Advent, Advent, die Wohnung brennt!


Wenn der Adventskranz oder der Weihnachtsbaum in Flammen aufgehen, ist der Schaden zumeist groß. Feuer zählt zu den versicherten Risiken bei einer Hausratversicherung, Folgeschäden etwa durch Löschwasser müssen ebenfalls ersetzt werden. Die Hausrat- oder Feuerversicherungen werfen den Betroffenen aber oft grobe Fahrlässigkeit vor und weigern sich, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Ob der Vorwurf grober Fahrlässigkeit und damit eine Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 61 Versicherungsvertragsgesetz auch gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

Einige Beispielfälle:

OLG Köln, Urteil vom 27.09.1994, AZ: 9 U 150/94

Ein Wohnungsbrand war aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Adventskranz ausgegangen. Der klagende Versicherungsnehmer hatte behauptet, die Kerzen am Adventskranz ausgeblasen zu haben. Er konnte aber nicht sicher sagen, ob alle Kerzen wirklich komplett aus waren. Die Versicherung, die sich weigerte zu zahlen, konnte sich allerdings nach dem Urteil des OLG Köln nicht auf Leistungsfreiheit nach § 61 VVG berufen, weil der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Ein besonders sorgfältiger Versicherungsnehmer werde, wenn er die Kerzen an einem Adventskranz ausblase, sich sicher darüber Gewissheit verschaffen, dass es hierbei zu keinem Funkenflug gekommen sei und er werde auch abwarten bis alle glimmenden Dochte erloschen sein. Wer dies nicht tue, handele zumindest leicht fahrlässig, zumal dann, wenn, wie im Fall, der Adventskranz bereits mehrere Wochen alt und dementsprechend leicht entflammbar sei. Dieses Verhalten aber als grob fahrlässig zu bezeichnen, sei überzogen.

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.10.2001, AZ: 7 S 4333/01

Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied, dass es nicht grob fahrlässig sei, einen brennenden Adventskranz nur kurz unbeaufsichtigt zu lassen, um zur Toilette zu gehen und dann wegen des Läutens an der Haustür einem Gast – ohne im Besitz des Wohnungsschlüssels zu sein – die Haustür zu öffnen, während die nur angelehnte Wohnungstür ins Schloss fällt, während sich in der Abwesenheit ein Wohnungsbrand entwickelt. Zwar sei dies als schuldhaft, keinesfalls aber als unverzeihlich und schlechthin unentschuldbar zu bewerten.

OLG Oldenburg, Urteil vom 29.09.1999, AZ: 2 U 161/99

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung begründet das Brennen lassen einer Kerze in unbeaufsichtigtem Zustand nicht ohne weiteres stets den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Insbesondere dann, wenn etwa ein Versicherungsnehmer beabsichtigt, eine oder mehrere brennende Kerzen zu löschen, und er sich nur durch eine kurzfristige Ablenkung von dem beabsichtigten Auslöschen abbringen lässt, spricht dies in der Regel gegen ein grob fahrlässiges Verhalten (BGH VersR 1986, 254). So ist ein grob fahrlässiges Verhalten etwa verneint worden, wenn eine Person aufgrund eines Telefongesprächs einen Raum mit brennenden Kerzen in einem Adventsgesteck vorübergehend verlässt (OLG Hamm r + s 1989, 334) oder ein Versicherungsnehmer zu Weihnachten brennende Kerzen zu löschen vergisst, weil ein kleines Kind quengelt und er sich deshalb bereit findet, einen neuen Puppenwagen vor dem Hause auszuprobieren (OLG Düsseldorf r + s 1998, 424).

Bei dem hier vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall lag der Sachverhalt ähnlich . Die Ehefrau des Versicherungsnehmers wollte die Kerzen amAdventsgesteck löschen, handelte jedoch nicht entsprechend ihrer ursprünglichen Absicht, weil es zwischen ihr und ihrem ansonsten folgsamen 10-jährigen Sohn zu einer heftigen Auseinandersetzung kam, während ihre beiden weiteren 4- und 8-jährigen Kinder schon zu dem vor dem Hause parkenden Pkw liefen, in welchem der Versicherungsnehmer wartete. Unter den genannten Umständen falle der Ehefrau des Versicherungsnehmers zwar ein nicht unerhebliches Verschulden zur Last, dieses ist aber eben nicht als schlechterdings unentschuldbar zu qualifizieren.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.03.1998, AZ: 4 U 49/97

Ähnlich der vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall. Das Gericht brachte Verständnis dafür auf, dass die Klägerin an die brennenden Kerzen nicht mehr gedacht oder aber das Gefühl gehabt hat, die Kerzen seien schon gelöscht gewesen, als sie am 25. Dezember ihrem kranken, quengelnden Kind nachgab und sich bereit fand, den neuen Puppenwagen „mal eben“ vor der Tür auszuprobieren. Das Bewusstsein einer aktuellen Gefährdung durch das Adventsgesteck konnte überdies nachvollziehbarer Weise auch deshalb zurückgedrängt sein, weil die Klägerin ihren Mann noch im Hause wusste und angesichts der gerade erst um ein Viertel herabgebrannten „Kilokerzen“ leicht ein Gefühl trügerischer Sicherheit erwachsen konnte. Es ist durchaus denkbar, dass das Gesteck infolge Durchzugs etwa infolge Öffnens der Haustür Feuer gefangen hat. Unter, den hier gegebenen Umständen ist es zwar als schuldhaft, aber eben nicht als unverzeihlich zu qualifizieren, einen solchen Hergang nicht von vornherein ins Auge gefasst zu haben.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.1999, AZ: 4 U 182/98

