OVG des Saarlandes – Fussballfans müssen sich nicht ausziehen


Bei einem Zweitligaspiel des 1. FC Saarbrücken gegen den 1. FC Dynamo Dresden am 11. März 2005 mussten sich alle angereisten Dynamo-Fans vor dem Saarbrücker Ludwigsparkstadion vor den Augen der Polizei nackt ausziehen, darunter auch eine 16jährige, die gegen diese Maßnahme klagte. Während das Verwaltungsgericht des Saarlandes mit seinem Urteil vom 27. April 2006 an der Maßnahme nichts auszusetzen hatte, befand das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 30.11.2007, dass die körperliche – mit Entkleiden verbundene – Durchsuchung der Klägerin rechtswidrig war.

Was war passiert? Aufgrund von Erkenntnissen der Polizei waren sog. unverdächtige Dynamo-Fans, insbesondere Frauen, bei zwei vorhergehenden Fußballspielen zum schmuggeln verbotener Gegenstände (Feuerwerkskörper, Leuchtspurmunition) in die Stadien genutzt worden. Die pyrotechnischen Gegenstände seien unter der Kleidung am Körper versteckt – auch im Intimbereich – in die Stadien eingeschleust und eingesetzt worden. Unmittelbar vor dem Stadioneingang war daher ein Bereich durch Beamte des Polizeibezirks Saarbrücken-Stadt abgesperrt. An einer eingerichteten Druchlassstelle wurde der Ausweis der Klägerin kontrolliert. Nach einer Wartezeit von etwa einer Viertelstunde wurde die Klägerin in ein Zelt hereingerufen, in dem auf beiden Seiten mehrere Kabinen aufgebaut waren, auf der rechten Seite wurden Männer kontrolliert, auf der linken Seite die Frauen. Der Eingang der Kabinen war jeweils zum Gang gelegen und nicht mit Vorhängen versehen. Die Klägerin musste sich der Reihe nach der einzelnen oberen Kleidungsstücke entledigen, gefolgt von der Hose, den Schuhen und der linken Socke. Jedes der Kleidungsstücke wurde einzeln kontrolliert, ehe das nächste auszuziehen war. Am Ende der Durchsuchung wurde die Klägerin angewiesen, den BH für eine Abtastkontrolle nach oben umzuklappen. Der Slip musste bis zu den Knien heruntergezogen werden und die Klägerin musste eine vollständige Körperdrehung durchführen.

Die Durchsuchung der Klägerin war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts des Saarlandes rechtmäßig gewesen, ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht sei nicht festzustellen. Die Gefahr, dass Pyrotechnik in das Stadion geschmuggelt werde bestand, die damit verbundene Gefahr für anderer Besucher des Fußballspiels habe damit den Anlass für die Durchsuchung aller Auswärtsfans gegeben.. Die Klägerin habe von ihrem äußeren Erscheinungsbild in das dargestellte Raster der möglicherweise verdächtigen Personen gepasst. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig gewesen, da der Durchsuchungszweck durch bloßes Abtasten nicht hätte erreicht werden können. Ein Einblick in das Kabineninnere sei während der Durchsuchungsmaßnahme allenfalls nur eingeschränkt möglich gewesen. Die Klägerin hätte die Maßnahme auch abwenden können, indem sie das Spiel nicht besucht.

Die Klägerin legte mit Erfolg Berufung ein. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes ist in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die körperliche – mit Entkleiden verbundene – Durchsuchung der Klägerin durch Polizeibeamtinnen rechtswidrig war. Zwar durften Spielbesucherinnen und Spielbesucher, die den im Vorfeld mitgeteilten Kriterien potentiellen Transporteure von Pyrotechnik entsprachen, zur Abwendung der aufgrund entsprechender Vorfälle bei vorangegangenen Spielen zu befürchtenden Gefahren für Leib und Leben grundsätzlich durchsucht werden. Dabei konnte angesichts des hohen Ranges der bedrohten Rechtsgüter prinzipiell auch eine mit einem Entkleiden verbundene – einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellende – Durchsuchung potentiellen Transporteure im Einzelfall zulässig sein. Zu beanstanden war im Falle der Klägerin die Maßnahme jedoch deshalb, weil die von der Polizei entwickelten Kriterien zur Bestimmung potentieller Transportpersonen – von der Natur der Sache her – „unscharf“ waren und erwarten ließen, dass es sich bei der überwiegenden Mehrheit der hiernach zur Durchsuchung ausgewählten Personen um „harmlose“ Spielbesucherinnen und Spielbesucher handeln würde, gleichwohl aber zusätzliche Vorgaben zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit fehlten, die hätten sicherstellen können, dass sich die Inanspruchnahme der so genannten „Unverdächtigen“ auf das unerlässliche Minimum beschränkte. Gemessen hieran waren Umfang sowie Art und Weise der Durchsuchung der Klägerin unverhältnismäßig.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 30.11.2007, AZ: 3 R 9/06 (Volltext auf www.lawblog.de als pdf)
Vorinstanz: Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 27.04.2006, AZ: 6 K 74/05 (Volltext der Entscheidung auf www.fcc-supporters.de als pdf)

Quellen:
Lawblog vom 6.6.2006 – Die Welt nackt zu Gast bei Freunden
Lawblog vom 9.6.2006 – „Erniedrigt und beschmutzt“
Lawblog vom 17.12.2007 – Urteil zur Nacktkontrolle im Stadion

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