Die Situation dürfte dem einen oder anderen bekannt vorkommen. Man steht an der Kreuzung und will nach rechts auf die Vorfahrtsstraße einbiegen, schaut nach links, achtet – wenn ein Radweg vorhanden ist – auch auf Radfahrer und wartet auf eine Lücke. Gerade wenn man anfahren will, kommt auf dem Radweg von rechts plötzlich ein Radfahrer vorbeigeschossen. Nicht selten kommt es zu Unfällen und als Autofahrer hat man in der Regel schlechte Karten. Auch wenn ein Radfahrer den Radweg in falscher Richtung benutzt, verliert er dadurch nicht sein Vorfahrtsrecht.
Aus den Gründen:
(…) Ein Verschulden der Beklagten (…) ist nicht darin zu sehen, dass sie aus der von ihr befahrenen Straße (…) aus ihrer Sicht von rechts mit ihrem Pkw (…) einbog. Verschulden ist gegeben, wenn der Geschädigte die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Ist an der Entstehung des Schadens ein Kraftfahrzeug beteiligt, ist dem Halter und Fahrer bei der Abwägung des Verschuldens die Betriebsgefahr des Fahrzeuges anzulasten. Betriebsgefahr ist die Summe aller Gefahren, die das Kfz durch seine Eigenart in den Verkehr trägt. Zu berücksichtigen sind aber nur die nachweislich ursächlich gewordenen Gefahrenmomente, nicht bloß ein vermutetes Verschulden (Palandt-Heinrichs 66. Auflage 2007, § 254 Rnr. 66).
Vielmehr hat die Klägerin durch ihr schuldhaftes Verhalten den Unfall überwiegend verursacht, §§ 253 II, 254 BGB. In dem die Klägerin den Gehweg (…) entgegen der vorgegebenen Richtung mit ihrem Fahrrad benutzte, handelte sie in solcher Art und Weise verkehrswidrig, dass ihr ein Alleinverschulden zur Last zu legen ist. Die Klägerin hat als Radfahrerin am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Sie befuhr (…) den Fußweg (…), unter Verstoß des § 4 I 3, 4 StVO befuhr sie diesen in entgegengesetzter Richtung. Hierdurch hat sie die ihr im öffentlichen Verkehr obliegende Sorgfaltspflicht grob verletzt, mithin den streitgegenständlichen Unfall nicht unerheblich mitverschuldet im Sinne des § 254 BGB. Weiterhin hat die Klägerin entgegen des Verbotes des § 4 I 2-4 StVO keinen Fahrradweg, sondern einen Gehweg benutzt (…). (…) Nach ständiger Rechtsprechung ist allein die Benutzung eines Gehwegs und infolge dessen das Auffahren auf die Straße durch einen erwachsenen Radfahrer eine grobe Verletzung seiner Sorgfaltspflichten im öffentlichen Straßenverkehr, wenn der Kfz-Fahrer darauf in angemessener Weise reagiert (BGH VersR 1982, 94, NZV 1993, 442; DAR 8, 89). Unbestritten ist die Beklagte (…) mit geringer Geschwindigkeit (…) eingefahren, mithin hat sie angemessen auf die Verkehrssituation reagiert. (…)
In der Zusammenschau der Verkehrsverstöße der Klägerin und des Verhaltens der Beklagten (…) stellen sich (…) die Verkehrsverletzungen der Klägerin als so grob verkehrswidrig dar, dass in der Abwägung der Interessen ausschließlich zu Lasten der Klägerin im Sinne einer Alleinhaftung ausfällt. Die Betriebsgefahr des Pkw der Beklagten (…) tritt (…) zurück.
Amtsgericht Hildesheim, Urteil vom 25.07.2008 Aktenzeichen 40 C 21/08
(Volltext als PDF unter www.verkehrsanwaelte.de)
Auch das AG Stralsund entschied, dass einen Radfahrer, der verbotswidrig den linken Gehweg statt den rechten Radweg benutzt, die alleinige Haftung für eine Kollision mit einem von links aus einer Straße herauskommenden Fahrzeug trifft (AG Stralsund, Urteil vom 12.03.2002, Az: 11 C 1283/02, NZV 2003, 290).