BGH: Verurteilung wegen Doppelmordes rechtskräftig


Seit dem 15. Juli 2006 werden Karen Gaucke und ihre sieben Monate alte Tochter Clara aus Hannover vermisst. Karen Gaucke arbeitet nach ihrer Elternzeit wenige Tage wieder als Controllerin bei einem Reisekonzern. Vom Kindesvater Michel P. lebt sie seit längerer Zeit getrennt. Am Abend des 15. Juni 2006 will sich Karen Gaucke mit Michael P. treffen, um Unterhaltsfragen zu klären. Das erzählt sie einer Freundin kurz vor der Verabredung am Telefon.

Danach hört niemand mehr von ihr und ihrem Kind. Aus der Wohnung fehlen nur zwei Taschen und der Tragekorb für die kleine Tochter. Ermittler finden Blut, sorgfältig abgewischt vom Boden vor der Küchenzeile, an den Küchenmöbel. Eine weitere Blutlache darunter. Das Blut stammt von Karen Gaucke.

Zehn Tage später wird Michael P. festgenommen. Zunächst macht er Angaben, bestreitet, etwas mit dem Verschwinden zu tun zu haben. Die Polizei glaubt ihm nicht, sucht mit großem Aufwand die Leichen, bis heute ohne Erfolg. Die Ermittler beginnen akribisch Indizien zu sammeln.

Ein Zeuge ist der Inhaber eines Autoverleihs in Braunschweig. Dort hatte P. am Tag des Verschwindens von Karen und Clara Gauke um 15 Uhr einen Toyota Avensis Kombi gemietet. P. habe ausdrücklich nach einem Kombi verlangt. Aus versicherungsrechtlichen Gründen wird bei der Anmietung das Auto von allen Seiten und auch der Kunde fotografiert. Zwei Tage später brachte P. das Auto zurück. Die Kripo fand im Kofferraum DNA-Spuren von Karen Gaucke. Auch an den Sportschuhen des Beschuldigten stellen die Ermittler Blut von Karen Gaucke fest. Der Beschuldigte gibt an, Karen Gaucke und das gemeinsame Kind bereits 4 Tage vor deren Verschwinden besucht zu haben. Karen Gaucke habe Nasenbluten gehabt, er sei in einen Blutfleck hineingetreten. Seine Lebensgefährtin hingegen gibt an, am fraglichen Tag sei er bei ihr gewesen. Die Ermittler finden weiter heraus, dass der Beschuldigte im Mai 2006 versuchte, bei eBay ein Bolzenschussgerät zu ersteigern. Ein anderer bietet mehr, es kommt nicht zum Kauf. Anfang Juni 2006 informiert sich P. im Internet über die Unterscheidungsmerkmale zwischen Totschlag und Mord.

Michael P. macht längst keine Angaben mehr, er schweigt. Das ist sein Recht. Die Polizei ist auf Grund der ermittelten Umstände und Indizien der festen Überzeugung, dass P. erst Karen Gaucke, dann sein Kind getötet, dann beide Leichen in den Mietwagen geladen und zu einer vorbereiteten Stelle gebracht hat. Auch die Staatsanwaltschaft ist von diesem Tathergang überzeugt und erhebt Anklage wegen zweifachen Mordes.

Die Staatsanwaltschaft hält es für erwiesen, dass Michael P. Karen Gaucke „heimtückisch“ und „aus sonstigen niedrigen Beweggründen“, Clara Gauke „zur Verdeckung einer Straftat“ ermordet hat. P. sei bereits mit dem Plan in die Wohnung Karen Gauckes gekommen, sie umzubringen. Karen Gaucke habe keinen Anlass gehabt, vor P. Angst zu haben. P. habe den Plan gefasst, Karen Gaucke zu töten, weil diese seiner persönlichen Lebensplanung im Weg stand. Das Baby konnte sich nicht wehren. Die Mutter als einzige Person, die es hätte schützen können, war offensichtlich tot. Der Angeklagte musste das Kind zur Ruhe bringen, weil sonst Nachbarn auf die Tat aufmerksam geworden wären. Keine Hinweise hatte die Staatsanwaltschaft, wie P. vorgegangen sein soll, da die Leichen nicht gefunden wurden.

Michael P. schweigt auch vor Gericht. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Taten zweifelsfrei nachzuweisen. Die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Hannover mit dem Vorsitzenden Richter Bernd Rümke sah nach sechzehn Verhandlungstagen diesen Nachweis zur sicheren Überzeugung des Gerichts als geführt und verurteilte P. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und erkannte auf die besondere Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Haftentlassung schon nach 15 Jahren ausschließt. Zwar ist noch immer ungeklärt, wie Karen und Clara Gaucke getötet und wohin die Leichen gebracht wurden, sicher ist nach Auffassung des Gerichts nur, dass Michael P. irgendwann im Frühjahr 2006 den Entschluss fasste, Karen und Clara Gaucke zu töten und diesen Entschluss planvoll umsetzte.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Das Rechtsmittel blieb erfolglos. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat weder Verfahrensfehler festgestellt, noch hat sich bei der Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler ergeben. Die Feststellungen und die Beweiswürdigung tragen den Schuldspruch.

BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 339/07
Vorinstanz: Landgericht Hannover – Urteil vom 20. März 2007 – 39 a 22/06

Eine wegen „medialer Vorverurteilung“ erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, 2 BvR 2406/07 vom 13.2.2008).

Quellen und weiterführende Informationen:
Sueddeutsche vom 20.03.2007, Der Fall Karen und Clara Gaucke
Stern.de – Mord ohne Leichen
NDR vom 30.11.2006, Der Fall Gaucke – die Stunde der Kriminaltechniker
Rechtsanwalt Waldraff, Vertreter der Nebenklage – Presseüberblick
Spiegel vom 17.02.2007, Gisela Friedrichsen – „Da muss mehr gewesen sein“
Spiegel-Online vom 20.03.2007, Gisela Friedrichsen, „Sie ging ihm auf den Wecker“
Pressemitteilung Nr. 147/2007 des BGH vom 15.10.2007

Nachtrag: Michael P. verstarb in der Nacht zum 23.02.2012 in der Uniklinik Göttingen. Sein Wissen, wohin er die Leichen geschafft hat, nahm er mit ins Grab.

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