Bundesarbeitsgericht – Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei betrieblich veranlasster Autofahrt des Arbeitnehmers


Eine Arbeitnehmerin war bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt. Bei ihren Baustelleneinsätzen im gesamten Bundesgebiet benutzte sie ihren eigenen Pkw. Auf der Rückfahrt von einer Baustelle ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug der Arbeitnehmerin beschädigt wurde. Die Arbeitnehmerin verlangte von ihrem Arbeitgeber Schadenersatz, da sie sich auf einer betrieblich veranlassten Fahrt befunden habe. Der Arbeitgeber bestritt, die Arbeitnehmerin angewiesen zu haben, mit dem eigenen Pkw zur jeweiligen Baustelle zu fahren.

Es sei, so der Arbeitgeber, ausschließlich Sache des jeweiligen Arbeitnehmers, wie er zu der angewiesenen Baustelle komme, ob er mit dem Zug oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit einem Pkw dorthin gelangt. Zwar sei man bei weiter entfernten Einsatzorten bei der Organisation der Anreise behilflich und erstatte auch die Kosten. Dies geschehe im Interesse der Mitarbeiter und der Kunden, nicht aber in Erfüllung einer bestehenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung.

Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte die Klage der Arbeitnehmerin keinen Erfolg. Die dagegen eingelegte Revision zum Bundesarbeitsgericht führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 23. 11. 2006 – 8 AZR 701/ 05).

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die ständige Rechtsprechung, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich Schadensersatz leisten muss, wenn ein Arbeitnehmer mit Billigung des Arbeitgebers sein Privatfahrzeug in dessen Betätigungsfeld einsetzt und das Fahrzeug durch einen Unfall beschädigt wird. Abhängig vom Grad eines etwaigen Verschuldens des Arbeitnehmers an der Unfallverursachung, muss der Schaden sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer anteilig getragen werden. Im konkreten Fall hatte das Landesarbeitsgericht nicht geklärt, ob die Nutzung des Privatfahrzeuges der Arbeitnehmerin im Betätigungsbereich der Beklagten erfolgte oder nicht, daher wurde der Rechtsstreit zur Durchführung der Beweisaufnahme zurückverwiesen.

Aus den Gründen:

Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Mai 1980 (- 3 AZR 82/ 79 – BAGE 33, 108 = AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 6) ist es ständige Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden in entsprechender Anwendung des § 670 BGB ersetzen muss, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müsste (zuletzt Senat 17. Juli 1997 – 8 AZR 480/ 95 – AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 14 = EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6).

Im Betätigungsbereich des Arbeitgebers wird das Fahrzeug des Arbeitnehmers auch dann eingesetzt, wenn der Arbeitnehmer aufgefordert wird, das eigene Fahrzeug zu nutzen, statt eines Fahrzeugs des Arbeitgebers. Dabei ist es nicht entscheidend, dass nach Angaben der Klägerin ursprünglich nicht ein Fahrzeug des Arbeitgebers, sondern das der Entleiherfirma eingesetzt werden sollte. Die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den Arbeitnehmer fällt in den Risikobereich des Arbeitgebers, wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt (vgl. Brox Anm. AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 6).

Anders verhält es sich, wenn die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass der Klägerin freigestellt war, ob sie zu der Baustelle bei Würzburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt oder im eigenen Interesse ihr eigenes Fahrzeug nutzt. In diesem Fall wäre die Nutzung des eigenen Fahrzeugs nicht im Betätigungsbereich der Beklagten erfolgt.

Sollte das Landesarbeitsgericht auf Grund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihr Fahrzeug im Betätigungsbereich der Beklagten eingesetzt, wäre der Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB analog zuzusprechen. Bei der Prüfung eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 BGB sind die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung (BAG Großer Senat 27. September 1994 – GS 1/ 89 (A) – BAGE 78, 56 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 59) anzuwenden (Senat 17. Juli 1997 – 8 AZR 480/ 95 – AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 14 = EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6, zu II 4 der Gründe).

BAG, Urteil vom 23.11.2006, Az: 8 AZR 701/05, (Lexetius.com/2006,3952)

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