Bundesverfassungsgericht – Strafbarkeit des Geschwisterinzests ist verfassungsgemäß


Beischlaf zwischen leiblichen Geschwistern bleibt strafbar, die Strafnorm ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Der Gesetzgeber hat seinen Entscheidungsspielraum nicht überschritten, indem er die Bewahrung der familiären Ordnung vor schädigenden Wirkungen des Inzests, den Schutz der in einer Inzestbeziehung „unterlegenen“ Partner sowie ergänzend die Vermeidung schwerwiegender genetisch bedingter Erkrankungen bei Abkömmlingen aus Inzestbeziehungen als ausreichend erachtet hat, das in der Gesellschaft verankerte Inzesttabu strafrechtlich zu sanktionieren.

Damit war die Verfassungsbeschwerde des wegen Beischlafs zwischen Verwandten gemäß § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilten Beschwerdeführers ohne Erfolg. Der Richter Hassemer hat der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt. Nach seiner Auffassung steht die Norm mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang. Die Norm verfolgt schon kein Regelungsziel, das in sich widerspruchsfrei und mit der tatbestandlichen Fassung vereinbar wäre. Für die Ziele, die man dem Tatbestand heute unterlegt, bietet § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB keinen geeigneten Weg. Es gibt mildere, und überdies besser geeignete, Instrumente als die Strafdrohung, und die Vorschrift ordnet übermäßig belastende Rechtsfolgen an.

Die der Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen, insbesondere die lesenswerte abweichende Meinung des Richters Hassemer, können der Pressemitteilung bzw. der vollständigen Entscheidung entnommen werden.

BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 – (Volltext)

Die hinter der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehende Geschichte eines Geschwisterpaares aus Sachsen ist in einem hervorragenden Artikel in der Online Ausgabe der Zeit dargestellt. Eine rechtliche Analyse des Inzestparagrafen der Studenten der Rechtswissenschaften Ali Al-Zand und Jan Siebenhüner, veröffentlicht in der Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 2006, ist im lawblog abrufbar.

Quellen:
Pressemitteilung des BVerfG Nr. 29/2008 vom 13. März 2008
Die Zeit-Online vom 08.11.2007 – Evelyn Finger, Das letzte Tabu
Al-Zand/Siebenhüner, KritV 2006, 68 ff. (PDF via lawblog)