BayVGH – Annahme der fehlenden Fahreignung bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml und gelegentlichem Cannabis-Konsum


Die Fahrerlaubnisbehörde erhielt Kenntnis davon, dass der Antragsteller unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Die rund eine Stunde nach einer Polizeikontrolle durchgeführte Blutentnahme ergab eine Konzentration von 1,9 ng/ml THC, 19,1 ng/ml THC-COOH und 0,3 ng/ml Cannabinol in seinem Blut. Gegen den Antragsteller wurde wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG ein Bußgeld verhängt.
Dem Antragsteller wurde durch sofort vollziehbaren Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen. Nach den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 1. Februar 2005 sei die Fahrerlaubnis bereits ab einem Wert von 1,0 ng/ml THC zu entziehen. Dies ergebe sich sowohl aus Äußerungen des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 24. Januar 2005 wie auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Dezember 2004. Das Verwaltungsgericht München lehnte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs sowie der Klage ab; die Beschwerde des Antragstellers hiergegen war erfolgreich.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München entschied, dass je nach Wirkstoffmenge trotz Verbindung von Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme bei gelegentlichem Konsum unter Umständen zunächst eine MPU anzuordnen ist, bevor die Fahrerlaubnis entzogen werden darf. Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es nicht, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

(…) Entscheidend kommt es somit auf die Frage an, ob – wie vom Verwaltungsgericht München (…) angenommen – bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer mangelnden Trennung zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen werden muss, mit der Folge, dass nach § 11 Abs. 7 FeV eine unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV erfolgen kann.

Nachdem der Antragsteller die gelegentliche Einnahme von Cannabis eingeräumt hat, kommt hier Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zur Anwendung. Im Rahmen dieser Bestimmung kommt es nicht auf die subjektive Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit bzw. Fahrtüchtigkeit an. Ferner ist nicht erheblich, ob sich der Betroffene, etwa wegen des Zeitablaufs seit dem letzten Cannabiskonsum, wieder für fahrtüchtig halten durfte. Die genannten Gesichtspunkte könnten erst im Rahmen von Verhältnismäßigkeitserwägungen im Einzelfall (vgl. Vorbemerkung 3 zu Anlage 4 der FeV) Bedeutung erlangen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH vom 11.11.2004, Az. 11 CS 04.2348, SVR 2005, 152 f) ist im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vielmehr entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben. Bislang hat der Senat insbesondere unter Bezugnahme auf das im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378) zitierte Gutachten von Prof. Dr. …vom 15. August 2001 angenommen, dass bei THC-Konzentrationen bis 2,0 ng/ml nicht von einer Risikoerhöhung für den Straßenverkehr und infolgedessen auch nicht von einer im Sinn von § 11 Abs. 7 FeV feststehenden Fahrungeeignetheit wegen Missachtung des Trennungsgebots (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) auszugehen ist.

Nach dem Ergebnis der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten, da sich auch aus den seit der Entscheidung des Senats vom 11. November 2004 neu hinzugekommenen, dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen keine hinreichende wissenschaftlich fundierte Überzeugung für den niedrigeren Grenzwert von 1,0 ng/ml im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV gewinnen lässt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis im Falle des Antragstellers als gelegentlichem Cannabiskonsument war daher bei einer THC-Konzentration von 1,9 ng/ml nicht ohne weitere Aufklärung zulässig. (…)

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingt nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht zu der Annahme eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml zur Feststellung der fehlenden Trennung zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und dem Konsum von Cannabis.

Der Entscheidung des BVerfG vom 21. Dezember 2004 (Az. 1 BvR 2652/03, NJW 2005, 349 ff) lag die Überprüfung des Beschlusses des Senats für Bußgeldsachen des OLG Zweibrücken vom 13. November 2003 (Az. 1 Ss 215/03) zugrunde. In dem dortigen Fall war bei dem Betroffenen THC im Spurenbereich mit einer Konzentration von weniger als 0,5 ng/ml nachgewiesen worden. Das OLG Zweibrücken hatte entschieden, dass es einer Verurteilung wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis nicht entgegenstehe, dass THC nur noch im Spurenbereich nachweisbar war. § 24a Abs. 2 StVG erfordere nicht den Nachweis einer bestimmten Menge oder einer Einbuße an der Leistungsfähigkeit des Fahrers, sondern enthalte eine „echte Nullwertgrenze“.

Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O) festgestellt, es könne nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG ausreichen. Festgestellt werden müsse eine Konzentration, die es als möglich erscheinen lasse, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Die Möglichkeit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit werde in der Wissenschaft zum Teil erst bei Konzentrationen von über 1 ng/ml angenommen, wie in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren deutlich geworden sei, das mit dem Beschluss vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378 ff) geendet habe. Andere gingen davon aus, dass schon, aber auch erst ab dem von der Grenzwertkommission am 20. November 2002 angegebenen Grenzwert von 1 ng/ml eine Wirkung im Sinne von § 24a Abs. 2 StVG nicht mehr auszuschließen sei. Im Ergebnis lehnt das BVerfG die „Nullwertgrenze“ ab und stellt fest, dass § 24a Abs. 2 StVG bei verfassungskonformer Auslegung erst beim Nachweis von über 1,0 ng/ml THC im Blut eingreife. Eine weiter gehende Festlegung musste das BVerfG nicht treffen, da in dem zu entscheidenden Fall eines THC-Werts von weniger als 0,5 ng/ml bereits diese Feststellung zum Erfolg der Verfassungsbeschwerde führte. Das BVerfG nimmt Bezug auf den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Januar 2003 (Az. 4St RR 133/02, NJW 2003, 1681 f) sowie die Rechtsprechung einiger Verwaltungsgerichte, die ebenfalls einen Grenzwert von 1 ng/ml diskutierten, bei dessen Vorliegen die Annahme eines zeitnahen Cannabiskonsums mit einer entsprechenden Beeinträchtigung der Fahruntüchtigkeit gerechtfertigt sein könne.

Die zitierten Entscheidungen zwingen aber, wie nachfolgend dargestellt, nicht zur Annahme eines Grenzwerts von 1,0 ng/ml THC im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV:

Der vom BVerfG in Bezug genommene Beschluss des BayOblG vom 20. Januar 2003 (a.a.O.) betraf den Fall einer Revision gegen die Verurteilung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie die Verhängung eines Bußgeldes wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG. Bei dem dort Angeklagten war eine THC-Konzentration „im Bereich von 2 ng/ml“ gemessen worden; eine exakte Angabe des THC-Werts fehlt. Im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 24a Abs. 2 StVG führt das BayOblG aus, das Übermaßverbot sei nicht schon deshalb verletzt, weil bereits geringste Konzentrationen eines Betäubungsmittelwirkstoffs ohne jeden Nachweis physiologischer Wirksamkeit Grund der Bestrafung sein könnten. Vom blutanalytischen Wirkstoffnachweis würden nämlich nur Konzentrationen erfasst, die deutlich oberhalb des Nullwertes lägen. Derzeit liege die Nachweisfähigkeit bei 1 ng/ml im Serum. Diese Annahme des BayOblG dürfte zwischenzeitlich überholt sein, nachdem z. B. gerade in dem Fall, den das BVerfG mit Beschluss vom 21. Dezember 2004 (a.a.O.) entschieden hat, THC im Spurenbereich von weniger als 0,5 ng/ml im Blut nachgewiesen werden konnte. Nur an die Annahme, THC-Konzentrationen unter 1,0 ng/ml im Blut seien nicht nachweisbar, hat aber das BayOblG die Folgerung geknüpft, dass eine Ahndung nach § 24a Abs. 2 StVG erst ab einem Grenzwert von 1 ng/ml THC im Blut in Betracht komme. Mit der vom BVerfG im Beschluss vom 21. Dezember 2004 geforderten Möglichkeit einer Einschränkung der Fahruntüchtigkeit und mit der Frage, ab welcher THC-Konzentration diese anzunehmen sein könnte, setzt sich das BayOblG in seiner Entscheidung vom 20. Januar 2003 (a.a.O) nicht auseinander. Erst recht lässt sich daraus nicht wissenschaftlich tragfähig ableiten, ab einem Grenzwert von 1 ng/ml seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verkehrssicherheitsrelevante Auswirkungen und damit eine Risikoerhöhung für den Straßenverkehr zu erwarten, die die Annahme mangelnden Trennens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV rechtfertigen würden.