Am 1. Weihnachtsfeiertag entzündete der Kläger nach dem Aufstehen zunächst im Wohnzimmer die Kerzen des aus echtem Tannengrün gebundenen Adventskranzes, der auf einer Glasplatte auf dem mit einer Kunststofftischdecke gedeckten Wohnzimmertisch stand. Anschließend bereitete er in der Küche den Frühstückskaffee zu und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken, von der er danach aufgehalten wurde. Er verließ das Schlafzimmer erst einige Zeit später. Dabei bemerkte er Brandgeruch und Rauchschwaden im ganzen Haus, die durch den Adventskranz im Wohnzimmer verursacht wurden, der sich zwischenzeitlich entzündet hatte. Die alarmierte Feuerwehr musste nicht mehr eingreifen, da es dem Kläger bis zu ihrem Eintreffen gelang, den Brand selbst zu löschen. Der Kläger hat den Versicherungsfall zwar durch sein Verhalten herbeigeführt, denn er hat den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der versicherten Gefahr deutlich unterschritten, indem er den Adventskranz, der zum Zeitpunkt des Schadensfalls bereits 4 Wochen alt und ausgetrocknet war, über längere Zeit unbeaufsichtigt hat brennen lassen. Es muss aber auch selbständig festgestellt werden, dass dem Versicherungsnehmer ein unentschuldbares Fehlverhalten auch persönlich vorzuwerfen ist, also in subjektiver Hinsicht ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit erheblich gesteigertes Verschulden vorgelegen hat, das als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist. Das ist Sache des für sämtliche Voraussetzungen des § 61 VVG darlegungs- und beweispflichtigen Versicherers. Dies ist der beklagten Versicherung nicht gelungen, weshalb sie zu zahlen hatte.

OLG München, Urteil vom 28.10.1998, AZ: 20 U 5148/98

Die Klägerin war bei brennenden Kerzen auf dem Sofa eingeschlafen, es kam zu einem Wohnungsbrand. Das Gericht wertete unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles das Verhalten der Klägerin nicht als (objektive und subjektive) grob fahrlässige Herbeiführung des Brandfalles und verwies dazu auf die ähnlich gelagerte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02. April 1986 (VersRecht 1986, S. 671). Die Räumlichkeit, in der sich die Klägerin aufhielt, stellt mit der Brandörtlichkeit eine Einheit dar. Ständiger unmittelbarer Blickkontakt mit den brennenden Kerzen sei nicht zwingend erforderlich. Der Klägerin könne es auch nicht angelastet werden, sich gegen 16.00 Uhr nachmittags auf dem Sofa vor dem Fernseher „niedergelegt“ zu haben und eingeschlafen zu sein.

Allerdings gibt es auch Entscheidungen, die eine Leistungsfreiheit der Versicherer bestätigten:

Hanseatisches OLG, Urteil vom 05.05.1993, AZ: 5 U 231/92

Den Klägern stehen Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis nicht zu, weil die Beklagte nach § 61 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit ist. Der in der Wohnung des Klägers entstandene Sachschaden ist nach Überzeugung des Senats durch grobe Fahrlässigkeit verursacht worden. Hier hat der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau die Wohnung für etwa 15 Minuten verlassen, um einen im gleichen Hause wohnenden Nachbarn aufzusuchen, ohne dass zuvor die beiden im Wohnzimmer an einem Adventskranz brennenden Kerzen gelöscht worden sind. Objektiv liegt eine erhebliche Leichtfertigkeit darin, angesichts der von einer offenen Flamme ausgehenden Brandgefahr zwei brennende Adventskerzen während eines Zeitraumes von 15 – 20 Minuten sich selbst zu überlassen. Anders als es das Landgericht gesehen hat, hält der Senat das Verschulden des Klägers auch subjektiv für so schwerwiegend, dass von einer groben Fahrlässigkeit gesprochen werden muss.

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.12.1998, AZ: 32 C 2597/98-40


Der Klägerin steht kein Anspruch gegen den Beklagten zu, weil der Beklagte von der Leistungspflicht frei ist. Die Klägerin hat den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt. Der grobe Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht liegt darin, dass die Klägerin die Kerzen auf einem 2 Monate alten Adventskranz entzündet und den Adventskranz danach nicht ständig im Auge behalten hat. Es ist nach aller Lebenserfahrung sehr naheliegend und – jedenfalls nach kürzestem Nachdenken ohne weiteres einsichtig, dass ein mindestens 2 Monate alter Adventskranz, der schon 2 Monate an der Zimmerdecke hängt, zwangsläufig trocken ist und deshalb sehr schnell in Flammen aufgehen kann. Diese Gefahr liegt auch dann nahe, wenn der Kranz erstaunlicherweise nach 2-monatiger Austrocknungsdauer weder nadelt noch sonstige Anzeichen von Austrocknung zeigt. Wer die Kerzen auf einem so alten Adventskranz anzündet, muss den Adventskranz ständig im Auge behalten, um in dem sehr naheliegenden Fall, dass der ganze Kranz Feuer fängt, sofort adäquat reagieren und eine Inbrandsetzung weiterer Gegenstände verhindern zu können. Wer solche Vorsichtsmaßregeln missachtet und sich der Einsicht in die alleine aufgrund des Alters, unabhängig von dem Aussehen, des Adventskranzes bestehende Entzündungsgefahr verschließt, handelt nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv grob fahrlässig.

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