Schlaglöcher, Kanaldeckel, Sperrpfosten – der schlechte Zustand von Straßen und vor allem von Radwegen führt bei Radfahrern oft zu Stürzen und Verletzungen. Die Aussichten, die Kommunen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten für die entstandenen Schäden erfolgreich in Anspruch zu nehmen, sind allerdings gering. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss ein Verkehrssicherungspflichtiger nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen.
Vielmehr hat er nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die nach den Sicherheitserwartungen der jeweiligen Verkehrsteilnehmer dem Verkehrssicherungspflichtigen einerseits wirtschaftlich zumutbar und andererseits geeignet sind, solche Gefahren abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder nicht ganz fernliegendem bestimmungswidrigem Gebrauch des Verkehrsweges drohen und die der Benutzer bei Beobachtung der ihm abzuverlangenden eigenen Sorgfalt selbst nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann (vgl. BGH NJW 1970, 1126; BGH NJW 1978, 1629, BGH NJW 1985, 1076; BGH VersR 1975, 812; BGH VersR 1979, 1055). Gefahren, die ein sorgfältiger Benutzer bereits mit einem beiläufigen Blick selbst erfassen kann, erfordern mithin keine besonderen Maßnahmen; vor ihnen muss insbesondere auch nicht gewarnt werden (vgl. BGH VersR 1979, 262). Verkehrsteilnehmer, so auch Radfahrer, haben die Straße demnach so hinzunehmen, wie sie sich ihnen erkennbar darbietet. Lediglich schwer erkennbare Gefahrenstellen müssen die Gemeinden beseitigen oder zumindest davor warnen.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
Oberlandesgericht Stuttgart – Sturz über Kanaldeckel
Rennradfahrer sind infolge der dünnen Reifenstärke besonders gefährdet, durch Unebenheiten, Steine, Gleise und Schachtdeckel zu Fall zu kommen. Demnach trifft diese auch eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht. In einem vom Oberlandesgericht Stuttgart dem entschiedenen Fall war ein Rennradfahrer mit seinem Vorderrad im seitlichen Längsschlitz eines Schachtdeckels hängen geblieben und gestürzt. Zwar müsse die Gemeinde an besonderen Gefahrenstellen Warnschilder aufstellen. Das gelte aber nur dann, wenn die Gefahrenpunkte für den sorgfältigen Straßenbenutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar seien. Die Gemeinde hätte im entschiedenen Fall zwar kein Warnschild vor dem Schachtdeckel aufgestellt. Statt dessen sei dort aber die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt und der Schacht farblich deutlich von der sonstigen Fahrbahndecke markiert worden. Das reiche aus, weil die Gefahr so für die Verkehrsteilnehmer leicht erkennbar gewesen sei. Einen Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung gegen die Gemeinde lehnte das OLG Stuttgart daher ab.
Oberlandesgericht Stuttgart, AZ: 4 U 95/02
(Pressemitteilung der Rechtsanwaltskammer Saarland)
LG Rostock – Loch an Loch
Auch wer auf einer von Schlaglöchern übersäten Straße zu Fall kommt, hat nach Ansicht des Landgericht Rostock keinen Anspruch gegen die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde. In dem entschiedenden Fall war eine Radfahrerin einem der zahlreichen Schlaglöcher ausgewichen und zu Fall gekommen zu sein. Angesichts des gut erkennbaren Zustandes des Fahrradweges hätte die Klägerin ihre Geschwindigkeit vermindern müssen. Wegen der offenkundigen Gefahr durch die zahlreichen Löcher zu Fall zu kommen, bestand keine Verkehrssicherungspflicht der beklagten Gemeinde, den Fahrradweg auszubessern oder vor etwaigen Gefahren durch Schlaglöcher zu warnen.
LG Rostock, Urteil vom 25.08.2004, AZ: 4 O 139/04
LG Aachen – Auf eigenes Risiko im Wald
Ein Radfahrer war auf einem Weg, der nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegeben war, in ein Schlagloch geraten und schwer gestürzt. Er klagte vor dem Landgericht Aachen erfolglos gegen die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde auf Schadensersatz. Nach Auffassung des Gerichts habe die beklagte Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Diese sei bei derartigen Wegen niedriger anzusetzen als bei Straßen, die für den allgemeinen Verkehr freigegeben seien. Auf einem Wirtschaftsweg sei grundsätzlich mit schadhaften Stellen zu rechnen. Hierauf habe sich der radfahrende Wegbenutzer einzustellen.
