Der 5. Strafsenat beim Bundesgerichtshof hatte in einer Entscheidung (Urteil vom 18.04.2007, AZ: 5 StR 546/06; BGHSt 51, 285, 295; NJW 2007, 2269) über die Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung durch die Staatsanwaltschaft zu befinden und stellte klar, dass Gefahr im Verzug nur angenommen werden kann, falls die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Ermittlungsmaßnahme, hier der Durchsuchung gefährdet hätte. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung steht es aber nicht im Belieben der Strafverfolgungsbehörden, wann sie eine Antragstellung beim Ermittlungsrichter in Erwägung ziehen.
Sie dürfen nicht so lange mit dem Antrag warten, bis etwa die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist, und damit die vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen. Für die Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen können, kommt es deshalb auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen die Anordnung für erforderlich hielten. In dem zu entscheidenden Fall ließ sich die Polizei zwei Stunden Zeit, ehe die Staatsanwaltschaft informiert wurde, so dass nicht mehr von einer Gefahr im Verzug auszugehen, die Durchsuchungsanordnung daher rechtswidrig war.
Beweisverwertungsverbot bei bewusster Umgehung des Richtervorbehalts
Die Frage war nun, ob das Beweiserhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht. Dem Strafverfahrensrecht ist ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd. Diese Frage sei jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Allerdings dürfe die „bewusste Missachtung“ oder gleichgewichtig grobe Verkennung der Voraussetzungen des Richtervorbehalts nicht sanktionslos bleiben und tatsächlich zu Konsequenzen in Form eines Beweisverwertungsverbotes führen. Nur so könne man verhindern, dass der durch den Richtervorbehalt bezweckte Grundrechtsschutz durch die Strafverfolgungsorgane stets folgenlos selbst willkürlich ausgehebelt werde. Der bloße abstrakte Hinweis, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu erlangen, kann Gefahr im Verzug nicht begründen, weil dem korrespondierend die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte besteht, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes zu sichern. Da die Annahme außerordentlich nahe lag, dass im konkreten Fall die Polizeibeamten den Richtervorbehalt bewusst ignoriert und die Inanspruchnahme der Eilkompetenz des Staatsanwalts provoziert hatten, bejahte der BGH die Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei (Anmerkungen zum Urteil von Dr. Janique Brüning, HRRS 2007, 250 ff.).
Die Entscheidung des BGH betraf zugegebenermaßen eine Durchsuchungsanordnung, die durch die grundgesetzlich verankerte Unverletzlichkeit der Wohnung und den im Grundgesetz Art. 13 Abs.2 Satz 1 festgeschriebenen Richtervorbehalt ein besonderes Gewicht hat. Aber die Argumente des BGH sind auch auf den Fall der Blutentnahme anwendbar, insbesondere nachdem das da BVerfG klargestellt hat, dass auch im Falle einer Blutentnahme nach § 81 a StPO der einfachgesetzliche Richtervorbehalt zu beachten und eine effektive nachträgliche gerichtliche Kontrolle nachrangiger staatsanwaltschaftlicher Eilanordnungen gewährleistet sein muss.
Übertragbarkeit auf Blutentnahme nach § 81a StPO?
Liegen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Blutentnahme durch die Staatsanwaltschaft bzw. nachrangig durch die Polizei nicht vor, besteht ein Beweiserhebungsverbot, was aus den oben dargestellten Gründen nicht automatisch, sondern nur einzelfallbezogen nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes und unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen, ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht (OLG Hamburg, Beschluss vom 04.02.2008, Az: 2-81/07, NZV 2008, 362 und BA 2008, 187; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.11.2007, AZ: 1 Ss 532/07, VRS 113, 364; LG Itzehoe, Beschluss vom 03.04.2008, Az: 2 Qs 60/08, NStZ-RR 2008, 249). Im Strafprozessrecht geht es nicht um die Wahrheitserforschung „um jeden Preis“. Ein Beweisverwertungsverwertungsverbot schränkt aber ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrens ein, nämlich den Grundsatz der Wahrheitsfindung, so dass ein Verbot bestimmte Beweismittel zu verwenden, immer nur Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt. Ein Ausnahmefall liegt dann vor, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe ohne jede Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Strafverfahren kaum noch als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführtes Verfahren angesehen werden kann.