Weiter zitiert das BVerfG den Beschluss des VG München vom 26. Mai 2004 (Az. M 6a S 04.2632, Juris Nr. MWRE110590400). Das VG München hat hier in einem Fall des Konsums von Kokain und regelmäßigen Konsums von Cannabis (also nicht in einem Anwendungsfall von Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV) entschieden, das Risiko für den Verkehr sei jedenfalls ab einer THC-Konzentration von 2 ng/ml erhöht. Im Blut des dortigen Antragstellers war eine THC-Konzentration von 12,9 ng/ml nachgewiesen worden. Aus dieser Entscheidung lassen sich somit keine Erkenntnisse gewinnen, die für eine Absenkung des Grenzwerts im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auf 1 ng/ml sprächen.

Das gleiche gilt für die vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls in Bezug genommene Entscheidung des OVG Lüneburg vom 11. Juli 2003 (NVwZ-RR 2003, 899 ff). Bei dem dort Betroffenen war ein THC-Wert von 3,8 ng/ml festgestellt worden, gelegentlicher Konsum stand für das Gericht bei einem THC-COOH-Wert von 120 ng/ml fest. Das OVG Lüneburg hat in diesem Fall entschieden, dass jedenfalls ein den Grenzwert für die Anwendung von § 24a Abs. 2 StVG von 1 ng/ml erheblich übersteigender THC-Blutwert eines Kraftfahrzeugführers den Schluss auf mangelndes Trennungsvermögen bei gelegentlichem Cannabiskonsum zulasse. Bei dieser Konstellation und Formulierung kann der zitierten Entscheidung keine sichere Aussage dazu entnommen werden, was nach Auffassung des OVG Lüneburg für den Bereich zwischen 1 und 2 ng/ml gelten soll.

Auch der Beschluss des VGH Mannheim vom 10. Mai 2004 (VRS 107, 234 ff) lässt nicht den Schluss zu, dass von fehlendem Trennen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV bereits ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml auszugehen wäre. Die Entscheidung betrifft den Fall des bewussten Passivrauchens von Cannabis bei einem festgestellten THC-Wert von 5 ng/ml im Blut des Betroffenen. Hinsichtlich der THC-Konzentration, ab der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sein könne, greift der VGH Mannheim auf die Aussagen in dem vom BVerfG im Verfahren 1 BvR 2062/96 (Beschluss vom 20.6.2002, NJW 2002, 2378 ff) eingeholten Gutachten von Prof. Dr. … vom 15. August 2001 zurück, wonach bis zu einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml keine Risikoerhöhung festzustellen sei. Der VGH Mannheim referiert auch den Beschluss der Grenzwertkommission vom 20. November 2002, wonach im Rahmen von § 24a Abs. 2 StVG bereits eine THC-Konzentrationen von 1,0 ng/ml genügen soll, muss sich aber angesichts des im konkreten Fall gemessenen THC-Wertes von 5 ng/ml nicht abschließend dazu äußern, ob im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ein Grenzwert von 1,0 oder 2,0 ng/ml gelten soll.