LG Aachen, Urteil vom 25.04.1997, AZ: 4 O 294/96
(www.verkehrsanwaelte.de)
OLG Karlsruhe – Sturz in die Baugrube
Eine Baugrube unmittelbar neben einem Radweg wurde einer Radfahrerin zum Verhängnis. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, dass bei Bauarbeiten im öffentlichen Straßenraum neben der ausführenden Baufirma und dem Bauherrn auch die Kommune verkehrssicherungspflichtig ist und diese die Verkehrssicherungspflicht verletzten, da die Grube nicht durch einen festen Bauzaun gesichert war. Allerdings sei der Klägerin ein Mitverschulden anzulasten, da diese den Radweg verbotswidrig entgegen der zulässigen Fahrtrichtung (§ 2 Abs. 2 StVO; vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. Rn. 67a 67b zu § 2 StVO befahren habe. Die Radfahrerin erhielt daher nur 50 Prozent ihres Schadens ersetzt.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2005, AZ: 7 U 161/03
(Volltext als pdf beim ADFC)
OLG Rostock – unbeleuchtete Sperrpfosten
Eine Radfahrerin, die bei einer abendlichen Fahrt auf einem Radweg mit einem dort aufgestellten Sperrpfosten kollidierte und sich verletzte, erhielt vom Oberlandesgericht Rostock Schadenersatz zugesprochen, da die Gefahrenstelle nicht durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden sei, sondern von der verkehrssicherungspflichtigen Stadt selbst geschaffen wurde. An die Sicherungspflicht sei daher ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Zwar durfte die Stadt auf dem Radweg Metallpfähle aufstellen, allerdings seien diese so zu gestalten, dass sie auch rechtzeitig wahrzunehmen sind. Werde der Radweg nicht durch Straßenlaternen oder andere Lichtquellen ausgeleuchtet, müsse eine bei Dunkelheit reflektierende Farbe aufgetragen oder aber Reflektoren (sogenannte Katzenaugen) angebracht werden.
OLG Rostock, Urteil vom 13.05.2005, AZ: 1 U 197/02
OLG Hamm – unbeleuchtete Sperrpfosten und Fahradbeleuchtung
Auch das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass eine Kommune ihre Verkehrssicherungspflicht für einen Radweg verletze, wenn auf diesem unbeleuchtete Sperrpfosten errichtet werden. Die Klägerin war in der Nacht mit ihrem Fahrrad gegen einen solchen rot-weiß lackierten, aber unbeleuchteten Pfosten gefahren. Sie stürzte und verletzte sich dabei. Allerdings erhielt die Klägerin in diesem Fall nur 2/3 ihres Schadens ersetzt, da die Beleuchtung ihres Fahrrades so schwach war, dass die Erkennbarkeit des Sperrpfosten erheblich erschwert wurde. Das OLG Hamm sah darin ein Mitverschulden. Die Klägerin hätte auf Sicht fahren und für eine ausreichende Fahrradbeleuchtung sorgen müssen.
OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2001, AZ: 9 U 252/98
OLG Köln – Weidedraht im Wald
Ein Mountainbike-Fahrer, der einen entlegenen Waldweg entlang fuhr und gegen einen in einer Höhe von einem Meter quer über den Weg gespannt dünnen, schwer erkennbaren Weidedraht prallte, erlitt schwere Verletzungen und klagte gegen den Landwirt, der den Draht gespannt hatte. Das Landgericht Köln hatte die Klage des Verletzten auf Schadenersatz abgewiesen, vor dem Oberlandesgericht Köln bekam der Radfahrer recht. Die übliche Praxis, Drähte zu spannen, um das Vieh daran zu hindern in den Wald zu laufen, mag früher als gefahrlos erachtet worden sein, sei es inzwischen aber nicht mehr. Wald- und Wiesenwege werden vermehrt von Joggern, Radfahrern und Mountainbike-Fahrern bevorzugt benutzt. Auf dieses veränderte Freizeitverhalten hätten sich die betroffenen Landwirte einzustellen, insbesondere sei sicherzustellen, , dass auch andere Personen den Draht nicht missbräuchlich über den Weg spannten.
OLG Köln, Urteil vom 23.01.1998, AZ: 19 U 109/97 (in MDR 1998, 718; VersR 1998, 860 und r+s 1999, 410)
Quelle: Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club (ADFC) – Mitteilung vom 24. August 2005