. Madea / F. Mußhoff / G. Berghaus). Wenn RA Kümmere diese nicht gelesen hat heißt das nicht auch zwangsläufig, daß es sie nicht trotzdem gibt. Offensichtlich sind ihm aber die Nachweiszeiträume von bis zu 12 Stunden bekannt. Gemeint ist hiermit ein Nachweis von THC bis zu dem vorgegebenen Grenzwert von 1 ng/ml, nicht aber der grundsätzliche Nachweis von THC im Blut eines Probanden Dies soll nach dem derzeitigen medizinischen Stand bis zu 40 Stunden möglich sein. Die Frage ist nur, was ich mit so einen Ergebnis anfangen soll. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden meiner Meinung nach von RA Kümmerle bewußt schwammig und unvollständig dargelegt, um so den Eindruck zu erwecken, es wäre im vorliegendem Fall kein nennenswerter Abbau über 40 Stunden hinweg zu erwarten gewesen, was aber so in dieser verkürzten Darstellung nicht richtig ist. Das Abbauverhalten von THC ist nicht linear wie der Alkoholabbau und somit auch nicht berechenbar.
5. An den Dienstanweisungen meiner Direktion und an deren Formulierungen kann ich leider nichts ändern. Dennoch kann ich eigenständig denken und handeln auch wenn RA Kümmele da offenbar anderer Meinung zu sein scheint. Jede Anordnung zur Blutprobenentnahme durch mich ist eine Einzelfallentscheidung Eine andere Entscheidung als in dem vorliegenden Fall “Gefahr im Verzug“ anzunehmen war mir aus den in beiden Stellungnahmen dargelegten Gründen daher nicht möglich.
Im Übrigen bin ich auch gerne bereit meine Sicht vor Gericht zu vertreten da dieser Meinungsaustausch in Schriftform kaum zu einem Ergebnis zu fuhren wird.“
Letzterem stimmen wir vorbehaltlos zu.