Grundsätzlich ist die Verwertung heimlicher Tonbandaufnahmen oder heimlich mitgehörter Telefongespräche als Beweismittel auch im Zivilprozess nicht zulässig (vgl. BVerfG 34, 246; BGH NJW 1988, 1016). Es gilt die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes. Ein Mitschnitt bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Gesprächspartners. Liegt diese nicht vor, kommt unter Umständen sogar eine Strafbarkeit in Frage. Das Mithören eines Dritten über eine Lautsprechvorrichtung ist zwar nicht strafbar, kann aber mangels Zustimmung das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners verletzen.
Die beiden Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen stritten um den Wechsel eines Telefonkunden. Der Kunde hatte dem Telefonanbieter A einen Privatkundenauftrag erteilt, der diesen auch zur Kündigung des Vertrages mit dem anderen Telefonanbieter B berechtigte. Eine Mitarbeiterin des Anbieters B soll daraufhin beim Kunden angerufen und in einem „unwirschen Tonfall“ erklärt haben, der Anschluss werde abgeschaltet. Ob die Freischaltung bei B zu diesem Zeitpunkt realisiert sei, wäre nicht ihre Angelegenheit. Der Kunde informierte daraufhin Anbieter A, der nach erfolgloser Abmahnung eine einstweilige Verfügung beim Landgericht beantragte, wonach dem Anbieter B derartige Gespräche untersagt seien.
Auf den Widerspruch des Anbieters B gegen die zunächst erlassene einstweilige Verfügung hob das Landgericht diese wieder auf. Anbieter B hatte nämlich erklärt, das Gespräch sei aufgezeichnet worden. Ausweislich des Mitschnitts sei nicht in einem unwirschem Tonfall gesprochen und auch nicht ohne weiteres erklärt worden, das Telefon werde abgeschaltet. Vielmehr habe die Mitarbeiterin hinzugefügt, dass sie hoffe, dass die Leitung an diesem Tag automatisch vom Anbieter A freigeschaltet werde, nur garantieren könne sie dies nicht. Anbieter A war der Auffassung, der ohne Zustimmung angefertigte Telefonmitschnitt sei unzulässig und zog daraufhin vor das Oberlandesgericht Köln. Ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
(…) Die von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung (…) enthält lediglich zwei den Inhalt des Telefongesprächs betreffende Sätze. Das übrige Gespräch wird nicht geschildert, so dass offen bleibt, in welchem Zusammenhang diese Aussagen gefallen sein sollen. Eine solch rudimentäre Schilderung, die in Ermangelung von Details nicht einmal Raum für eine an innerer Stimmigkeit orientierte Prüfung lässt, kann als Mittel der Glaubhaftmachung nur ausreichen, solange sie nicht bestritten ist. Das Landgericht hat völlig zu Recht ausgeführt, dass schon ein einfaches Bestreiten seitens der Antragsgegnerin gereicht hätte, um eine hinreichende Glaubhaftmachung zu verneinen. Auch nach Ansicht des Senats hätte sich die Antragsgegnerin darauf beschränken können, den Inhalt des Gesprächs mit Nichtwissen zu bestreiten, (…).
Die Antragsgegnerin hat sich allerdings entschieden, es nicht bei einem einfachen Bestreiten zu belassen, sondern dem Vortrag der Antragstellerin, gestützt auf einen Mitschnitt, substantiiert entgegenzutreten. Auch dieses Verhalten ist nicht zu beanstanden, Bedenken gegen eine Verwertbarkeit ihres auf diese Weise auch in klanglicher Hinsicht konkretisierten Vortrags bestehen nicht.
Die Verwertung des unter Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort, einer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, gewonnenen Erkenntnismittels ist vorliegend verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Außerhalb des letzten Bereichs unantastbarer Lebensgestaltung – wozu ein Gespräch über den Wechsel des Telefonanbieters nicht gehört – wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vorbehaltlos gewährleistet, es ist daher der Abwägung zugänglich (BGH, NJW 2003, 1727, 1728). Das Rechtsstaatsprinzip misst dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung zu, wozu das Streben nach materiell richtigen Entscheidungen gehört. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2002, 3619, 3624). Auch im Zivilprozess kann es daher Situationen geben, in denen dem Interesse an der Beweiserhebung besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukommt, die es rechtfertigt, diesem höheres Gewicht als dem verletzten allgemeinen Persönlichkeitsrecht zuzubilligen, beispielsweise, wenn sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation befindet (BVerfG, a.a.O.; BGH, a.a.O.).
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, die Antragsgegnerin befindet sich in einer Notwehrsituation. Die Antragsgegnerin nutzt den Mitschnitt vorliegend nicht als Angriffs-, sondern als Verteidigungsmittel. Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob ein Kläger mit einem Mitschnitt zum Erfolg seiner Klage kommen oder ob ein Beklagter mit seiner Hilfe einer aufgrund einer objektiv unrichtigen Aussage drohenden Verurteilung entgehen will. Im Bereich des Strafrechts ist anerkannt, dass sich der Angeklagte auf entlastendes Material aus einer rechtswidrig durchgeführten Abhörmaßnahme selbst dann berufen kann, wenn durch diese der absolute Kernbereich der Selbstbestimmung verletzt worden ist (BGHSt 50, 206, 215 m. Verw. a. BVerfGE 109, 279, 369ff). Dies hat grundsätzlich auch für einen Beklagten zu gelten, wobei sich die Frage, ob dies auch bei einer Verletzung des Kernbereichs richtig wäre, vorliegend nicht stellt. Ein Kläger muss die seine Klage tragenden Tatsachen beweisen, kann er dies nicht, wird die Klage abgewiesen. Es ist eine gesetzgeberische Wertentscheidung, lieber eine materiell unrichtige Abweisung der Klage in Kauf zu nehmen, als eine materiell unrichtige Verurteilung zu riskieren. Die materiell unrichtige Verurteilung ist folglich auch im Zivilrecht der wesentlich gravierendere Verstoß gegen das Gebot materieller Gerechtigkeit. Die Abwehr eines aufgrund einer in objektiver Hinsicht durch Manipulation geschaffenen unrichtigen Tatsachengrundlage drohenden hoheitlichen Eingriffs in die eigene Rechtsposition, nichts anderes ist eine Verurteilung, ist in gewisser Weise Notwehr ganz im Sinne der klassischen Definition der Abwehr eines gegenwärtigen objektiv (materiell-) rechtswidrigen Angriffs.
(…) Ein materiell zu Unrecht in Anspruch Genommener braucht das Risiko einer Verurteilung nicht einzugehen, sondern darf sich mit dem Mittel verteidigen, was die sicherste Gewähr für eine Vermeidung einer Verurteilung liefert. Es gehört zu den anerkannten Grundsätzen des Notwehrrechts, dass der Angegriffene das Mittel zu seiner Verteidigung wählen darf, das geeignet ist, den Angriff sofort endgültig zu beenden und dass er das Risiko eines Fehlschlags nicht einzugehen braucht (Tröndle/ Fischer, StGB, 54. Aufl., § 32 Rn 16, Rn. 16d). Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Zur Vermeidung eines Fehlurteils aufgrund einer objektiv falschen Aussage muss es möglich sein, sich unter Verwendung des Mitschnitts des Gesprächs, auf das sich die Aussage des Zeugen bezieht, zu verteidigen. (…)
OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2008, Az. I-20 U 151/07
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