OLG Hamm – Kein Anlegen des Sichergurtes wenn dieser nur unter der Achsel hindurchführt wird


Ein Kraftfahrer hatte sich nach Auffassung des Amtsgerichts Hagen nicht ordnungsgemäß angeschnallt und verurteilte ihn zu einer Geldbuße in Höhe von 30,00 EUR. Der Betroffene hatte den Sicherheitsgurt zwar angelegt, allerdings war dieser unter der Achsel durch über die Brust bis zum Schloß des Gurtes geführt und dort eingeklinkt. Der Betroffene war mit dieser Verurteilung nicht einverstanden, nach seiner Meinung sei die Art des Anlegens eines Sicherheitsgurtes gesetzlich nicht geregelt, vielmehr liege insoweit eine Regelungslücke vor.

Da die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,00 Euro betrug, musste der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragen. Nach § 80 Abs. 2 OWiG ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit so genannten weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts oder wenn das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist. Bei einer Verurteilung bis 100,00 Euro kann die Rechtsbeschwerde nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden; die Zulassung ist insoweit bei Verstößen bis 100,00 Euro noch weiter eingeschränkt. Eben so wenig kann die Rechtsbeschwerde wegen der Verletzung formellen Rechts zugelassen werden.

Der Antrag wurde vom OLG Hamm mit Beschluss vom 29. 10. 2007, Az: 2 Ss OWi 695/07, verworfen.

Aus den Gründen:

Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt vorliegend nicht zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, die noch offen, zweifelhaft oder bestritten ist (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rd. 3 mit weiteren Nachweisen). Das Vorbringen in dem Zulassungsantrag lässt eine solche Rechtsfrage nicht erkennen. Insbesondere ist der Wortlaut des § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO nicht klärungsbedürftig. Danach müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt „angelegt“ sein. Das Amtsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Betroffene der Gurtanlegepflicht nicht nachgekommen ist, weil er – wie das Amtsgericht festgestellt hat – das Gurtschloss zwar verriegelt, den Schultergurt jedoch nicht über die Schulter, sondern unter dem linken Arm geführt hatte.

Damit hatte er den vorgeschriebenen Sicherheitsgurt nicht angelegt im Sinne des § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO. Es ist hinreichend geklärt, dass das Anlegen des Sicherheitsgurtes nicht die beliebige Verwendung des Gurtes in irgendeiner Art und Weise bedeutet, sondern dass der Gurt nur dann „angelegt“ ist, wenn er entsprechend seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch ordnungsgemäß benutzt wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn er so verwendet wird, dass er die ihm zugewiesene Schutzfunktion im Schulter- und Beckenbereich des Fahrzeuginsassen erfüllen kann, was nur dann zu bejahen ist, wenn der Schultergurt auch tatsächlich über die Schulter geführt wird (vgl. hierzu OLG Hamm VRS 69, 460; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 21 a StVO Rdnr. 4 m. w. Nachweisen).

Von dieser Gurtanlegepflicht war der Betroffene auch nicht etwa nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 – 6 StVO befreit. Diese Auslegung der Vorschrift über die Anschnallpflicht entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Es ist erwiesen, dass durch die Benutzung von Sicherheitsgurten die Zahl der Unfalltoten und Schwerverletzten erheblich gesenkt werden kann. Körperverletzungen bei Verkehrsunfällen können durch ordnungsgemäßes Anlegen eines Sicherheitsgurtes vermieden oder zumindest abgeschwächt werden (vgl. Hentschel, a.a.O., § 21 a StVO Rdnr. 1).

Ein derartiger Erfolg kann jedoch nur dann in vollem Umfang eintreten, wenn die vorgeschriebenen Sicherheitsgurte von den Fahrzeuginsassen so benutzt werden, wie es aufgrund der Konstruktion der Gurte vorgesehen ist. Nur der angepasste Gurt sichert optimal. Er muss der Körperbeschaffenheit des Trägers entsprechen, richtig angepasst und so angelegt sein, dass er die durch § 35 a StVZO erstrebte Rückhaltewirkung vollständig erfüllt (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Das ist u.a. nicht der Fall, wenn der Schultergurt wie im vorliegenden Fall – unter der Achsel hindurchgeführt wird. Nach den vorstehenden Ausführungen ist den genannten Vorschriften mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen, welche Handlung mit Geldbuße bedroht ist (§ 1 OWiG). Der Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) ist bei der hier vorgenommnen Auslegung der genannten Vorschrift der StVO nicht verletzt.

OLG Hamm, Beschluss vom 29. 10. 2007, Az: 2 Ss OWi 695/07