Schließlich verweist das BVerfG in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2004 noch auf den Beschluss des OVG Koblenz vom 13. Januar 2004 (Az. 7 A 10206/03, DAR 2004, 413). Auch das OVG Koblenz wendet im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV den Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blut nicht ohne Einschränkungen an. Es zitiert in einem Fall, in dem ein THC-Wert von 2,0 ng/ml gemessen worden war, die schriftlich und in der mündlichen Verhandlung bekundeten gutachtlichen Äußerungen des Leiters des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Mainz, Prof. Dr. Dr. , welcher ausgeführt habe, dass derzeit, insbesondere im Hinblick auf eine bestimmte Konzentration von THC im Blut, kein Grenzwert als wissenschaftlich gesichert angesehen werden könne, bei dem von einem Drogeneinfluss ausgegangen werden könne, durch den die Verkehrssicherheit beeinträchtigt sei. Dies beruhe darauf, dass – anders als beim Alkohol – die Auswirkungen von Cannabis bei den einzelnen Drogenkonsumenten höchst unterschiedlich seien. Jedenfalls bei einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml könnten bei circa 50 % der Cannabiskonsumenten Beeinträchtigungen festgestellt werden, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten. Laut OVG Koblenz ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen für die Beantwortung der Frage, ob jemand ein Fahrzeug unter verkehrsrechtlich relevantem Cannabiseinfluss geführt hat, dass der Fahrer zum einen objektiv unter Einfluss dieser Droge gestanden haben muss. Dies sei in Anknüpfung an den durch die Grenzwertkommission am 20. November 2002 festgesetzten Grenzwert der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber 1,0 ng/ml THC im Blut bei der Fahrt aufgewiesen habe. Zum anderen sei zu verlangen, dass bei dem Fahrer cannabisbedingte Beeinträchtigungen aufgetreten seien, die im Allgemeinen Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs hätten. Solche Beeinträchtigungen sollten nach der Auffassung des OVG Koblenz zur Sicherung ihres Nachweises und der erforderlichen Objektivität zusätzlich zu den Feststellungen des kontrollierenden Polizeibeamten durch den die Blutprobe entnehmenden Arzt dokumentiert werden.

Auch das OVG Koblenz und der von ihm befragte Gutachter gehen demnach gerade nicht davon aus, dass bereits bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml verkehrssicherheitsrelevante Beeinträchtigungen zu erwarten sind und ein mangelndes Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV bei dieser Wirkstoffkonzentration ohne Weiteres anzunehmen ist. (…)

Bei der Bewertung der dargestellten Äußerungen und Gerichtsentscheidungen ist zu berücksichtigen, dass offenbar vielfach den verwendeten Begriffen eine höchst unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird (vgl. Eisenmenger, Drogen im Straßenverkehr – Neue Entwicklungen, NZV 2006, 24 ff; Prof. Dr. … in der gutachtlichen Äußerung vor dem Bundesverfassungsgericht, a.a.O.). Der bei der Auswertung sämtlicher zitierter Quellen gewonnene Eindruck, dass es derzeit keine gesicherte wissenschaftliche Grundlage für die Festlegung eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml THC im Blut im Rahmen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV gibt, wird dadurch noch verstärkt. (…)

Nach alledem erscheint es bei den bestehenden Unsicherheiten, insbesondere im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nicht gerechtfertigt, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit und von mangelndem Trennen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen, mit der Folge, dass dem Betroffenen automatisch gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV die Fahreignung abzusprechen und ihm gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml bestehen lediglich Eignungsbedenken im Sinne von § 46 Abs. 3 FeV. Um sie zu klären, ist der Fahrerlaubnisinhaber zunächst zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV aufzufordern, mit dem ermittelt werden kann, ob er künftig zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen wird. Die stattgefundene Fahrt mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml stellt in diesem Zusammenhang eine weitere, Eignungszweifel begründende Tatsache dar. Bei einer THC Konzentration, die geringer als 1,0 ng/ml ist, wird eine solche dagegen regelmäßig nicht vorliegen. (…)

BayVGH, Beschluss vom 25.01.2006, Az: 11 CS 05.1711
(veröffentlicht in DAR 2006, 407 ff.; Volltext www.verkehrslexikon.de

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