Die Anordnung der Blutentnahme und der Richtervorbehalt – das Bundesverfassungsgericht schaltet sich ein


In seiner Entscheidung (Beschluss vom 12.02.2007, Az: 2 BvR 273/06, NJW 2007, 1345) führte das BVerfG aus, dass nach „§ 81 a Abs. 2 StPO (…) die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu(steht). Der Richtervorbehalt – auch der einfachgesetzliche – zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 96, 44; BVerfGE 103, 142). Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen.
Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (vgl. BVerfGE 103, 142). Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (…).“

Richteranordnung vor Eilanordnung

Im Klartext heißt das nichts anderes, als dass die Polizei zunächst versuchen muss, über die Staatsanwaltschaft eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen. Ein eigenes Antragsrecht beim Ermittlungsrichter steht der Polizei nicht zu (mit Ausnahmen in § 165 StPO). Erst wenn dies misslingt oder zeitnah nicht möglich ist, besteht bei angenommener Gefährdung des Untersuchungserfolges eine Anordnungskompetenz der Strafverfolgungsbehörden, also der Staatsanwaltschaft. Auch die Polizei selbst ist bei Gefahr im Verzug befugt, eine Blutentnahme anzuordnen, wobei hier eine kleine aber feine Abstufung zu beachten ist, da die Anordnung durch die Polizei selbst gegenüber der Kompetenz der Staatsanwaltschaft als „nachrangig“ anzusehen ist. Die Polizei muss also in jedem Fall grundsätzlich versuchen, die Staatsanwaltschaft zu erreichen. Erst wenn dies misslingt oder zeitnah nicht möglich ist, darf die Polizei selbst bei Gefahr im Verzug eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss aber aktenkundig mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen begründet werden, außer die Dringlichkeit ist so offensichtlich (evident), dass es keiner Begründung bedarf. Fehlt eine Begründung in der Akte und ist die Dringlichkeit auch nicht evident, ist die nachträgliche gerichtliche Kontrolle nicht möglich, es liegt eine Verletzung der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG vor.

Die Praxis erfindet sich neu

Nun ist die Entscheidung des BVerfG ja gut und schön, aber was nutzt sie einem Beschuldigten, wenn die Gerichte nach wie vor zum einen die Vorgaben des BVerfG entweder ganz ignorieren, oder aber den Begriff der Gefahr im Verzug weit auslegen, eine Begründung in der Akte für nicht erforderlich halten, weil die Dringlichkeit quasi immer evident sei, oder aber im besten Fall die Erhebung der Blutentnahme zwar als rechtwidrig werten, dann aber kein Beweisverwertungsverbot annehmen, da die Polizei ja aufgrund der bislang unbeanstandeten Praxis weder bewusst falsch noch willkürlich handelte. Zwischenzeitlich sollte es sich auch bei der Polizei herumgesprochen haben, dass die bisherige Praxis nicht gesetzeskonform ist. Wenn weiterhin so verfahren wird, ist die Zurückhaltung der Gerichte, das Ermittlungsergebnis als rechtswidrig und willkürlich erlangt und damit unverwertbar anzusehen, nicht verständlich. Eine Übersicht der Entscheidungen wird im nächsten Teil folgen.

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