Die Anordnung der Blutprobenentnahme durch Staatsanwaltschaft oder Polizei ist nur unter der Voraussetzung, dass Gefahr im Verzug vorliegt, eine Verzögerung durch die Anrufung eines Richters den Ermittlungserfolg gefährden würde, berechtigt. Bei fehlerhafter Annahme einer Eilkompetenz liegt nach der überwiegenden Rechtsprechung in aller Regel aber kein derartig schwerer Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze vor, dass eine fehlerhafte Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolges zu einem Beweisverwertungsverbot führen würde. Im Gegensatz etwa zur Wohnungsdurchsuchung, bei der die Anordnungsbefugnis des Richters ausdrücklich verfassungsrechtlich in Art. 13 Abs. 2 GG normiert ist, handelt es sich bei der Regelung in § 81 a StPO um einen einfachgesetzlichen Richtervorbehalt. Der Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit sei bei einer Blutentnahme nur von geringer Intensität, so dass in Abwägung ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt gegenüber dem hochrangigen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurückzutreten habe (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.11.2007, Az: 1 Ss 532/07, BA 2008, 76; LG Heidelberg, Beschluss vom 11.08.2008, Az: 2 Qs 39/08, BA 2008, 321; AG Tiergarten, Urteil vom 05.06.2008, AZ: (339/299 Ds) 3032 Pls. 9355/07 (78/07), BA 2008, 322).
Das LG Berlin (Beschluss vom 23.04.2008, Az: 528 Qs 42/08) ging hingegen in seiner Entscheidung von einer bewussten Missachtung des Richtervorbehaltes aus, da ein drohender Beweismittelverlust nicht vorlag. Die Polizeibeamten durchsuchten, bevor sie den Beschuldigten ohne eine richterliche Anordnung zur Blutentnahme verbrachten, in aller Ruhe noch dessen Fahrzeug. Sie konnten damit nach Auffassung des Gerichts nicht irrtümlich von einer Gefahr im Verzug durch den Abbau der Blutalkoholkonzentration ausgegangen sein. Eine solche bewusste Missachtung des Richtervorbehalts sei ein grober Verfahrensverstoß, der zu einem Beweisverwertungsverbot führte.
Das Bundesverfassungsgericht klinkt sich aus
In dem Streit hätte das BVerfG Stellung beziehen können (Beschluss vom 21.01.2008, Az: 2 BvR 2307/07, zuletzt Beschluss vom 28.07.2008, AZ: 2 BvR 784/08, StRR 2008, 382; Besprechung und Volltext unter strafrecht-online.de), nahm die Verfassungsbeschwerden jedoch nicht zur Entscheidung an. Die Angeklagten hatten jeweils erfolglos ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht da die Umstände, die eine Gefahr im Verzug nicht dokumentiert und die Gefährdung des Untersuchungserfolges nicht evident gewesen sei. Die Anordnung seien demnach objektiv willkürlich gewesen, was zu einem Beweisverwertungsverbot hätte führen müssen.
Das BVerfG verneinte einen Verstoß gegen die Rechtsweggarantie, da die Beurteilung der Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei, in erster Linie den zuständigen Fachgerichten obliege und im konkreten Fall geprüft, aber verneint wurde. Eine hiergegen mögliche Beschwerde wurde nicht eingelegt, so dass der Rechtsweg nicht erschöpft sei. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sei auch nicht die Anordnung der Blutentnahme und damit ein möglicher Verstoß gegen die körperliche Unversehrtheit an sich, sondern allein die strafgerichtliche Verurteilung. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren vor. Im Übrigen zähle der in § 81a StPO enthaltene Richtervorbehalt nicht zum rechtsstaatlichen Mindeststandard, denn es handele sich bei einem Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 3 GG) – anders als in Art. 13 Abs. 2 und 104 Abs. 2 Satz 1 GG – nur um einen einfachgesetzlichen Vorbehalt.
Zwar hat das BVerfG ein Beweisverwertungsverbot nicht ausdrücklich abgelehnt, die Entscheidungen gießen aber Wasser auf die Mühlen der Fachgerichte, trotz systematischer Umgehung des Richtervorbehaltes keine Konsequenzen zu ziehen und nahezu einhellig von der Verwertbarkeit der rechtswidrig erlangten Blutproben auszugehen. Unter welchen Voraussetzungen eine Trunkenheitsfahrt vorliegt und wie man sich verhalten kann, um die Situation nicht noch schlimmer zu machen, als sie ohnehin schon ist, davon handelt der nächste Teil.