Vertragsfallen im Internet – Eltern haften nicht für ihre Kinder


Zahlreiche Vertragsfallen im Internet zielen besonders auf die Unerfahrenheit von Minderjährigen. So werden angeblich Dienstleistungen wie Hilfe bei Hausarbeiten, Malvorlagen oder Frei-SMS angeboten. Die Seiten sind unterschiedlich gestaltet. Gemein ist allen Angeboten, dass nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass diese kostenpflichtig sind. Ganz am Ende der Seiten, in unscheinbar gestalteten Fußnoten, findet sich ein Hinweis, dass man mit der Anmeldung einen kostenpflichtigen Vertrag mit einer Laufzeit von 12 oder 24 Monaten abschließt. Innerhalb der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die man mit einem Klick als zur Kenntnis genommen annimmt, finden sich die entsprechenden Vertragsmodalitäten.

Viele Besucher einer solchen Vertragsfalle übersehen dies und sind entsprechend verunsichert, wenn ihnen eine Rechnung oder ein anwaltliches Mahnschreiben zugesandt wird und gerichtliche Schritte angedroht werden. Insbesondere Eltern stellen sich die Frage, ob sie für die Anmeldung ihrer Kinder zahlen müssen?

In verschiedenen Artikeln hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass der Nachweis eines rechtlich bindenden Vertrages dem Dienstanbieter obliegt. Dieser muss zum einen nachweisen, dass der Vertrag genau mit der Person zustande gekommen ist, deren Daten bei der Anmeldung angegeben wurden. Weitere Voraussetzung ist, dass der Anmelder die Erklärung auf der Internetseite als Vertragsangebot verstehen musste und nicht lediglich als unverbindliches Gratis- oder Test-Angebot. Der Dienstanbieter muss daher nachweisen, dass der Vertrag zu den von ihm vorgegebenen Konditionen zustande gekommen ist. Wenn ein Minderjähriger sich mit seinen Daten bei einer Vertragsfalle anmeldet, verpflichtet dies weder ihn, noch seine Eltern zur Zahlung. Auch wenn die Dienstanbieter oder die mit der Forderungseinziehung beauftragten Anwälte gern anderes behaupten und sogar mit Strafanzeigen drohen, sollte man sich nicht verunsichern lassen.

Minderjährige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres sind geschäftsunfähig (§ 104 BGB). Wenn sie sich mit ihrem Namen auf einer Seite anmelden, entsteht überhaupt keine vertragliche Bindung. Ein etwaig geschlossener Vertrag ist nichtig (§ 105 BGB). Mit Vollendung des 7. Lebensjahres sind Minderjährige beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB). Die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit und damit die Möglichkeit Verträge ohne Einwilligung der Eltern abzuschließen, hat man erst ab 18. Vorher können beschränkt Geschäftsfähige zwar im eigenen Namen Verträge abschließen. Die Wirksamkeit des Vertrags hängt aber von einer erteilten Genehmigung der Eltern ab (§ 107 BGB). Liegt diese nicht vor und gibt es auch keine nachträgliche Genehmigung, so sind von beschränkt Geschäftsfähigen geschlossene Verträge unwirksam (§ 108 BGB).

Damit auch ein beschränkt Geschäftsfähiger den Umgang mit Geld lernen kann und nicht bei jeder Kleinigkeit die Genehmigung seiner Eltern einholen muss, gibt es den sogenannten „Taschengeldparagraphen“ (§ 110 BGB). Dieser lautet:

Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.

