LG Coburg – Abfindungsvereinbarung will wohl überlegt sein


Nicht immer gilt: Nur schnelles Geld ist gutes Geld. Gerade bei Verkehrsunfällen mit schweren Körperverletzungen ist die weitere Entwicklung oft unabsehbar und daher beim Abschluss einer Abfindungsvereinbarung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung Vorsicht geboten. Denn nach Erhalt der Abfindungssumme bestehen regelmäßig keine Ansprüche mehr.

So entschieden vom Landgericht Coburg, das die Klage eines Unfallopfers auf Schadensersatz wegen Spätschäden in Höhe von rund 37.000 € abwies. Weil sich der Kläger mit der Versicherung des Unfallgegners im Jahre 2005 auf eine Abfindung geeinigt hatte, war er mit weiteren Ansprüchen wegen Verdienstausfalls ausgeschlossen.

Im Jahre 1977 war der Kläger bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Für den Unfallschaden hafteten der Unfallgegner und damit seine Haftpflichtversicherung (die Beklagte) und erbrachte auch entsprechende Leistungen. Mitte 2004 wurde der Kläger erneut bei einem Verkehrsunfall verletzt und Anfang 2005 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im August 2005 erklärte er sich gegen Zahlung von 44.000 € für aus dem ersten Unfall vollständig abgefunden. Später stellte sich aber heraus, dass die Dienstunfähigkeit nicht – wie er geglaubt hatte – auf den zweiten, sondern auf den ersten Unfall zurückzuführen war. Deshalb klagte er auf Zahlung weiterer rund 37.000 € Verdienstentgang wegen des ersten Unfalls.

Ohne Erfolg. Das Landgericht Coburg befand, dass die Abfindungsvereinbarung jegliche weitere Ansprüche ausschloss. Denn der Kläger hatte sich „für endgültig abgefunden“ erklärt. Damit hatte er das Risiko übernommen, dass die für die Berechnung der Kapitalabfindung maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhten. Es wäre ihm unbenommen gewesen, einen Vergleichsabschluss nur bei Ausklammerung der damals schon bestehenden Dienstunfähigkeit zu akzeptieren.

LG Coburg, Urteil vom 28. Mai 2008, Az: 13 O 767/07 (rechtskräftig)
OLG Bamberg, Hinweisverfügung vom 27. Oktober 2008, Az: 5 U 126/08

Quelle: Presseinformation Nr. 405 vom 13.02.2009

Praxisrelevanz:

Bei Personenschäden nach einem Verkehrsunfall bieten die gegnerischen Haftpflichtversicherungen bei bestimmten Größenordnungen gern einen Abfindungsvergleich an. Der Vorteil für die Versicherung liegt auf der Hand, der Schadenfall kann schnell und abschließend reguliert werden. Der Geschädigte erhält eine größere Geldsumme als erwartet. Beim Abschluss eines Abfindungsvergleichs ist aber höchste Vorsicht geboten, insbesondere wenn die künftige Entwicklung des Gesundheitszustandes oder der Verdienstmöglichkeiten noch nicht absehbar sind. Denn mit Annahme des Vergleichs sind künftige Schäden ausgeschlossen. Alles, was vorhersehbar war und einer normalen Entwicklung des Schadens entspricht, ist von der Abfindungserklärung erfasst.

Allein unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB ) könnte unter engen Voraussetzungen bei unvorhergesehenen Spätschäden ein Anspruch auf Anpassung bestehen. Dabei wird es auf den Wortlaut des Vergleichs ankommen. Wenn z.B. der Abfindungsvergleich die Klausel enthält, dass die Abgeltung alle künftigen Schäden umfasst, seien sie vorhersehbar oder unvorhersehbar, erwartet oder unerwartet, muss der Geschädigte darlegen, dass ihm ein Festhalten am Vergleich nach Treu und Glauben trotz der Klausel nicht zumutbar ist. Das wäre z.B. der Fall, wenn die vereinbarte Abfindungssumme in einem krassem Missverhältnis zum tatsächlich entstandenen Schaden steht. Die Oberlandesgerichte setzen einen Anstieg um das zehnfache voraus. Der BGH hat einen Anstieg um das fünffache ausreichen lassen, um eine unzumutbare Härte anzunehmen (BGH, Urt. v. 03.07.1984, Az: VI ZR 238/82 in VersR 1984, 871, NJW 1984, 115).

Wer als Geschädigter eine Kapitalabfindung wählt, nimmt das Risiko in Kauf, dass die für ihre Berechnung maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Seine Entscheidung für die Abfindung wird er in der Regel deswegen treffen, weil es ihm aus welchen Gründen auch immer vorteilhafter erscheint, alsbald einen Kapitalbetrag zur Verfügung zu haben. Dafür verzichtet er auf die Berücksichtigung zukünftiger, ungewisser Veränderungen, soweit sie sich zu seinen Gunsten auswirken könnten. Andererseits will und darf sich der Schädiger darauf verlassen, dass mit der Bezahlung der Kapitalabfindung die Schadensabwicklung für ihn ein für allemal erledigt ist. Dafür nimmt er bei der Berechnung des zu zahlenden Kapitals auch für ihn bestehende Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung in Kauf. Das so zwischen den Parteien gefundene Ergebnis kann deshalb nachträglich nicht mehr in Frage gestellt werden, wenn eine der Vergleichsparteien aufgrund künftiger, nicht voraussehbarer Entwicklungen feststellt, dass ihre Beurteilungen und die Einschätzung der möglichen künftigen Änderungen nicht zutreffend waren (BGH, Urt. v. 12.02.2008, Az: VI ZR 154/ 07, Lexetius.com/2008,370).

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