Nach dem heutigen EM-Halbfinale wird je nach Ausgang auf deutschen Bolzplätzen die Frage zu klären sein wer nun wirklich den besseren Fussball spielt. Da wird es zwischen all den Mini-Ballacks und Mini-Altintops sicher laut zur Sache gehen. So mancher Anwohner ist vielleicht nicht so fussballbegeistert und fühlt sich in seiner Ruhe gestört. Wie lange und wie laut gekickt werden darf und was sonst noch so beim Bolzen zu beachten ist, dazu finden sich zahlreiche Gerichtsentscheidungen. Hier einige Beispiele:
Ein rund 20 Meter vom einem öffentlichen Bolzplatz in einem reinen Wohngebiet entfernt lebende Hauseigentümer in Nassau (Rheinland-Pfalz) fühlte sich in seiner Ruhe unzumutbar gestört. Der Lärm der kickenden Kinder wurde gutachterlich gemessen. Der maximal zulässige Lärmpegel für ein Wohngebiet wurde danach erheblich und oft überschritten. Die Gemeinde musste handeln und den nicht mehr „sozialadäquaten Kinderlärm“ unterbinden. Die aufgestellten Verbots-Schilder wurden von den bolzenden Kindern natürlich ignoriert wurden. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz urteilte schließlich, dass die Kommune endgültige Maßnahmen ergreifen müsse, den Lärm abzustellen. (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.09.2007, Az: 7 A 10789/07)
Schlusspfiff erst um 20 Uhr
Ebenfalls das OVG Rheinland-Pfalz musste darüber entscheiden, ob die Kommune unmittelbar an ein Mehrfamilienhaus angrenzend einen Bolzplatz bauen darf. Anwohner fürchteten wegen der zu erwartenden Lärmbelästigungen um ihre Ruhe und klagten. Da zum Grundstück hin ein Ballfangnetz errichtet worden war, eine Erdböschung die Aufprallgeräusche von Fußbällen erheblich reduzierte und darüber hinaus ein Drehkreuz im Eingangsbereich ein von den Anliegern befürchtetes Befahren mit Mopeds und Motorrollern verhinderte, demnach alle Auflagen erfüllt waren, entschied das OVG gegen die Kläger. Allerdings wurde das Ballspielen nur bis 20 Uhr und nur Kindern bis 14 Jahren erlaubt. (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.08.2007, Az: 8 B 10784/07)
Spielabbruch nach Videobeweis
In Berlin hingegen klagten Anwohner erfolgreich beim Verwaltungsgericht gegen einen Bolzplatz. Dort wurde den Hobbykickern der auch im Profifußball diskutierte Videobeweis zum Verhängnis. Anlieger zeichneten auf, dass der abschließbare Platz auch außerhalb der Öffnungszeiten genutzt wurde. Die Zäune wurden überklettert – und das nicht nur von Kindern, auch von Erwachsenen, so dass die Lärmgrenzwerte regelmäßig überschritten wurden. Folge: Fangzäune, Tore und Bodenbelag wurden entfernt. (VG Berlin, Urteil vom 22.09.2006, Az: 10 A 239/05)
Zwei Stunden Halbzeitpause
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hingegen urteilte, dass ein Bolzplatz auch dann nicht automatisch geschlossen werden muss, wenn der von ihm ausgehende Lärm unerträglich für einen in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Hausbesitzer ist. Es reicht aus, wenn der Betreiber des Platzes Öffnungszeiten einführt. Das Gericht legte die Zeiten 8 bis 13 Uhr und 15 bis 20 Uhr fest. Außerdem wurde zur Auflage gemacht, die Einhaltung der Zeiten zu kontrollieren, was hier durch Schließung des Platzes an den Ruhezeiten erreicht werden sollte. (VGH Hessen, Urteil vom 30.11.1999, Az: 2 UE 263/97)
Auch auf dem Bolzplatz darf gefoult werden
Das Oberlandesgericht Hamm wies die Schmerzensgeldklage eines Neunjährigen ab, der auf dem Bolzplatz durch eine „Blutgrätsche“ eines 16jährigen zu Fall gebracht und verletzt worden war. Ob Fußball „regulär“ – also auf einem Fußballplatz mit Schiedsrichter – gespielt wird oder auf einem Bolzplatz, macht keinen Unterschied. Auch dort gelten die Regeln des Deutschen Fußballbundes. Das habe zur Folge, dass eine Verletzung, die nicht absichtlich verursacht wurde, weder Schadenersatz noch Schmerzensgeldansprüche bringen kann. Mit Betreten eines Platzes habe sich der Gefoulte freiwillig in Gefahr begeben.(OLG Hamm, Urteil vom 20.10.1997, Az: 13 U 62/97)
und…auch Richter kennen den Zustand von Bolzplätzen
Ein Erwachsener, der mit seinem Sohn sowie weiteren Vätern und deren Sprösslingen auf einem Bolzplatz kickte, knickte wegen einer Bodenunebenheit um und zog sich einen Fußwurzelausriss zu. Er meldete das Ereignis seiner privaten Unfallversicherung mit der Absicht, Leistungen für diesen Unfall zu erhalten. Das sah der Versicherer jedoch anders; es sei schließlich nicht bewiesen, dass die Verletzung tatsächlich durch eine Bodenunebenheit hervorgerufen worden war. Den Richtern beim Oberlandesgericht Hamm war jedoch „allgemein bekannt“, dass solche Bolzplätze häufig in einem schlechten Zustand sind. Auch das Argument der Versicherung, der Versicherte habe bei Abschluss der Police seine Fettleibigkeit verschwiegen (was die Verletzung aus Sicht der Gesellschaft begünstigt habe), konnte nicht durchdringen. Dem Mann habe ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig getroffen – und somit habe er einen zu entschädigenden Unfall erlitten. (OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2007, Az: 20 U 5/07)
Quelle: Tagesspiegel vom 14.06.2008