Wenn also dem Minderjährigen Taschengeld zur Verfügung steht, kann er mit diesem Geld verbindlich Verträge mit geringer Verpflichtung eingehen, z.B. Süßigkeiten, Lebensmittel oder Spielsachen kaufen. Von den Dienstanbietern bzw. den von ihnen beauftragten Anwälten wird der „Taschengeldparagraf“ gern zitiert, um den Eltern weiszumachen, ihre Genehmigung sei für die Wirksamkeit eines Vertrages überhaupt nicht erforderlich. Das ist natürlich Unsinn. Mit der Anmeldung entsteht nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Dienstanbieter ein Laufzeitvertrag mit einer Dauer von 12 bzw. 24 Monaten. Verträgen mit dauerhafter Bindung sind von einer Einwilligung nach § 110 BGB regelmäßig nicht umfasst. Darüber hinaus gilt der § 110 BGB nur, wenn die die vertragsmäßige Leistung bewirkt ist, also wenn bereits bezahlt wurde. Die nachträgliche Zahlung fällt damit nicht darunter. Der vom beschränkt Geschäftsfähigen geschlossene Vertrag ist also von der Genehmigung der Eltern abhängig. Wird diese ausdrücklich verweigert oder wird auf Aufforderung eines Seitenbetreibers nicht innerhalb von zwei Wochen geantwortet (§ 108 Abs. 2 BGB), ist der Vertrag endgültig unwirksam. Ohne Vertrag gibt es auch keine Zahlungsverpflichtung.

Das wissen auch die Dienstanbieter bzw. die in ihrem Namen mahnenden Anwälte. Daher ist man dazu übergegangen, in den Mahnschreiben mit Strafanzeigen bzw. einer Inanspruchnahme der Eltern wegen Verletzung der Aussichtspflicht zu drohen.

Um die Anmeldung Minderjähriger „auszuschließen“, sind auf den Anmeldeseiten der Dienstanbieter bei der Angabe des Alters alle Jahrgänge gesperrt, bei deren Eingabe eine Volljährigkeit nicht vorliegen kann. Eine Anmeldung unter Angabe eines Lebensalters von unter 18 Jahren ist demnach technisch nicht möglich. Wenn sich ein Minderjähriger anmeldet, so muss er demnach ein unzutreffendes Alter eingeben. Die Dienstanbieter versuchen dieser falschen Angabe ihre angeblichen Forderungen gegen Minderjährige aus sogenannter unerlaubter Handlung zu begründen. Die falsche Angabe eines Geburtsjahres sei nämlich strafrechtlich relevant, sowohl als Eingehungsbetrug, als auch in Form der Fälschung beweiserheblicher Daten, was natürlich zur Anzeige gebracht werde, sofern man nicht zahle. Auch das ist Unsinn. Ein Betrug käme nur dann in Betracht, wenn man sich auf der Seite mit falschen Daten angemeldet hat, um den Dienstanbieter zu schädigen. Dazu hätte man aber wissen müssen, dass das Angebot etwas kostet. Darauf weisen die Dienstanbieter auf ihren Seiten jedoch nur unzureichend hin. Auch eine Fälschung beweiserheblicher Daten kommt nicht in Betracht. Hierfür müsste ein Datenbestand manipuliert worden sein, der – würde er sichtbar gemacht – als unechte oder verfälschte Urkunde zu qualifizieren wäre. Unecht wäre eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller erkennbar ist. Aussteller des Datenverarbeitungsvorgangs ist aber immer der Dienstanbieter selbst. Der erkennbare Aussteller ist daher mit dem tatsächlichen identisch. Lediglich der Inhalt stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein. Diese sog. „schriftliche Lüge“ ist nicht strafbar.

Eine Haftung der Eltern für ihre Kinder wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Eltern als Inhaber eines Internetanschlusses sind nicht ohne weiteres verpflichtet, ihre Kinder bei der Nutzung des Anschlusses ständig zu überwachen. Die Haftung eines Aufsichtspflichtigen setzt zudem eine unerlaubte Handlung der Tochter gemäß § 823, 826 BGB voraus, die hier aus den gleichen Gründen wie eine strafbare Handlung nicht vorliegt.

Unsere Empfehlung lautet auch weiterhin, die Rechnungen sowie Mahnschreiben von Dienstanbietern, von Inkassobüros bzw. Anwälten zu ignorieren. Wer unbedingt antworten möchte, sollte sich die Formulierung genau überlagen, um sich nicht um geeignete Verteidigungsmöglichkeiten zu bringen. Im unwahrscheinlichen Fall, dass Post vom Gericht kommt (z.B. ein Mahnbescheid), besteht Handlungsbedarf, da dann Fristen zu beachten sind. Für den Fall, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, sollte ein Strafverteidiger zu Rate gezogen werden, da Kenntnisse im Internetrecht oftmals nicht zu den Stärken der Ermittlungsbehörden zählen.

, , , , ,